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öffentlichen Schuld; sie übernimmt Eisenbahnen
und andere werbende Anlagen, wie Standämme,
Wassererschließung usw. auf Anleihen und bezahlt
für die zur öffentlichen Sicherheit erforderlichen
* usw. etwa ein Drittel des Aufwandes.
Wie schon gesagt, dieses System angewandt auf
Togo, Kamernn, Deutsch-Ostafrika, würde eine ge-
regelte selbständige Entwicklung dieser Kolonien
aus sich selbst heraus bereits heute möglich machen.
Bei dieser Betrachtung ist nun die Südser un-
berücksichtigt gelassen, weil es sich da um ver-
hältnismäßig geringe Summen handelt und die
Entwicklung infolge der Abgelegenheit vom Welt-
handel eine ziemlich langsame ist. Auch nicht
alle englischen Kolonien sind in der glücklichen
Lage wie die Kapkolonie, nicht alle können sich
selbst erhalten. Um nun aber die kolonialen
Budgets sich selbständig entwickeln zu lassen, hat
man in England zu dem System der Zuschüsse
in runder Summe gegriffen, welche zum Teil
rückzahlbar, zum Teil geschenkweise den Kolonien
übergeben werden. Etwas Ahnliches hat die
Budgetkommission für die Strecke Lüderitzbucht-
Keetmanshoop in Anregung gebracht, und es
wird vermutlich danach verfahren werden können.
Es handelt sich hierbei um ein rückzahlbares
Darlehn. Abgesehen von Indien und den selb-
ständigen Kolonien in Nordamerika und Australien,
also im wesentlichen für die afrikanischen Kolonien,
gibt England nach dem Statesman's Year Book
für 1906 im Jahre etwa 3 Millionen Pfund
Sterling —= 60 Millionen Mark aus. Trotzdem
haben auch die so hoch subventionierten Gebiete eine
gewisse Selbstverwaltung. Das System, aus
Reichsmitteln Eisenbahnen zu bauen, hat England
nur in einem Falle, und zwar aus strategischen
Gründen, befolgt, nämlich bei der Ugandabahn,
welche unter der englischen Staatsschuld mit dem
Betrage von 1 768 000 Pfund Sterling figuriert.
Hierbei möchte ich noch bemerken, daß auch die
Ablösung der Rechte der Royal Niger Company
mit etwa 16 Millionen Mark von England auf
Anleihen übernommen ist, während die Zahlung,
die Deutschland an die Deutsch-Ostafrikanische
Gesellschaft und an die Neu-Guinea-Kompagnie
mit gegenwärtig noch 1 Million Mark pro Jahr
leistet, den Schutzgebieten direkt angelastet wird
und von ihnen aufgebracht werden soll. Welchen
Weg Deutschland in dieser Richtung einschlagen
will, steht natürlich noch dahin. Man kann auch in
Europa die Verhältnisse eines Landes auf das
andere nicht ohne weiteres übertragen, aber es
ist für die Entschließung nötig, daß es auch den
mit volkswirtschaftlichem Verständnis ausgestatteten
Kreisen bekannt sei, was andere Länder mit
langer Erfahrung getan haben, und ich möchte
gleich hier einige Bemerkungen daran anschließen,
was denn das französische System ist hinsichtlich
der lokalen Verwaltung seiner Schutzgebiete.
Frankreich hat mit seinen Kolonien die ver-
schiedensten Phasen durchgemacht; es hat sie zu-
nächst direkt und ganz von der Heimat verwalten
lassen. Späterhin hat es seinen Kolonien eine
so weite Selbstverwaltung gewährt, daß sich Un-
uträglichkeiten daraus ergeben haben, die nun-
mehr zu einem gemischten System geführt haben,
welches ungefähr, wie folgt, aussieht: Die Kolonien
haben in der Aufstellung ihrer eigenen Budgets
einen ziemlich weiten Spielraum, sie sind aber
gesetzlich verpflichtet, obligatorische Ausgaben ein-
äustellen, welche je nach den Kolonien verschieden
sind. Die obligatorischen Ausgaben für die drei
alten Kolonien, Martinique, Guadeloupe und
Réunion, sind nach dem Budget vom Jahre 1866
zuerst festgelegt worden, wie folgt:
1. Zahlung der Anuleiheschuld,
2. Unterhaltung der Regierungsgebände und
des Personals derselben,
3. die Unterhaltung der für gerichtliche und
religiöse Zwecke dienenden Gebände,
4. die Miete und die Erhaltung der Privat=
wohnung des Gonverneurs,
5. das Lokal für die Beamten des Gon-
vernements, '
6. ein Teil der Unterhaltung und der Saläre
für öffentlichen Unterricht, Polizei-, Irren= und
Armenwesen,
7. die Unterbringung der Polizei,
8. die Rückbeförderung der Emigranten,
9. die Kosten der Veröffentlichung der Finanz-=
rechnung,
10. der der Kolonie aufliegende Betrag zu
den Reichskosten,
11. gewisse unvorhergesehene Ausgaben.
Durch weitere Gesetze wurde diese Liste teils
abgerundet, teils auf die meisten anderen Kolonien
übertragen. Für Cochinchina sind noch eine An-
zahl von anderen Ausgaben des Budgets als
obligatorisch eingesetzt, mit anderen Worten, vor-
ausgesetzt, daß die Kolonie alle diese elf oder
mehr Ausgaben bestreitet, ist sie im übrigen hin-
sichtlich ihrer finanziellen Gebarung unabhängig.
Im Jahre 1900 wurden die obligatorischen
Ausgaben der Kolonien neu festgesetzt und etwas
reduziert. Seit diesem Jahr erhielt auch Algier
die finanzielle Selbstverwaltung. Die Militär-=
lasten trägt in den französischen Kolonien im
allgemeinen jetzt das Mutterland. Hinsichtlich
der Beschaffung der für Eisenbahn= und andere
jetzt oder in Zukunft werbende Anlagen ist
Frankreich einen eigenen Weg gegangen, indem
es für seine Kolouien, mit Ausnahme von Algier,
seit 1890 koloniale Anleihen im Gesamtbetrage