Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Männer das schmutzige Laba Laba (Hüfttuch) und 
der abgerissene alte Gehrock, den sie mit Vorliebe 
wählen, die Weiber im besten Falle ein ab- 
gerissener hemdartiger Hänger auch nicht ansehn- 
licher. Ihre Handfertigkeiten beschränken sich auf 
das Anfertigen von Netzen und Schlingen zur 
Niedersagd und auf die Herstellung von Fisch- 
reusen, mit denen sie mit viel Erfolg den schmack- 
haften Krabben in den Flüssen nachstellen. Ur- 
sprünglich waren Ngumbas und Mabeas alle 
neben Pfeil und Bogen auch mit der Armbrust 
bewaffnet, welche die Makas noch heute vielfach 
führen. Jetzt donnert überall im Urwald die 
aus Europa eingeführte Muskete. 
Am 19. Oktober 1901 früh zogen wir guten 
Muts, schlecht beritten auf ein paar Kleppern, 
die sich kaum von dem Marsch aus dem Innern 
zur Küste erholt hatten, in den Urwald hinein. 
An der Spitze der Karawane ritt ich selbst, hinter 
mir gingen zwei Soldaten, denen der Fahnen= 
träger Wilhelm folgte. Der war ein spindel- 
dürrer langer Togomann mit wehendem schwarzen 
Vollbart und verkehrt eingeschraubten Beinen, 
der sonst zu nichts zu brauchen war. Wilhelm 
wirkte sogar in Afrika, wo man durchaus nicht 
immer an harmonische Bilder gewöhnt ist, wie 
eine bessere Karikatur; er hat sich aber bezahlt 
gemacht, denn überall, wo er erschien, bei glü- 
hender Hitze, auf langem Nachtmarsch, bei schwie- 
rigen Anstiegen, gefährlichen Flußübergängen war 
er eine Quelle des Vergnügens für die Träger. 
Wo am schwersten gearbeitet werden mußte, stellte 
ich ihn hin, und wenn die Leute ihn sahen, 
lachten sie; wenn aber der Neger bei der Arbeit 
lacht und singt, dann fluscht's, wie der, Pommer 
sagt. Die Togoträger, die nach Art der Gras- 
landstämme ihre Lasten auf dem Kopf tragen, 
marschierten mit dem Sanitätsunteroffizier Haase 
am Schluß der Kolonne. HOaase, der kleine, 
rührige Berliner, war Expeditionsmeister, d. h. 
er führte die Trägerkolonne und war für die 
Fortschaffung der Lasten verantwortlich. Auf ihm 
ruhte also die Hauptlast der Expedition, aber für 
ihn galt es auch: „Von der Atlantischen See 
bis zum Tschadsee“; je mehr Arbeit, je mehr 
Ehre; niemals hat er versagt. 
In dem Schatten der hohen Urwaldbäume, 
die kaum einen Sonnenstrahl auf den Weg fallen 
lassen, marschierte es sich herrlich kühl, und wenn 
es dann dunkel wurde und rundum die Feuer 
prasselten, war es im Lager recht gemütlich. 
Bis spät in die Nacht hinein unterhielten wir uns 
in diesen Tagen mit den Sudankennern unserer Ex- 
pedition. Ich hatte das Glück gehabt, in Duala 
einen jungen Haussahsoldaten, Eliasu aus Bautschi, 
anzutreffen, der erst wenige Wochen eingestellt 
war und auf den keiner der Offiziere bisher auf- 
  
merksam geworden war. Er wurde später in 
Adamaua und Bornu meine rechte Hand. 
Gleichfalls durch einen Zufall hatte ich in 
Kribi einen Sudauesen mit Namen Ibrahim ge- 
funden, der mit Haussahs als Träger aus Ada- 
maua kam. Er kannte die Tschadseeländer, in 
die wir ziehen wollten, ausgezeichnet. 
Am 21. Oktober setzten wir bei Bipindi über 
den Lokundjefluß und nächtigten bei meinem alten 
Freunde, dem Ngumbahäuptling Tunga. Der 
alte Fuchs, mit dem ich mich vor Jahren her- 
umgeschossen hatte, tat hocherfreut, uns zu 
sehen. Hinter Tungadorf, das seitlich des hohen 
Gebirgsstocks liegt, der die Ngumbas von den 
Bakokos trennt, beginnt der Anstieg in die Berge. 
An einem rauschenden Gebirgswasser entlang, 
vielfach über Felsen zieht sich die Karawanen= 
straße bergan. Umgestürzte Bäume an den 
Berghängen, an denen vielfach das bemoste Ge- 
stein zutage tritt, lassen die Landschaft an Thü- 
ringen oder den Harz erinnern. So geht es 
weiter bis nach Lolodorf. Nur der Berg, auf 
dessen Höhe die Station beherrschend liegt, und 
die prächtige Aussicht auf die zahlreichen bewal- 
deten Gipfel oder steinigen Kuppen rundum sind 
wie früher geblieben; sonst würde ich den Platz, 
den ich 1894 besuchte, kaum wieder erkannt 
haben. Friedlich, freundlich und ordentlich war 
das Ganze, wie ein hübscher deutscher Herrensitz. 
Wunderbar war es am Morgen nach unserer 
Ankunft, als wir auf die Veranda heraustraten 
und auf ein wallendes Meer weißer Nebel hin- 
untersahen. Hin und her zogen die Nebelschwaden, 
die grauen Wolken teilten sich und eine Berg- 
kuppe nach der anderen tauchte auf, die aus- 
sahen, als wenn mächtige Eisberge auf der 
gräulichweißen Flut schwammen. Als die rote 
Sonnenscheibe aufstieg, wurde das graue Meer 
immer durchsichtiger, wie auf einer photogra- 
phischen Platte traten die dunklen, bisher dem 
Auge verborgenen Gründeschärfer hervor, Bäume, 
Felsen, Berge und Täler ließen sich unterscheiden, 
bis schließlich das ganze großartige Panorama 
mit dem Lokundje am Fuße des Berges, der 
gelben Straße unten, an der wie Kinderspielzeng 
die Eingeborenenhäuser liegen, die Pisanghaine 
und die Felder der Ngumbas erkennbar wurden. 
Am 26. Oktober zogen wir in den schönen 
Morgen hinein, nicht mehr mit den kleinen, 
gelben, rauchenden Mabeafrauen, sondern von 
schlanken, hohen, gut geölten Jannde= und Bane- 
leuten geleitet. Vor allem der letztgenannte 
Fanstamm weist prächtige Gestalten mit an- 
sprechenden Gesichtszügen auf; mächtige Frisuren 
auf den Köpfen und oft gar nicht unschöne Täto- 
wierungen bilden den Schmuck der Männer, die 
in ihrer Heimat nur mit dem Hüftschurz bekleidet
	        
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