Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Finanzwirtschaft sprechen? Hierbei muß zunächst 
von Südwestafrika abgesehen werden, das nach 
zwei langen Kriegsjahren eine außerordentliche 
Zerstörung an Leben und Eigentum mit sich ge- 
bracht hat, unserem Vaterlande die größten finan- 
ziellen Opfer auferlegt und jetzt erst wieder am 
Beginn einer friedlichen und, wie wir hoffen 
dürfen, glücklicheren Entwicklung steht. In einer 
Denkschrift, welche dem Deutschen Reichstage mit 
dem Titel: „Die finanzielle Entwicklung der 
deutschen Schutzgebiete ohne Kiautschon“ vorgelegt 
worden ist, ist aus amtlichem Material nachge- 
wiesen worden, daß im Jahre 1903 die ge- 
samten Ausgaben des südwestafrikanischen Schutz- 
gebiets, ohne die Militärlasten, 4,81 Millionen, 
die gesamten Einnahmen 2,23 Millionen gewesen 
sind. Und wenn man die für die reinen Zwecke 
der Verwaltung — abgesehen von den für 
werbende Zwecke — gemachten Auslagen mit den 
reinen Einnahmen vergleicht, so überstiegen die 
Ausgaben in diesem Jahre die Einnahmen noch 
um 1 310 000 Mk. Wie sich die Sache von nun 
ab gestalten wird, ist schwer sicher zu überschauen. 
Der Krieg ist ja erfreulicherweise seinem Ab- 
schluß sehr nahe gerückt, die weiße Bevölkerung 
hat zugenommen, die Industrie beginnt sich 
neuerdings zu entwickeln, deutsche Kapitalien 
gehen befruchtend in das Land, und die Land- 
gesellschaften haben angefangen einzusehen, daß 
ihre bisherige Politik eine verkehrte war, die den 
Unwillen von Parlamem und Bevölkerung, zum 
Teil nicht mit Unrecht, hervorgerufen hat, aber 
mmmerhin muß dieses Land noch stark besetzt 
werden; es ist, wenn mineralische Schätze nicht 
m erheblichem Umfange noch neu erschlossen 
werden, minder begünstigt. Und wenn es auch 
dem deutschen, regsamen Ansiedler, der mit dem 
hinreichenden Kapital dort hinkommt, einen ziemlich 
scheren Erwerb bieten wird, so ist die Frage der 
Staatseinnahmen und zausgaben doch mit vielen 
unsicheren Faktoren umgeben. Ein Eden wird 
leses Land vielleicht nie werden, aber ein Land, in 
dem tüchtige Deutsche ein erfreuliches Dasein in 
größerer Anzahl führen werden, alsjetztangenommen 
wird. Ich scheide aus den erwähnten Urfachen 
deshalo Südwestafrika zunächst aus. 
G Dann aber stellt sich die Frage der eigenen 
Znnahmen unserer Schutzgebiete, wie folgt: Aus- 
whließlich Südwestafrika betragen nach dem Etat für 
das Jahr 1906 einschließlich der Ersparnisse aus 
srüheren Rechnungsjahren die eigenen Einnahmen 
10 316 000 Mk., und sie sind für das Jahr 1907 
geschält auf 11 240 000 Mk. Diesen Einnahmen 
* an fortdauernden Ausgaben vorläufig noch 
a 326 000 Mk. gegenüber. Diese Ausgaben 
nthalten die militärischen Lasten der Kolonien und 
eine Anzahl von Ausgaben, welche für die Vorbe- 
  
reitungen werbender Zwecke gemacht werden. An 
einmaligen Ausgaben sind 2 887 000 Mk. vorge- 
sehen. Die reine Verwaltung unserer sämtlichen 
Kolonien ausschließlich der militärischen Ausgaben 
kostete im Jahre 1905 8 820 000 Mk., die reinen 
Verwaltungseinnahmen betrugen 10 920000 Mk., 
d. h. die reinen Einnahmen überstiegen die Ver- 
waltungsausgaben in diesem Jahre bereits um 
2,10 Millionen Mark. Vergleicht man dagegen die 
Ausgaben einschließlich derjenigen zur Förderung 
oder Errichtung werbender Anlagen mit den Ge- 
samteinnahmen, so kommt man in den gleichen 
Jahren auf ein Defizit von rund 8,8 Millionen. 
Von unseren Kolonien ist ganz aktiv Togo, 
bis auf den Militäraufwand aktiv Kamernn, 
nahezu aktiv Deutsch-Ostafrika. Über Südwest- 
afrika ist bereits gesprochen. Mit anderen Worten, 
wenn man die Formel der Engländer anwenden 
würde, wonach Ausgaben für werbende Zwecke 
auf Anleihen der Schutzgebiete übernommen 
werden, die Militärlasten aber zum größten Teile 
auf dem Budget des Vaterlandes ruhen, würde 
ein großer Teil unserer Kolonien einen Uberschu 
der Einnahmen über die Ausgaben zeigen, der 
zur Verzinsung mäßiger Anleiheschulden verwend- 
bar wäre und eine Selbstverwaltung in beschränktem 
Umfange rechtfertigen könnte. 
Um Ihnen das englische Schema zu zeigen, 
möchte ich Sie auf die Verhältnisse der Kapkolonie 
hinweisen. In der Kapbkolonie eristiert eine 
IGendarmerie, genannt „Jäger zu Pferde“, be- 
stehend aus 709 Offzieren und Mannschaften. 
Außerdem ist auf Grund des Gesetzes vom Jahre 
1878 jeder gesunde Mann in der Kolonie zwischen 
18 und 50 Jahren zum militärischen Dienst ver- 
pflichtet, sowohl innerhalb als auch außerhalb 
der Kolonie. Hieraus rekrutieren sich im wesent- 
lichen 9113 sogenannte Freiwillige. Daneben 
besteht natürlich noch die lokale Polizei. Dagegen 
erhält England in der Kapkolonie einen Anteil 
aus der Reichsarmee, ein Kontingent von unge- 
fähr 9000 Mann und 4 Kriegsschiffen; während 
die Kosten der Verteidigung der Kolonie, wolche 
derselben obliegen, 262 000 Pfund Sterling be- 
trugen = 5 300 000 Mk., hatte das Reichsbudget 
zu tragen 506 000 Pfund Sterling = etwa 
10½ Millionen Mark. Ihre werbenden Anlagen 
deckt die Kapkolonie aus Anleihen, welche ohne 
Garantie der Heimatsregierung ausgegeben werden. 
Die Kolonie hatte am 1. Jannar 1905 eine 
öffentliche Schuld von 800 Millionen Mark, ein- 
schließlich 100 Millionen Mark Stadtanleihen. 
Nahezu der ganze Betrag der Anleihe ist für 
öffentliche Arbeiten ausgegeben, und zwar etwa 
fünf Achtel für Eisenbahnen. Es ergibt sich also“ 
folgendes Bild: Die Kolonie deckt ihre eigenen 
Verwaltungsausgaben und den Dienst ihrer
	        
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