Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

erlegen das Känguru mit Speer oder Keule, fangen 
es in der Schlinge oder verfolgen es mit Hunden. 
In Ost= und Süd-Baining benutzt man große Nete, 
um es zu jagen. Die Kängurumutter gebiert jedesmal 
ein bis zwei Junge, die sie in einem Beutel an der 
Brust trägt. Die armen Wesen sind bel ihrer Geburt 
noch sehr wenig entwickelt, nackt und blind. Wenn 
sie etwas herangewachsen find, lassen sie sich leicht 
außziehen und zähmen und werden dann sehr zu- 
traulich und anhänglich und ergötzen jedermann 
durch ihre komischen Sprünge. Eine glückliche Kän- 
gurujagd ist ein großes Ereignis für den Baininger 
und wird im Liede oft noch Jahre vachher ver- 
herrlicht. Aber auch, wenn das Weidmannsglück 
versagt hat, wird die Kunde davon im Gesange 
überliefert. So singt ein Weidmannsliedchen: 
„Ich höre hler ein Geräusch, wie das eines 
flüchtenden Känguruh. Die Männer ducken sich 
am Boden nieder, treffen und verwunden es mit 
der Keule, aber es entwischt.“ 
Die Vogelwelt Bainings deckt sich fast ganz mit 
der des übrigen Teiles von Neu-Pommern. Es 
kbommen hier, wie in Europa, Habichte, Schwolben, 
Rallen, Reiher, Tauben, Eulen, Kuckucke, Raben, 
Stare u. a. vor. Doch ist zu bemerken, daß sie 
wegen der Verschiedenhelt des Klimas und der 
Nahrung eine nur ähnliche Lebensweise führen und 
in ihrem Außern auch vielfach von den europätschen 
Arten verschieden sind. Mit Ausnahme der See- 
und Wasservögel ernähren sie sich von Pflanzenstoffen 
oder Insekten oder von beiden zugleich. Sie über- 
raschen fast alle durch ihr prachtvolles Gefieder, 
können aber, was ihren Gesang angeht, mit unsern 
heimischen Sängern keine Wette eingehen. Sie 
krächzen, schreien, kreischen, zetern, schnarren, flöten, 
schwatzen, pfeifen, piepen, ja lacheh sogar oder stoßen 
langgezogene melancholische Töne wie beständiges 
Klagen aus. Aber keine Nachtigall, keine Drossel, 
nicht einmal eine frohe Lerche gibt es unter ihnen. 
Der Kasuar (Casuarius Bennetti) ist über ganz 
Baining verbreitet, und zwar nicht nur in den be- 
waldeten Ebenen und auf den Vorbergen, sondern 
auch auf den höchsten Gipfeln kann man seine Spuren 
verfolgen. Sein gewöhnlicher Aufenthaltsort ist der 
dichte Busch; die Grasflächen meidet er, da er in 
letzteren nicht nur seine Nohrung nicht findet, sondern 
auch der Sonne zu sehr ausgesetzt wäre. Über Tag, 
wenn die Sonne hoch steht, sieht man ihn selten. 
Am häufigsten begegnet man ihm des Abends und 
in der Frühe. Er schreitet meistens langsam, be- 
dächtig und gebückt dahin. Mir ist schon manchmal 
vorgekommen, daß ein Kasuar einige Meter vor mir 
ber den Weg schritt, ohne mich zu bemerken. Sieht 
er sich aber beobachtet, so steht er mit hoch auf- 
gerichtetem Halse fast eine Minute unbeweglich, be- 
trachtet stolz den Menschen, flößt dann plätzlich 
eigenartige dumpfe Schreie aus und flüchtet in das 
Dickicht. Ich habe oft Gelegenhelt gehabt, Kasuare 
anzutreffen, doch habe ich niemals konstatieren können, 
441 
  
daß er in „Trupps“ von 3 bis 7, wie behauptet 
worden ist, umherstreist. Gegen 200 Kasuare, die 
ich während meines neunjährigen Hierseins im 
Walde beobachtet habe, begegneten mir einzeln. Der 
Kasuar legt seine 2 bis 3 großen grünen Eier am 
Fuße von Bäumen mit großen Strebewurzeln. Zum 
primitiven Nestbau gebraucht er nur etwas Reisig. 
Er soll nach Aussage der Eingeborenen die Eier auf 
einmal legen. Während der Brutzeit erlegen die 
Eingeborenen manchen Kasuar. Die Eler öffnen sie 
an beiden Enden, blasen den Inhalt auf ein Blatt 
und kochen ihn. Die Eierschalen werden beim Tanze 
zum Schmuck der Lanzen gebraucht. In Nord- 
und West-Baining werden die Kasuare meistens mit 
Hunden aufgetrieben und mit Speeren getötet. Die 
Kasuarjagd ist gefährlich und wird deswegen nur 
von solchen ausgeübt, die besonders geschickt in der 
Handhabung des Speeres sind. Der verwundete 
Kasuar greift leicht den Jäger an, tritt ihn nieder 
und kann ihn sogar mit den scharfen Zehen seiner 
überaus kräftigen Füße tödlich verwunden. Gefähr- 
licher noch als für Menschen ist es für Hunde, die 
vom Kasuar angegriffen werden. 
Der junge Vogel ist rotbräunlich und hat hellere 
Längsstreifen. Die ersten paar Tage ist er äußerst 
schwach auf den Belnen und schlägt oft unfreiwillige 
Purzelbäume. Er piept beständig, ähnlich wie eine 
junge Gans. Jung ist er leicht zu zähmen, ex wird 
gesellig, anhänglich und folgt dem Menschen, wenn 
er nicht allzuweit geht, überall hin. Ich habe Jahre 
lang mehrere zusammen auf der Station gehabt. 
In ihrer Jugend sind sie recht possierlich und reizen 
durch ihre drolligen Einfälle auch den größten 
Hypochonder zum Lachen. Auffallend ist, daß er 
dem Menschen nur bis zu einem gewissen Punkte 
solgt. Er steht dann still, kümmert sich nicht um 
Lockrufe und schaut nur immer nachdenkend umher; 
plötzlich wendet er sich um und rast, den Körper 
vornüber genelgt, zum Hause zurück. Kam die Sonne 
höher, so suchten meine beiden Kasuare den schattigsten 
lotz im Hofraum auf und blieben dort mit geringen 
Unterbrechungen bis gegen 4 Uhr nachmittags. Sie 
streckten die Zunge heraus, atmeten geräuschvoll und 
strecklken die Beine von sich. Gegen Abend wurden 
sie dann wieder lebendig, hüpften hin und her, ver- 
folgten sich, stießen sich gegenseitig mit den Zehen. 
Elner stellte sich tot, warf sich der Länge nach auf 
den Boden. Der andere sprang auf ihn, versetzte 
ihm einen Stoß und flüchtete weiter, um ebenfalls 
den Toten zu spielen. Später wollten sie auch die 
Knaben mit in ihr Spiel ziehen, standen aber bald 
wieder davon ab, da sie keinen Erfolg damit hatten. 
Interessant war es, wenn sie hungrig waren. Sie 
kamen dann alle beide vor die Verandatreppe oder 
an die Küche, piepten und hieben mit den Schnäbeln 
an die Türe, bis der Bruder aufmachte. Sie waren 
ußerst gefräßig Ich mußte täglich zweimal Taros 
für sie kochen lassen; außerdem stahlen sie noch den 
Hühnern das Futter weg, traten und schlugen die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.