Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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hand mit Erschießen bestrafte. Daß ihm die 
nachdrängende Kultur diese alten Gewohnheits- 
rechte genommen hat, ist dem Burentypus, den 
ich im Klein-Namaland kennen lernte, ein Haupt- 
motiv, die englische Herrschaft (die ihn im übrigen 
so frei als nur denkbar gewähren läßt) zu ver- 
abscheuen. 
Diese Buren waren komisch enttäuscht, als sie 
erfuhren, daß auch auf deutschem Gebiet, in das 
sie auswandern wollten, der Hottentott Rechte 
habe. Näher mit den Buren bekannt geworden, 
suchte ich mir im Gespräch Aufklärung darüber 
zu verschaffen, wie wohl in ihren Augen der 
Gott, vor dem sie dreimal am Tage auf den 
Knieen liegen, ihre Auffassung der Nächstenliebe 
farbigen Menschen gegenüber ansehen möge? Man 
verwies mich auf die Bibel. Ich würde ihre 
Argumentation aus dem alten Testament nicht 
ernst genommen haben, wenn sie mir nicht so 
ernst vorgetragen worden wäre und sich in der 
Tat, auch an anderem Ort, als Richtschnur ihres 
Handelus erwiesen hätte: Im neunten Kapitel 
der Genesis verflucht Noah den Sohn Hams, 
Kanaan, und seine Nachkommen zur Knechtschaft. 
Der Bur dehnt diesen Fluch auf alle Hamiten 
aus, den Hottentotten rechnet er dazu, sieht also 
in ihm einen geborenen Sklaven. Wer ist nun 
der Herr, den Gott über sie gesetzt hat? Was 
das Volk Israel im alten Bunde war, das ist 
der Christ im neuen. Im 7. Kapitel des 5. Buches 
Mose wird die Austilgung der Kanaaniter ge- 
boten. So hat Gott den christlichen Buren als 
den Erben Israels zum Herren über Leben und 
Tod der verfluchten Nachkommen Kanaans bis 
in ihr jüngstes Glied (das sind die Eingeborenen 
Südafrikas) gesetzt. An dieser Auffassung hängt 
der Bur um so fester, je beschränkter und rassen- 
stolzer er ist. Den freier Denkenden ist diese 
Art Evangelium ein Deckmäntelchen, das selbst 
am klarsten zeigt, was es verbergen soll: den 
maßlosen Egoismus des Buren, der bald dem 
Hottentotten nichts anderes übrig ließ, als den 
langsamen Würgekrieg auch seinerseits schonungs- 
los zu führen. Wer in der gegebenen Situation 
die Oberhand hatte, handelte und handelt noch 
jetzt, wo das Gesetz nicht hinreicht, nach diesem 
Grundsatz. 
In ein extrem entgegengesetztes Verhältnis 
trat der Hottentott zu einer anderen Klasse 
weißer Männer, zu den Vertretern der christ- 
lichen Mission, die heute im Groß-Namalande 
von den Sendboten der Rheinischen Missions- 
gesellschaft zu Barmen ausgeübt wird. Wer die 
älteren Berichte dieser Gesellschaft liest, ermißt 
den Abstand der heutigen Namamission von der 
vor fünfzig Jahren. Damals war die Tätigkeit 
unter den Hottentotten im herrenlosen, von 
  
Kämpfen der Eingeborenen untereinander heim- 
gesuchten Land ein Opfer ersten Ranges. Ohne 
jeden Schutz einer Regierung lieferte sich der 
Missionar dem Volf auf Gnade und Ungnade 
aus, folgte den ruhelosen Stämmen auf ihre 
Wanderzüge, teilte mit ihnen Hungersnot und 
Durst. Um in engster Fühlung mit dem Volke 
zu bleiben, scheute der Missionar selbst vor der 
Ehe mit einer Eingeborenen nicht zurück. Allmäh- 
lich führte die Erschließung des Landes zur An- 
lage fester Missionsstationen; der Schutz des 
Reiches gab für Leben und Eigentum neue 
Garantien, und heute sind die Missionshäuser 
dank der vorzüglichen Handwerkerschulung der 
Missionare die besten und schmucksten Bauten im 
Lande, Stätten nicht nur der Arbeit, sondern 
zugleich auch der Behaglichkeit und, wie ich mit 
aufrichtigem Dank hervorhebe, auch liebevoller 
Gastfreundschaft für den Reisenden. Dieser Um- 
schwung zum Besseren in den äußeren Lebens- 
bedingungen der Mission hat sicherlich nicht wenig 
zur Festigung ihres Ansehens unter den Hotten- 
totten beigetragen. Aber auch hiervon abgesehen 
bringt der Hottentott dem Missionar in der Er- 
kenntnis, daß er in ihm den besten Vertreter 
seiner geistigen und leiblichen Interessen hat, ein 
großes Maß von Ehrfurcht und (wo er religiösen 
Anstoß nicht zu scheuen hat) auch Vertrauen ent- 
gegen. 
Nur ein blinder Missionsfeind wird die Be- 
deutung dieser Brücke, die das Christentum hier 
zu friedlicher Verständigung zwischen zwei hetero- 
genen und doch aufeinander angewiesenen Men- 
schenrassen schlägt, in ihrer Tragweite für die 
kulturelle Entwicklung des Landes verkennen. 
Aber ebenso sonnenklar ist, daß die Mission zum 
Fluch des Landes wird, wo sie in einseitiger 
Verfolgung geistlicher und hierarchischer Ziele das 
politische oder kolonialwirtschaftliche Wohl des 
Landes aus dem Auge verliert. Daß dieses 
Wohl zum großen Teil davon abhängig ist, wie 
weit der Interessenkampf der eingeborenen und 
der eingedrungenen Rasse nach Maßgabe der 
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Konkurrenten 
auf friedlichem Wege sich regulieren läßt, ist eine 
alte, aber von Humanitätsutopisten wie von 
brutalen Kraftaposteln gleich oft beiseite ge- 
schobene Wahrheit. Man muß sich die Kalami- 
täten der Eingeborenenarbeiterfrage in der Kap- 
kolonie vergegenwärtigen, um einzusehen, welche 
Ersparnis es bedeutet, seine Interessen mit denen 
der Eingeborenen (und sei es auch nur der ver- 
achtete Hottentott) verknüpfen zu können. Die 
erste Bedingung dazu ist selbstverständlich eine 
genaue Kenntnis der Daseinsbedingungen und 
Anschauungen der Eingeborenen; und solange bei 
uns die Missionare mit wenigen Ausnahmen die
	        
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