Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Nach Passierung des Lamassa-Kanals fuhr der 
„Seestern“ hart an der Küste entlang weiter, und 
gegen 4 Uhr mittags kamen wir auf der Höhe der 
Insel Lambom an. Hier wurde die Fahrt für heute 
beendet. Ich wollte einmol der Insel Lambom einen 
Besuch abstatten und dann auch die Stätte aufsuchen, 
an der sich vor nunmehr 25 Jahren das furchtbare 
Drama der Marquis de Rays-Expedition abge- 
spielt hat. 
Während der „Seestern“ in den Breton-Hafen 
bineindampste, fuhren wir in einem Kutter an Land. 
Ich besuchte auf der Insel Lambom die beiden Dörfer 
Liliua und Kanarau, die sich in kurzer Entsernung 
voneinander am Strande hinziehen. Der Verkehr 
mit den Eingeborenen gestaltete sich auf das freund- 
schaftlichste. Fast jeder der erwachsenen männlichen 
Inselbewohner hat schon bei Weißen gearbeitet, teils 
in Samoa, teils im Archipel und in Neu-Guinea. 
Elne Verständigung mit ihnen begegnete daher keinerlei 
Schwierigkeiten. Klagen hatten sie nicht vorzubringen, 
und man gewann den Eindruck, daß Ruhe und 
Frieden herrschte. 
Verschiedene ältere Eingeborene, die offenbar die 
bereits erwähnte berüchtigte Expedition noch erlebt 
haben müssen, fragte ich, ob sie sich noch an jene 
Vorgänge erinnern könnten. Keiner wußte aber aus 
eigener Anschauung mehr zu berichten. 
Einen Zeugen an jene Zeit fanden wir aber doch 
in dem Dorse Kanarau. Es stand dort auf dem 
Dorfplatze ein großes eisernes Kammrad, von Zier- 
sträuchern umrahmt. Für eine der vielen „Zucker- 
mühlen“ war es bestimmt, die dort in der Phantasie 
des Marquis de Rays angelegt werden sollten, und 
nun diente es einem Eingeborenendorfe als Zierat. 
Nachdem wir uns von den Haäuptlingen der 
beiden Dörfer verabschiedet hatten, fuhren wir nach 
dem „Seestern“ zurück. Dieser war mittlerweile in 
der Bucht vor Anker gegangen. Der Hafen ist nicht 
besonders gut zu nennen. Das Wasser ist ziemlich 
tief, und es kann auch bei steifem Südwestwind eine 
ziemlich starke See in ihm aufkommen. 
Am Donnerstag den 7. Juni besichtigten wir 
morgens in aller Frühe die ehemalige Niederlassung 
der französischen Kolonisten. Das Land ist an der 
betreffenden Stelle für eine Ansiedlung denkbar un- 
günstig: sumpfiges Vorland, und gleich dahinter 
schroff ansteigend, mit Steinen und Felsen dicht be- 
säte Berge. 
Sicherheit sagen zu können, daß dort niemals ein 
Pflanzungsunternehmen gedeihen kann, zumal auch 
bei der spärlichen Bevölkerung gerade jenes Küsten- 
striches ein den Pflanzungsbetrieb unterstützender 
Handel nicht betrieben werden könnte. 
  
Die Niederlassung selbst ist mehrfach und erst. 
lürzlich von dem Marinestabsarzt Emil Stephan im 
Globus, Band LXXXVIII Nr. 21, S. 325, be- 
schrieben worden. Es erübrigt daher eine Schilderung 
an dieser Stelle. Erwähnt mag werden, daß nur 
noch wenige Spuren an die ehemalige Ansiedlung 
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Der erste Anblick genügt, um mit 
  
erinnern. Besonders ins Auge fallend ist ein sehr 
großer, ausgezeichnet erhaltener Mühlstein, der eine 
beredte Sprache redet, mit welchen Plänen und 
Hoffnungen die unglücklichen Kolonisten seinerzeit nach 
dem viel verheißenden Lande ausgewandert sind. 
Nach Rückkehr an Bord, gegen 8½⅛ Uhr mor- 
gens, gingen wir alsbald in See. Kurz nach 9 Uhr 
passierten wir das Kap St. Georg und erreichten 
damit die Ostküste von Neu-Mecklenburg. Gegen 
9¾ Uhr gingen wir in der Bucht von Likiliki vor 
Anker. Hier hatte seinerzeit der „Gouverneur“ De 
la Croix ebenfalls Kolonisten gelandet, denen es, wie 
Stabsarzt Stephan a. a. O. beschreibt, noch schlimmer 
erging, als ihren Landsleuten im Port Breton. Das 
Land ist hier ebenso ungeeignet zur Ansiedlung 
Weißer als in Port Breton. Irgend welche Spuren 
einer früheren Niederlassung sind nicht mehr zu 
finden gewesen. Nach kurzem Aufenthalte suhren 
wir denn auch weiter, um noch am gleichen Tage 
den Siara-Distrikt zu besuchen. Wir passierten um 
12 Uhr das Kap Bougainville und ließen bei dem 
Dorfe Waitin halten. Das Landen ist hier während 
des Südostmonsuns sehr schwierig, ja manchmal 
unmöglich. Glücklicherweise wehte nur eine schwache 
Brise, und es gelang uns deshalb die Landung. 
Der Hauptzweck des Besuches dieser Landschaft war, 
festzustellen, ob die vor etwa 1½ Jahren erfolgte 
Einsetzung des Häuptlings Bogias Schwierlgkeiten 
im Gefolge hatte oder ob die Eingeborenen ihn als 
Haupt anerkennen würden. 
Unter den Eingeborenen, die uns bei der Landung 
in der zuvorkommendsten Weise behilflich waren, war 
der erste, der uns begrüßte, der eben genannte Bogias. 
Wir besuchten mit ihm die am Strande sich entlang 
ziehenden Niederlassungen der Eingeborenen und 
kamen dann nach Passierung einer vorspringenden 
Landzunge in das eigentliche Dorf „Siara“. Auch 
hier wurden wir, wie an den übrigen Plätzen, von 
den Eingeborenen gut ausgenommen. Das Dorf 
macht einen ansehnlichen, verhältnismäßig recht saube- 
ren Eindruck. Ich unterhielt mich mit verschiedenen 
Eingeborenen, dle auch zum größten Teile schon bei 
Weißen gearbeitet haben. Sle waren alle zufrieden 
und hatten nach ihrer Angabe keinen Anlaß zu Klagen. 
Mit ihren Inlandnachbarn leben sie, wie sie ver- 
sicherten, in gutem Einvernehmen. Mit der Wahl 
des Boglas als des von der Regierung bestellten 
Häuptlings waren sie offensichtlich zufrieden. Boglas 
versicherte mir auch, er habe keinerlei Schwierigleiten 
gehabt, sondern sel von seinen Stammesgenossen 
willig als Oberhaupt anerkannt worden. Mit Stolz 
holte er aus seiner Hütte die Zelchen seiner Würde, 
Häuptlingsmütze und Stab, hervor und brachte aus 
einem Holzkoffer, wohl verwahrt, die Bestallungs- 
urkunde heraus, durch die seine Einsetzung als Häupt- 
ling von dem Gouverneur bekräftigt worden war. 
Vor Einbruch der Dunkelheit kehrten wir an 
Bord des „Seestern“ zurück und nahmen nun direkten 
Kurs nach Namatanai.
	        
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