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hand mit Erschießen bestrafte. Daß ihm die
nachdrängende Kultur diese alten Gewohnheits-
rechte genommen hat, ist dem Burentypus, den
ich im Klein-Namaland kennen lernte, ein Haupt-
motiv, die englische Herrschaft (die ihn im übrigen
so frei als nur denkbar gewähren läßt) zu ver-
abscheuen.
Diese Buren waren komisch enttäuscht, als sie
erfuhren, daß auch auf deutschem Gebiet, in das
sie auswandern wollten, der Hottentott Rechte
habe. Näher mit den Buren bekannt geworden,
suchte ich mir im Gespräch Aufklärung darüber
zu verschaffen, wie wohl in ihren Augen der
Gott, vor dem sie dreimal am Tage auf den
Knieen liegen, ihre Auffassung der Nächstenliebe
farbigen Menschen gegenüber ansehen möge? Man
verwies mich auf die Bibel. Ich würde ihre
Argumentation aus dem alten Testament nicht
ernst genommen haben, wenn sie mir nicht so
ernst vorgetragen worden wäre und sich in der
Tat, auch an anderem Ort, als Richtschnur ihres
Handelus erwiesen hätte: Im neunten Kapitel
der Genesis verflucht Noah den Sohn Hams,
Kanaan, und seine Nachkommen zur Knechtschaft.
Der Bur dehnt diesen Fluch auf alle Hamiten
aus, den Hottentotten rechnet er dazu, sieht also
in ihm einen geborenen Sklaven. Wer ist nun
der Herr, den Gott über sie gesetzt hat? Was
das Volk Israel im alten Bunde war, das ist
der Christ im neuen. Im 7. Kapitel des 5. Buches
Mose wird die Austilgung der Kanaaniter ge-
boten. So hat Gott den christlichen Buren als
den Erben Israels zum Herren über Leben und
Tod der verfluchten Nachkommen Kanaans bis
in ihr jüngstes Glied (das sind die Eingeborenen
Südafrikas) gesetzt. An dieser Auffassung hängt
der Bur um so fester, je beschränkter und rassen-
stolzer er ist. Den freier Denkenden ist diese
Art Evangelium ein Deckmäntelchen, das selbst
am klarsten zeigt, was es verbergen soll: den
maßlosen Egoismus des Buren, der bald dem
Hottentotten nichts anderes übrig ließ, als den
langsamen Würgekrieg auch seinerseits schonungs-
los zu führen. Wer in der gegebenen Situation
die Oberhand hatte, handelte und handelt noch
jetzt, wo das Gesetz nicht hinreicht, nach diesem
Grundsatz.
In ein extrem entgegengesetztes Verhältnis
trat der Hottentott zu einer anderen Klasse
weißer Männer, zu den Vertretern der christ-
lichen Mission, die heute im Groß-Namalande
von den Sendboten der Rheinischen Missions-
gesellschaft zu Barmen ausgeübt wird. Wer die
älteren Berichte dieser Gesellschaft liest, ermißt
den Abstand der heutigen Namamission von der
vor fünfzig Jahren. Damals war die Tätigkeit
unter den Hottentotten im herrenlosen, von
Kämpfen der Eingeborenen untereinander heim-
gesuchten Land ein Opfer ersten Ranges. Ohne
jeden Schutz einer Regierung lieferte sich der
Missionar dem Volf auf Gnade und Ungnade
aus, folgte den ruhelosen Stämmen auf ihre
Wanderzüge, teilte mit ihnen Hungersnot und
Durst. Um in engster Fühlung mit dem Volke
zu bleiben, scheute der Missionar selbst vor der
Ehe mit einer Eingeborenen nicht zurück. Allmäh-
lich führte die Erschließung des Landes zur An-
lage fester Missionsstationen; der Schutz des
Reiches gab für Leben und Eigentum neue
Garantien, und heute sind die Missionshäuser
dank der vorzüglichen Handwerkerschulung der
Missionare die besten und schmucksten Bauten im
Lande, Stätten nicht nur der Arbeit, sondern
zugleich auch der Behaglichkeit und, wie ich mit
aufrichtigem Dank hervorhebe, auch liebevoller
Gastfreundschaft für den Reisenden. Dieser Um-
schwung zum Besseren in den äußeren Lebens-
bedingungen der Mission hat sicherlich nicht wenig
zur Festigung ihres Ansehens unter den Hotten-
totten beigetragen. Aber auch hiervon abgesehen
bringt der Hottentott dem Missionar in der Er-
kenntnis, daß er in ihm den besten Vertreter
seiner geistigen und leiblichen Interessen hat, ein
großes Maß von Ehrfurcht und (wo er religiösen
Anstoß nicht zu scheuen hat) auch Vertrauen ent-
gegen.
Nur ein blinder Missionsfeind wird die Be-
deutung dieser Brücke, die das Christentum hier
zu friedlicher Verständigung zwischen zwei hetero-
genen und doch aufeinander angewiesenen Men-
schenrassen schlägt, in ihrer Tragweite für die
kulturelle Entwicklung des Landes verkennen.
Aber ebenso sonnenklar ist, daß die Mission zum
Fluch des Landes wird, wo sie in einseitiger
Verfolgung geistlicher und hierarchischer Ziele das
politische oder kolonialwirtschaftliche Wohl des
Landes aus dem Auge verliert. Daß dieses
Wohl zum großen Teil davon abhängig ist, wie
weit der Interessenkampf der eingeborenen und
der eingedrungenen Rasse nach Maßgabe der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Konkurrenten
auf friedlichem Wege sich regulieren läßt, ist eine
alte, aber von Humanitätsutopisten wie von
brutalen Kraftaposteln gleich oft beiseite ge-
schobene Wahrheit. Man muß sich die Kalami-
täten der Eingeborenenarbeiterfrage in der Kap-
kolonie vergegenwärtigen, um einzusehen, welche
Ersparnis es bedeutet, seine Interessen mit denen
der Eingeborenen (und sei es auch nur der ver-
achtete Hottentott) verknüpfen zu können. Die
erste Bedingung dazu ist selbstverständlich eine
genaue Kenntnis der Daseinsbedingungen und
Anschauungen der Eingeborenen; und solange bei
uns die Missionare mit wenigen Ausnahmen die