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Länder beizeiten zu vervollkommnen und den ge-
sammten Anbau in moderne Bahnen zu lenken.
Mächtig treibende Faktoren kommen hierbei zur
Geltung: die Rohstoffversorgung des Mutterlandes
und die wirtschaftliche Stärkung der Kolonien
selbst. Dort handelt es sich um die für unsere
Industrie und Volksernährung unentbehrlichen
Produkte, die wir heute in ungeheuren Mengen
aus dem Auslande beziehen müssen — jedoch nur
um solche Produkte, die sich bei Lohnarbeit
in Plantagen-Unternehmungen gewinn-
bringend nicht erzeugen lassen — hier um
diejenigen Erzeugnisse, die zur täglichen unent-
behrlichen Nahrung der Eingeborenen gehören.
Zum mindesten kann gefordert werden, daß eine
jede tropische Kolonie ihren eigenen Bedarf an
solchen Produkten selbst deckt, daß sie nicht darauf
angewiesen bleibt, einen gewissen Teil davon aus
dem Auslande zu beziehen; sie muß aber ihre
Produktion auch dauernd auf einer solchen Höhe
erhalten, daß sie bei etwaigen unvorhergesehenen
Zwischenfällen — wie z. B. bei Dürreperioden —
vor Hungersnot, einer der empfindlichsten
wirtschaftlichen Störungen, bewahrt bleibt. Selbst
die sinnreichsten, auf afrikanischer Erde
schon erdachten Methoden stehen weit zurück
hinter dem Mindestmaß der Anforderun-
gen, welche die Zukunft an den Ackerbau
in Afrika stellen muß. Versagen doch alle jene
Methoden — wie allerdings auch in großen Gebieten
Indiens — sobald im flachen Lande eine bei der
Unbeständigkeit des Klimas in Steppenländern
häufiger wiederkehrende Periode der Dürre,
eine Mißernte eintritt und damit das Gespenst der
Hungersnot im Hintergrunde erscheint. Dann
versagt der Ackerbau bei der heutigen Art des
Betriebes überall dort, wo bei dem Mangel an
Verkehrsmitteln einzelne Landschaften von der Zu-
fuhr an Lebensmitteln abgeschnitten werden, weil
die üblichen Vorräte nicht bis zur nächsten Ernte
vorhalten.
Als ich im Frühjahr 1901 während der
Hungersnot das Gebiet der Wahiav am oberen
Rovuma bereiste, ist es mir von Tag zu Tag
immer deutlicher vor Augen getreten, daß hier
nur die Unkenntnis rationeller landwirtschaftlicher
Methoden jenen fruchtbaren Strich dem Ver-
derben ausgeliefert hatte — ein Gebiet, dessen
natürliche Bedingungen die Möglichkeit einer
Hungersnot eigentlich ausschließen sollten.
Zwei Momente sind es, die sich dem Reisenden
beim Studium der landwirtschaftlichen Verhältnisse
in Afrika besonders eindringlich bemerkbar machen:
einmal die Tatsache, daß der Neger im allge-
meinen nicht gewöhnt ist, über seinen voraus-
sichtlichen Jahresbedarf hinaus zu prodnzieren,
und zweitens der Umstand, daß in großen, von
der Natur nicht gerade stiefmütterlich behandelten
Gebieten ein viel zu einseitiger Anbau be-
trieben wird.
Die erstgenannte Gepflogenheit verschwindet dort
in kurzer Zeit von selbst, wo die betreffenden Produk-
tionsgebiete durch Eisenbahnen erschlossen werden,
wo neue Absatzmöglichkeiten geschaffen werden,
die naturgemäß überall eine Steigerung der
Produktion zur Folge haben. Die Methodik
des Ackerbaus wird dadurch jedoch nicht be-
einflußt, der Neger wird nach wie vor bei der
alten Väter Sitte bleiben; alle Mängel und Nach-
teile einer antochthonen Kultur eingeborener
Naturvölker werden ihr weiterhin Jahrhunderte
hindurch als Hemmschuhe anhangen, wenn nicht
Belehrung und praktische Unterweisung in den
Methoden eines rationellen Ackerbaus Wandel
schafft.
Die Forderung, in dieser Richtung tätig vor-
zugehen, den Neger zum Produzenten zu
erziehen, ihm zu zeigen, wie man den Acker-
bau nicht nur zum Zwecke der eigenen Ernährung,
sondern auch als Gewerbe betreibt, ist selbst-
verständlich in erster Linie eine wirtschaftspolitische.
Hier treffen sich auch die Interessen der koloni-
sierenden Nationen mit denen der produzierenden
Bölkerschaften.
In Indien hat es lange Zeit gebraucht,
bis man zu dieser Erkenntnis gelangte, bis man
sich anschickte, systematisch die Produktion der
Eingeborenen auf eine höhere Stufe zu heben
und damit die wirtschaftlichen Verhältnisse des
großen Besitzes zu verbessern. Aber in den letzten
Jahrzehnten ist dort außerordentliches geleister
worden, namentlich in der Anlage von Versuchs-
stationen und Lehrfarmen in allen Provinzen, in
der Vervollkommnung der landwirtschaftlichen
Methoden, in der Einführung rationeller Betriebs-
formen. Wenn auch — wie die amtlichen Be-
richte immer wieder betonen und wie aus dem
Folgenden ersichtlich ist — noch sehr viel dorrt
zu tun übrig bleibt, so genügt doch das Vor-
handene schon, um für afrikanische Kolonisations-=
arbeit manche Lehren daraus zu ziehen.
Von unseren Kolonien ist Deutsch-Ost-
afrika dasjenige Land, dessen natürliche Be-
dingungen mit denen Vorderindiens die größte
Verwandtschaft aufweisen.
Gleiche oder ähnliche klimatische Verhältnisse
beherrschen beide Gebiete, in beiden finden wir
u. a. dieselbe Unbeständigkeit des Klimas, wir
treffen über weite Strecken die gleichen Boden-
arten und stoßen auf die gleichen Schwierigkeiten,
die sich der Bearbeitung und Ausnutzung des
Bodens entgegenstellen.
Daher liegt es nahe, bei den verschiedensten
Aufgaben der Landeskultur den Blick nach