Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Arbeitsnachweises und einer Arbeiterfürsorge, mit 
der Mission zusammen arbeiten könnte, müßte ein 
Versuch lehren, womöglich ehe die englischen 
Arbeiterwerber uns die besten Kräfte über die 
Grenze gezogen haben. Dann wird sich auch 
zeigen, ob die protestantische oder die katholische 
Mission sich in diesem Punkte als die lebens- 
fähigere erweist. Die Entscheidung darüber kann 
einmal weit über die Grenzen der Mission Trag- 
weite erlangen. 
Das Verhältnis des Hottentotten zu seinem 
deutschen Herrn ist folgendermaßen zu charakte- 
risieren: Der Hottentott lernt unsere Sprache 
schnell, wenigstens verstehen, er beobachtet den 
Fremden scharf und hat die Klugheit, mit seinem 
Ergebnis zurückzuhalten. In allen drei Punkten 
unterscheidet er sich vorteilhaft von der Mehrzahl 
unserer Landsleute. Daß der Ansiedler und 
Kaufmann der schwierigen Sprache kein Interesse 
entgegenbringt, ist ihm nicht zu verübeln. Daß 
der Beamte seinen Einfluß auf die Eingeborenen 
verdreifacht, wenn er ihre Sprache beherrscht, ist 
eine alte Weisheit, aus der die Lehre zu ziehen 
in hottentottischem Sprachgebiet mit abnormen 
Schwierigkeiten verknüpft gewesen sein würde, 
hätte man je daran gedacht, sie zu beherzigen. 
Man hat draußen für die Sprache der Hotten- 
totten ihrer Schnalzlaute wegen gewöhnlich nur 
Spott. Das mag an sich harmlos sein; aber ein 
großer Teil unserer Landsleute begnügt sich über- 
haupt damit, am Hottentotten das Lächerliche 
herauszufinden, und das ist bedenklicher. Kommen 
dazu dann die hundert kleinen Verstimmungen, 
die niemandem erspart bleiben, der bei seiner 
Arbeit auf Eingeborene angewiesen ist, dann kom- 
binieren sich bald diese Empfindungen unter dem 
äußeren Eindruck der zerlumpten, schmutzigen 
Gestalten zu einem Gesamturteil, dessen Ergebnis 
unverhohlene Verachtung ist. Mag diese Ver- 
achtung nun je nach den Erfahrungen und der 
Anlage des einzelnen humoristischer oder er- 
bitterter Natur sein, meist paart sich jedenfalls 
mit ihr auf unserer Seite ein Bewußtsein ge- 
waltiger UÜberlegenheit, das jede nähere Be- 
schäftigung mit dem Hottentotten als überflüssig 
erscheinen läßt; man glaubt eben, auch so mit 
ihm fertig zu werden. 
Dabei treten dann die größten Gegensätze im 
Verkehr zutage. Demselben Kapitän, der bei 
Gelegenheit als „Spitze“ vom Beamten ins Haus 
geladen wird, bietet der Händler mit den Worten 
„Willst Du einen Schnaps haben, altes Schwein?“ 
auf seine Weise Gastfreundschaft an. Hier wird 
ein Weißer bestraft, weil er einen naseweisen 
Hottentotten handgreiflich vom Hofe gejagt hat, 
dort teilt einmal der Beamte selbst in begreif- 
licher Erregung blaue Striemen aus. Die Züchti- 
  
gung an sich ist nicht das Verwerfliche, sondern 
der Widerspruch in der Behandlung. Man mag 
das rücksichtslose Vorgehen der Buren im einzelnen 
mißbilligen; die Konsequenz aber, mit der auch 
der milder denkende Bur, in voller Überein= 
stimmung mit seinesgleichen, seine strengen Grund- 
sätze dem Hottentotten gegenüber wahrt, ist der 
gute Kern dessen, was man an der Fähigkeit des 
Buren, mit Eingeborenen umzugehen, rühmen muß. 
Einc solche Einheitlichkeit in der Behandlung 
der Eingeborenen muß der spontane Ausdruck 
übereinstimmender Beurteilung des Eingeborenen- 
charakters und der Situation werden. Alle 
Kenner der Hottentotten stimmen darin überein, 
daß zweierlei im gedeihlichen Verkehr mit ihnen 
unentbehrlich ist: In ungezählten Fällen habe 
ich die Erfahrung gemacht, daß ein Hottentott die 
Strafe, die er seiner eigenen Überzeugung nach 
verdient hat, auch erwartet. Es ist in seinen 
Augen ein Zeichen von Schwäche oder Beschränkt- 
heit, wenn ihm die Strafe dann geschenkt oder 
irgendwie umzuckert verabfolgt wird. Er mag 
sich für glimpfliche Absolution noch so gerührt 
bedanken und, wenn er Christ ist, den Lohn des 
„Heere Jezus“ herabwünschen, — wer hinter die 
Kulissen sieht, weiß, daß er sich über diese Art 
der Behandlung nur lustig macht, er will streng 
angefaßt sein. Die Forderung der Gerechtigkeit 
ist gleichfalls schon im Interesse der Autorität zu 
erheben, auch da, wo es sich nicht um empfind- 
liche Strafen handelt. 
Auch der Mann, der kein Amt bekleidet, 
sollte sich bewußt sein, daß sein privater Verkehr 
mit den Eingeborenen im halbzivilisierten Lande 
keine reine Privatangelegenheit ist. Jeder einzelne 
trägt unmittelbar einen Teil der Verantwortung 
für die guten oder schlechten Beziehungen der 
beiderlei Rassen. Das Ergebnis dieser direkt ver- 
antwortlichen Konfrontierung ist die schärfste Probe 
auf die Reife eines Volkes im Bölkerverkehr. 
Hier zeigen wir uns deutlich als Anfänger. Wir 
schwanken innerhalb zu weiter Grenzen zwischen 
antoritätsloser Fraternisiererei und amtlich posieren- 
dem Herrentum. Der Mittelweg: Verständnis 
der fremden Eigenart bei ruhig fester Wahrung 
der eigenen Überlegenheit, liegt uns noch nicht. 
Der Vetter jenseits des Kanals ist weltmännischer. 
Einstweilen müssen wir also offen bekennen, 
daß der Hottentott uns besser kennt als wir ihn. 
Schon im Bewußtsein seiner Schwäche verliert er 
niemals das Interesse am Studium des weißen 
Eindringlings. Seit Generationen und von 
Jugend auf geschult, mit List zu Werke zu gehen, 
läßt er den Weißen nur in den seltensten Fällen 
in die Ergebnisse seiner eigenen Menschenbeob- 
achtungen blicken. Wir haben in der Ver- 
kennung dieser Sachlage viel preisgegeben: Was
	        
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