Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Gebiet erschließt, 
im Jahre 1905 
der Einfuhrhandel 340 000 Mk., 
war er bereits 1 730 000 Mk., 
und er hat sich unter dem Einfluß dieser Bahn 
also verfünffacht. Noch anders aber ist es mit 
der Ausfuhr. Die Ausfuhr hatte 1903 einen 
Wert von 113 000 Mk., im Jahre 1905 
2 016 000 Mk., die Ausfuhr hat sich also unter 
dem Einfluß der Verkehrsmöglichkeit versiebzehn- 
"lacht. 
Ich habe dieser Tage Gelegenheit gehabt, 
eine vortreffliche und tapfere deutsche Frau zu 
sprechen, die als treue Gefährtin eines in der 
deutschen Wissenschaft mit Stolz genannten Mannes 
diese Gegenden bereist hat, und sie hat mir dar- 
gestellt, wice zwischen der englischen Seite des 
Viktoria-Nyansa und der deutschen ein Unterschied 
ist wie Tag und Nacht. Roheste Art der Unter- 
kunft, der Lebenshaltung und der Lebensführung 
auf deutschem Gebiet, vornehmer Komfort und 
freundliche Umgebung auf dem englischen. Das 
ist die Wirkung einer Bahn, die das Innerste 
Afrikas vor die Pforten Europas legt. Ebenso 
müssen wir uns aber auch klar machen, was 
denn diese Ausfuhrziffern und Einfuhrziffern für 
die deutsche Arbeit bedenten. Ich habe in Berlin 
erklärt, daß sich die Entwicklung, die Zukunft der 
deutschen Kolonien, wobei ich die Zeit ganz dahin- 
gestellt habe, in der sie erfolgen kann, denn sie 
hängt von dem Aufwand ab, den das Deutsche 
Reich zu machen bereit und in der Lage ist, für 
die Frage der Zukunft der deutschen Arbeit halte. 
Und ich habe es mit aller Breite auseinander- 
gesetzt, und es ist auch in die süddentschen Blätter 
übergegangen, daß ich dabei nicht zu verweilen 
brauche. 
Ich will annehmen, daß in den nächsten fünf 
Jahren infolge der Bahnen, infolge der steigenden 
Entwicklung, infolge des Einströmens deutschen 
Kapitals der Handel der Kolonien auf 
200 Millionen sich gehoben haben wird, 
und daß davon 80 Prozent vielleicht zur Hälfte 
Einfuhr, zur Hälfte — es kommt darauf nicht 
genau an und ist auch schwer zu ermessen — 
Ausfuhr sein werden. Im Werte der Einfuhr 
liegt natürlich ein großer Teil nationaler Arbeit. 
Ich habe angenommen, gestützt auf sorgfältige 
Rechnungen aus meiner eigenen Erfahrung und 
80 Prozent des Wertes dieser Einfuhr deutsche 
Arbeit darstellt. Denn wir führen nicht rohe 
Güter, sondern komplizierte ein; alles, was wir 
liefern, Maschinen, Lederwaren, Eisenbahnwaggons, 
Zeuge usw., macht nicht ein, sondern viele Fabri- 
kationsstudien durch. Die führende sozialistische 
Zeitung hat angenommen, daß die Arbeit un- 
gefähr ein Viertel des Wertes, der Unternehmer- 
gewinn und die Kapitalrente mindestens 10 Pro- 
  
zent sei, der Rest das Material. Ich nehme auf 
Grund der Feststellungen des arbeitsstatistischen 
Amts in Washington einen etwas höheren Anteil 
der Arbeit an, und wenn ich dann diese Arbeit 
durch die verschiedenen Produktionsstadien hin- 
durch verfolge, so komme ich nach der Rechnung 
des „Vorwärts“ auf 71½ Prozent, nach meiner 
eigeien auf 80 Prozent. Das klingt merkwürdig 
und ist doch wahr. Nehmen Sie eine Maschine, 
sie besteht aus Eisengußteilen, aus Rotgußteilen, 
aus Schrauben; es sind dazu gemacht Zeich- 
nungen, es wird daran montiert, zusammen= 
rr zugerichtet usw. Nehmen Sie an, sie sei 
Mk. wert und es seien daran 250 Mk. 
furbe und 10 Prozent Unternehmergewinn. 
Jetzt kommen jene bereits genannten Teile, aus 
denen sie sich zusammensetzt, und die wieder in 
verschiedenen Fabriken zum Teil gemacht werden, 
dafür verbleiben 650 Mk. Hiervon sind 6 ¼/ Pro- 
zent = 112 Mk. Arbeit; aber auch diese Dinge 
müssen aus dem Rohmaterial hergestellt werden, 
es muß das Eisen erzeugt, in Stahl verwandelt, 
gewalzt und roh fassoniert werden. Auch hier 
sind wieder 25 Prozent Lohn zu rechnen. Dann 
aber kommen wir an das Rohprodukt, und im 
Rohprodukt steckt natürlich viel mehr Lohn. 
Stecken doch in einer Tonne Kohle ungefähr 
60 Prozent Arbeitslohn. So kommt dann jene 
Rechnung, daß durch 1000 Mk. Exportgut 700 
bis 800 Mk. Arbeit verursacht wird, ungerechnet 
derjenigen, die in den Maschinen steckt, in den 
Hilfsmaterialien, in den Apparaten, in der Lei- 
tung. Noch anders aber ist es bei den Export= 
materialien. Vieles geht ja ziemlich roh in den 
Konsum, anderes, wie die Baumwolle, wird, ehe 
sie verbraucht werden kann, mit sehr hohem 
Lohn und Kosten belastet. Die Rechnung ist, 
daß sich Rohmaterial zu Arbeitslohn und Un- 
kosten wie 1: 2½/, stellt. Nehmen Sie aber auch 
bei dem Export nur an, daß dort derselbe 
Arbeitskoeffizient sei wie bei dem Impport, so 
haben Sie auf 160 Millionen Mark 80 Prozent, 
das sind 128 Millionen Mark Lohn, die daraus 
direkt entstehen und ohne diesen Handel nicht 
bestehen würden, und das ist das jährliche 
Einkommen von 128 000 Arbeiterfamilien, 
und nehmen Sie diese so gering wie Sie wollen, 
aus drei Köpfen, so haben Sie die Lebens- 
bedingungen für 384 000 Deutsche, das ist 
1/, Prozent der deutschen nationalen Bevölkerung— 
Und dann ist doch noch zu berechnen, daß von 
diesem Arbeitslohn noch ein großer Teil der 
Landbevölkerung lebt, die wieder für jene in- 
dustriellen Arbeiter die notwendigen Nahrungs- 
stoffe usw. produziert. Je weiter wir unsere 
Kolonien erschließen, umsomehr werden wir dafür 
nach dieser Richtung hin leisten, und wir müssen
	        
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