Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Heimat muß lernen, diese Leute zu be- 
lohnen nach ihrem Opfer und nach ihrer 
Leistung, sie muß ihnen ihre Karriere und ihre 
Zukunft so gestalten, daß die besten Leute in 
den Dienst der Kolonien kommen und für 
sich selbst einen freien Blick, eine große Er- 
fahrung und mannigfache Eindrücke mitbringen, 
die ihnen für den Rest ihres Lebens Reichtum 
an Gedanken und Freude am Geschaffenen zu- 
rückläßt. 
Nicht anders aber der Farmer und der 
Plantagenbauer. Auch sie haben mancherlei 
neue und ungewohnte Arbeitsmethoden zu be- 
meistern. Sie haben den Umgang mit einer 
fremden Rasse zu lernen; sie werden in ihren 
Kulturen mancherlei Fehlschläge zu erwarten 
haben, sie müssen wissen, daß nur unermüdlicher 
Fleiß, genaue Verfolgung der Erfahrungen der 
anderen kolonisierenden Nationen, richtige Be- 
urteilung der Lage des Weltmarktes oder der 
Bedürfnisse ihrer Umgebung sie vorwärts bringen 
kann. Und nicht zuletzt muß der Kaufmann, 
derjenige, der zuerst mit den fremden Kulturen, 
mit den fremden Menschen in Berührung kommt, 
sich alle Zeit eingedenk sein, daß er nicht nur 
seiner wirtschaftlichen Erfolge halber da ist, son- 
dern daß der Schutz, den ihm das Deutsche Reich 
in seinen Unternehmungen gewährt, auch die vor- 
nehme Aufgabe bringt, sich dem Deutschen Reiche 
als Kulturträger würdig zu erweisen. Diese drei 
letztgenannten Klassen stehen ja schon ziemlich 
lange im Kolonialwesen, und sie haben ihre Er- 
fahrungen gemacht, sie haben gern gelernt, und 
es ist mit Freude zu konstatieren, daß sie sich 
alle diesen neuen Aufgaben ernsthaft anzupassen 
versuchen. Aber auch da ist der Erfolg nicht 
überall vorhanden. Ganz besonders schwierig 
liegt die Sache bei den Beamten, deren heimische 
Vorbildung besonders ungeeignet ist, ein schnelles 
Einleben herbeizuführen, und die mit manchem 
europäischen Gepäck in die Kolonien abmarschieren, 
das sie je eher je besser über Bord werfen, um 
auf die Entwicklung derjenigen Eigenschaften den 
größten Nachdruck zu legen, die, mit einem un- 
ersetzten Fremdwort der Engländer, einen „Gentle- 
man“ machen und in dem Nachbarn einen solchen 
sehen. 
Meine Herren, wenn ich die Liste der Be- 
amten und der Offiziere durchsehe, deren un- 
mittelbarer Vorgesetzter ich den Vorzug habe zu 
sein, freut es mich, daß gerade unter den 
tüchtigsten besten, denen, die dem Ideal am 
nächsten kommen, Ihre Landsleute vertreten sind. 
Wir haben einen bayerischen Gouverneur in 
einer unserer Kolonien, der ein echter und vor- 
trefflicher Mann ist. Wir haben unter den Helden, 
die selbst in Todesnot unnötiges Blutvergießen!. 
  
verhütet haben, den Grafen Fugger, dessen 
heldenmäßiges und tragisches Ende jedem von 
Ihnen bekannt ist. Etwa 1000 Bayern sind 
bisher als Beamte und Militärs in dem vater- 
ländischen Dienste der Kolonien gewesen. Aber 
nicht nur für unsere Kolonien, auch für unsor 
inneres deutsches politisches Leben werden wir 
aus dieser eben gekennzeichneten klaren und selbst- 
losen Verfolgung großer Ziele keinen geringen 
Gewinn haben. Die Gleichgültigkeit der 
deutschen Nation gegenüber den Kolonien 
hat es zuwege gebracht, daß einige eifrige Männer 
mit Motiven besonderer Art und einseitigen und 
zum Teil kleinlichen Gesichtspunkten um unser 
koloniales Wesen große Scheiterhaufen angegündet 
haben, in denen sie versuchen, unsere Bestrebungen, 
unsere Beamten, unsere Einrichtungen und unser 
Wollen in Bausch und Bogen zu verbrennen. 
Neben diese Scheiterhaufen haben sie die eigenen 
kleinen selbstsüchtigen Suppentöpfchen gestellt, um 
dort ein Gebräu gar zu machen, das sie als die 
Essenz des deutschen kolonialen Wesons und 
Strebens ausgegeben haben und mit dem sie 
unsere Nation und, wie ich hoffe, nicht zuletzt 
sich selbst vor In= und Ausland heruntergesetzt 
haben. Meine Herren, diesen Scheiterhaufen 
werfen wir zusammen, und wir errichten an 
seiner Stelle ein Fanal hoch und klar, wie 
ein elektrisches Licht und kalt wie die Wahrheit, 
die wir versuchen zu verbreiten ohne Beschönigung 
und ohne Selbstgefälligkeit, aber mit denjenigen 
gesunden Sinnen für Aktion und Fortschritt, ohne 
die wir weder im Kolonialwesen noch in einer 
anderen Politik gedeihen können. Um dieses 
Fanal können sich alle deutschen Stammesgenossen 
von Süd und von Nord, alle Konfessionen, alle 
Berufsstände zusammenfinden, jeder intellektuelle 
Deutsche gehört in diese Armeec, und das ist der 
Gelehrte wie der Kaufmann, der Beamte wie 
der Arbeiter, nämlich jeder Arbeiter, der sich 
von der unfruchtbaren Verneinung und von den 
längst überwundenen, aber desto heiliger gehaltenen 
Vorurteilen und Doktrinen freimacht und sich ent- 
schließt, mit seinen eigenen Gedanken sein 
eigenes Dasein zu verstehen. Auf dieser Armee 
beruht aber nicht nur die koloniale Zukunft 
Deutschlands, sondern die Zukunft unserer ge- 
samten deutschen Politik, und wenn sie sich ein- 
mal hier zusammengefunden hat, so kann man 
die Hoffnung hegen, daß auch in anderen 
großen nationalen Fragen diese selben 
Elemente sich zusammenfinden, um sic zu 
lösen in nationalem Sinne zur Ehre des deutschen 
Namens und zum Heile unseres großen gemein- 
samen deutschen Vaterlandes. 
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