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nossen, und daher war ich an Trübsal und Kümmer-
nisse aller Art gewöhnt; aber so viel Arger und
Verdakt, wie mir die Träger bei dieser Reise vom
anganjika zum Nyassa täglich bereitet haben, ist
mtr mie vorher zuteil geworden. mag hier in
* Hauptsache der Umstand zu meinem Nachtell
ugewirt haben, daß die Träger wußten, daß ich
n Fremder sei, dem Land, Leute und Sitten un-
bekannt waren und der kein Machtmittel besaß, auf
hie irgendwie zu drücken. Ob ich anderseits Macht-
mittel zur Anwendung gebracht haben würde, wenn
sie mir verfügbar gewesen wären, möchte ich fast
vemeinen, denn es mußte natürlich mein Haupt-
#strebe sein, den englischen Behörden in keiner
eise Veranlassung zu geben, sel es nun mit oder
ohne Grund, an meine Reise durch ihr Gebiet später
noch irgendwelche unliebsamen Erinnerungen zu
d üpfen. Jedenfalls möchte ich bestimmt behaupten,
uns ein Engländer in Nordost-Rhodesia, noch dazu,
S# er Beamter ist, leichter und mit weniger
chwierigkeit reist, als ich es konnte.
di ein Träger sind keine berufsmäßigen Tröger;
4. e Eingeborenen unterziehen sich aber diesem Dienst
rotzdem willig. Ich habe überhaupt hinsichtlich des
gegenseitigen Verhältnisses zwischen den Eingeborenen
und den englischen Beamten und Angestellten der
„African Lakes Corporation“ glelch am ersten Tage
deeer Landung in Klkuta den Eindruck gewonnen,
aß dieses ein besonders vertrauensvolles ist, und
dieser Eindruck hat sich von Tag zu Tag meines
Verwellens im englischen Gebiet gesestigt. Ich kann
mich nicht entsinnen, eine gleiche oder ähnliche Ver-
trauensseligkeit der schwarzen Bevölkerung zu dem
Kropäer irgendwo in unserer Kolonie bemerkt zu
haben Mich hat diese angenehme und sehr ouf-
falende, weil seltene und ungewöhnliche Erscheinung
nteressiert und ich habe mir viel Mühe gegeben, sie
zu ergründen.
su Nach meinem Dafürhalten ist sie nicht darin zu
üchen, daß der Engländer auf das Wesen und die
und Charaktereigentümlichkeiten oder
in Abern Anschauungen seiner schwarzen Untertanen
es bodeesia und Zentralafrika mehr eingeht, als wir
glauben zuseren Besitzungen tun; ich möchte sogar
deusch daß er es weniger tut. Wir, mit unserer
licteihen vielgerühmten und viel getadelten Gründ-
* ürften eher vorbildlich sein. Wir geben
ffenbar weit mehr Mühe, die Ethnographie,
# Fusasze Laltur- und Sittenleben der Eingeborenen
* chmrn und uns in ihre Gedankenwelt und ihre
llscherseitseen hineinzudenken. Es wird auch eng-
#amien unumwunden anerkannt, daß unsere Be-
gene achere und Kaufleute erheblich bessere
. er Eingeborenensprache besitzen. Auch
zerihtüch " der Eingeborenen in Anwendung
Keled er trafen und körperlicher Züchtigungen
al bei en Engländern nicht humaner und milder
sind ei uns, und die jährlichen Steuerforderungen
zwar insofern geringer, als sie pro Hütte nur
8 Schilling gegenüber 3 Rupien bel uns betragen;
aber dieser Umstand kann nicht die günstige Ein-
wirkung auf die Neger haben, weil dem Neger in
Rhodesia und Zentralafrika der Schilling als Rupie
bekannt ist und gilt, und er die Wertdifferenz zwischen
3 Rupien und 3 Schilling nicht einzuschätzen und
zu begreifen vermag. Von ungleich größerem Werte
ist der Umstand, daß die Engländer in ihren An-
sprüchen an die Arbeitsleistungen der Elngeborenen
bescheidener und insbesondere in der Ausführung der-
selben duldsamer sind als wir.
Der Grundzug deutschen Volkscharakters, eine
unermüdliche sehr intensive Arbeitsamkeit, zeitigt bei
uns das: aheia, heia, upesi sana upesi sana,
das uns in unserer Kolonie überall da in den Ohren
gellt, wo gearbeitet, wo Tätigkeit entfaltet wird.
Wir sind gewöhnt, an unsere Arbeitsleistungen
hohe Ansprüche zu stellen; wir sind es gewöhnt,
täglich viele Stunden und ununterbrochen zu ar-
beiten, und wir find es gewöhnt, viel zu leisten.
Wir vergessen, einen wie niedrig in der HKubaurstuft
stehenden Menschen wir in dem Neger vor uns
haben, und verlieren, wenn wir ihn als Arbeiter in
unsere Dienste stellen, leicht das richtige Maß für
das, was er normal leisten kann, weil wir unsere
Leistungsfähigkeit und das Resultat unserer Arbeits-
leistungen für normal halten. Hier macht der Eng-
länder — und ich glaube durch seine fast 500 jährige
koloniale Erfahrung gewitzigt — der schwächsten
Seite des Negercharakters welt mehr Konzessionen.
Noch habe ich keinen Engländer gesehen, der in
nervöser Hast den Neger unter fortwährendem:
aomach schnell, mach schnell“ zur Arbeit antrieb. Er
weiß, Kolonien entwickeln sich nicht von heute auf
morgen; er läßt sich mit seinen Anforderungen an
die Arbeitskraft und Arbeitsamkeit des Negers ebenso
Zeit, wie dieser mit der Ausführung. Elr stellt sehr
viel mehr Leute für dasselbe Arbeitspensum ein als
wir und zahlt dafür weit geringere Löhne. So
erreicht er dasselbe wie wir und ohne Aufwand
größerer Mittel; aber er erhält die Leute in Arbeits-
wllligkeit und Dienstbereitwilligkeit, und das ist viel,
viel mehr wert, als schnelle Arbeitsausführung und
darauf folgender Mangel an Arbeitern, wenn es
gilt, welter zu bauen und zu schaffen. Bei uns
laufen die Eingeborenen von der Arbeit fort; beim
Engländer leisten sie sie willg.
Ich habe noch nicht erklärt, warum der Eng-
länder in Rhodesia und Zentralafrika für geleistete
Arbeiten so sehr viel geringere Löhne zahlt. Das
liegt hier im System der an der Landesverwaltung
interessierten Gesellschaften. Da liegen allerdings
die Verhältnisse überaus günstig; denn es kommen
nur zwei Gesellschaften in Frage. Das ist erstens
die „British South African Company“, zweitens
die „Afrika Lakes Corporation“. Sie sind hier die
Alleinherrscher, ein Dritter exlstiert nicht und könnte
neben beiden nicht aufkommen. Und diese belden
vertragen sich ganz außerordentlich gut. Sie ar-