Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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kein Wunder. Dort sind tüchtige, gut gebante, 
fleißige und geschickte Leute; sie sind alle Acker- 
bauer, mehr oder weniger landsässige schwarze 
Bauern und zwar einen Teil des Jahres als Träger 
im Lande herumziehend oder Handel treibend, 
aber doch mit Vorliebe ihre Felder bestellend. 
Der Taborabezirk ist ungefähr so groß wie das 
Königreich Bayern und hat eine Million Ein- 
wohner. Es ist eine Hochsteppe mit vielen ein- 
zelnen Gneißkuppen in grotesker Form. Wo 
Wasser vorhanden, ist sie überall besiedelt, sonst 
mit einem Buschwald bedeckt. Die Leute bauen 
sich ihre Nahrung selbst, Vieh halten sie als 
bewegliche Vermögensobjekte, mit denen man 
Handel treiben, Steuern bezahlen und Franen 
kaufen kann. Die Bedürfnisse sind nicht klein, 
der Erwerbsinn ziemlich rege. Daß schon eine 
erhebliche Ausfuhrproduktion da ist, haben Ihnen 
die Ziffern gezeigt. Hochwertige Produkte kommen 
von überall aus dem Hinterland; Mais und 
Olfrüchte nicht weiter als 150 km. 150 km ist 
ungefähr der fünfte Teil der Ausdehnung des 
Landes. Sie können sich denken, welcher Handel 
entstehen wird, wenn man eine 150 km Zone 
nach der anderen erschließt. Das ganze Land 
macht einen friedlichen Eindruck, aber ich möchte 
über das Wort „Eindruck“ nicht hinausgehen. Die 
Sultane erscheinen auf den Lagerplätzen und jeder 
zeigt mit einem gewissen Stolz sein Papier 
vor, worin auch ihm auf Grund des Kaiser- 
lichen Schutzbriefes der Schutz des Deutschen 
Reiches versprochen ist. Dieses Papier wird sehr 
in Ehren gehalten, wie überhaupt all und jede 
Sorte Papier mit europäischen Schriftzeichen. 
Das ist von gewissenlosen Weißen und schlauen 
Schwarzen oft mißbraucht worden, so daß Re- 
gierungsladungen jetzt nur mehr auf schwarz-= 
weißrot gestreiften Scheinen ausgestellt werden. 
Ich habe herrliche Viehherden, sehr wohl be- 
stellte Felder in großer Anzahl gesehen und habe 
von dem ganzen Land einen guten und tüchtigen 
Eindruck. 
Die weiße Verwaltung genießt, soweit sie sich 
ausdehnen kann, Vertrauen. Aber natürlich ist 
sie hier sehr beschränkt, denn im diesem Lande, 
so groß wie Bayern, ist nur ein weißer Bezirks- 
amtmann und ein weißer Bezirkssekretär. Das 
ist der ganze Beamtenstand. Und es ist eine 
Reise vom Südende zum Nordende von 30 Tagen 
oder mehr. Auch sind die Arbeiten so umfang- 
reich, daß die Beamten kaum Zeit finden, sich 
vom Verwaltungssitz wegzubegeben, besonders da 
sie auch noch die ganze Gerichtsbarkeit zwischen 
Weißen und Eingeborenen zu besorgen haben. 
Eine Gerichtsbarkeit über eine Million Menschen! 
In ganz Tabora waren 12 Weiße, 2 Beamte, 
4 Offiziere und Unteroffiziere, ein Postbeamter, 
  
2 Missionare und 1 Arzt, drei Kaufleute und 
Arbeitsanwerber. In einer Stadt von 40 000 
Köpfen! Da gehört denn ein großes Maß von 
Takt und Anpassung an die Landesgebräuche 
dazu, um jederzeit korrekt zu sein und dabei das 
Vertrauen der Eingeborenen zu behalten. Man 
muß diese Verhältnisse sich ernst vergegenwärtigen, 
will man einen gerechten Standpunkt einnehmen 
gegenüber dem Tun und Lassen unserer Beamten da 
draußen, deren Aufgabe eine schwere ist, selbst 
wenn man nicht rechnet den Einfluß des tropischen 
Klimas und der tropischen Sonne, die Abgeschlossen- 
heit von allem Berkehr, den Mangel jeder Zer- 
streuung, die Unmöglichkeit, sich einer Gesellschaft 
zu entziehen, die einem oktroyiert ist und auf 
deren Zusammensetzung man keinen Einfluß hat. 
Und man wird sagen müssen, daß jeder deutsche 
Kolonialbeamte, der sich mit Ehren seiner Aufgabe 
entledigt, eine große und dankenswerte Leistung 
vollbringt, und daß es nur der Tüchtigkeit und 
der Entsagung des deutschen Beamtenstandes zu 
danken ist, daß wir mit so wenig Leuten noch 
auskommen. 
Weil mich die Frage der Rechtspflege ganz 
besonders interessiert (denn sie ist das Fundament 
nicht bloß der Herrschaft, sondern des Vertrauens), 
habe ich, wo immer ich konnte, den Gerichts- 
sitzungen beigewohnt und auch in Tabora einen 
ganzen Vormittag damit verbracht. In der Nähe 
der Boma, der Feste, steht ein großer tempel- 
artiger Rundbau, ein spitzes Dach auf hölzernen 
Säulen, die unten durch eine Art Balustrade 
miteinander verbunden sind; rückwärts geht die 
Mauer bis oben hin, innen ist eine Erhöhung, 
auf welcher der weiße Beamte an einem Tische 
sitzt. Auf dieser Balustrade sitzen zunächst der 
Bürgermeister von Tabora, ein Araber, der als 
Dolmetscher fungiert, 4 oder 5 angesehene ara- 
bische Gutsbesitzer, ebensoviel indische Kaufleute, 
ein Teil der 260 Sultane, die von der deutschen 
Herrschaft bestätigt sind, die Abgesandten der 
anderen Sultane, die nicht gerade anwesend sein 
können. Im Gerichtsraum stehen mehrere Askari 
zur Aufrechterhaltung der Ordnung, und der ganze 
Boden ist bedeckt von hockenden, teils neugierigen, 
teils interessierten Zuschauern; ebenso gucken sie 
rechts und links über die Estrade hinüber. Ich 
rechnete, daß wohl über 300 Menschen anwesend 
waren an einer Gerichtsverhandlung, in die ich 
ohne Anmeldung hineingekommen bin. Zunächst 
werden alle Bekanntmachungen, Verordnungen 
usw. verlesen und erklärt in der Art, wie sie in 
Deutschland manchmal noch ausgeschellt werden. 
Dann werden die Fälle einer nach dem anderen 
aufgerufen, aber auch solche, die nicht angemeldet 
oder vorbereitet sind, kommen zur Berhandlung. 
Kläger und Beklagter stehen auf, es beginnt die
	        
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