Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Länder beizeiten zu vervollkommnen und den ge- 
sammten Anbau in moderne Bahnen zu lenken. 
Mächtig treibende Faktoren kommen hierbei zur 
Geltung: die Rohstoffversorgung des Mutterlandes 
und die wirtschaftliche Stärkung der Kolonien 
selbst. Dort handelt es sich um die für unsere 
Industrie und Volksernährung unentbehrlichen 
Produkte, die wir heute in ungeheuren Mengen 
aus dem Auslande beziehen müssen — jedoch nur 
um solche Produkte, die sich bei Lohnarbeit 
in Plantagen-Unternehmungen gewinn- 
bringend nicht erzeugen lassen — hier um 
diejenigen Erzeugnisse, die zur täglichen unent- 
behrlichen Nahrung der Eingeborenen gehören. 
Zum mindesten kann gefordert werden, daß eine 
jede tropische Kolonie ihren eigenen Bedarf an 
solchen Produkten selbst deckt, daß sie nicht darauf 
angewiesen bleibt, einen gewissen Teil davon aus 
dem Auslande zu beziehen; sie muß aber ihre 
Produktion auch dauernd auf einer solchen Höhe 
erhalten, daß sie bei etwaigen unvorhergesehenen 
Zwischenfällen — wie z. B. bei Dürreperioden — 
vor Hungersnot, einer der empfindlichsten 
wirtschaftlichen Störungen, bewahrt bleibt. Selbst 
die sinnreichsten, auf afrikanischer Erde 
schon erdachten Methoden stehen weit zurück 
hinter dem Mindestmaß der Anforderun- 
gen, welche die Zukunft an den Ackerbau 
in Afrika stellen muß. Versagen doch alle jene 
Methoden — wie allerdings auch in großen Gebieten 
Indiens — sobald im flachen Lande eine bei der 
Unbeständigkeit des Klimas in Steppenländern 
häufiger wiederkehrende Periode der Dürre, 
eine Mißernte eintritt und damit das Gespenst der 
Hungersnot im Hintergrunde erscheint. Dann 
versagt der Ackerbau bei der heutigen Art des 
Betriebes überall dort, wo bei dem Mangel an 
Verkehrsmitteln einzelne Landschaften von der Zu- 
fuhr an Lebensmitteln abgeschnitten werden, weil 
die üblichen Vorräte nicht bis zur nächsten Ernte 
vorhalten. 
Als ich im Frühjahr 1901 während der 
Hungersnot das Gebiet der Wahiav am oberen 
Rovuma bereiste, ist es mir von Tag zu Tag 
immer deutlicher vor Augen getreten, daß hier 
nur die Unkenntnis rationeller landwirtschaftlicher 
Methoden jenen fruchtbaren Strich dem Ver- 
derben ausgeliefert hatte — ein Gebiet, dessen 
natürliche Bedingungen die Möglichkeit einer 
Hungersnot eigentlich ausschließen sollten. 
Zwei Momente sind es, die sich dem Reisenden 
beim Studium der landwirtschaftlichen Verhältnisse 
in Afrika besonders eindringlich bemerkbar machen: 
einmal die Tatsache, daß der Neger im allge- 
meinen nicht gewöhnt ist, über seinen voraus- 
sichtlichen Jahresbedarf hinaus zu prodnzieren, 
und zweitens der Umstand, daß in großen, von 
  
der Natur nicht gerade stiefmütterlich behandelten 
Gebieten ein viel zu einseitiger Anbau be- 
trieben wird. 
Die erstgenannte Gepflogenheit verschwindet dort 
in kurzer Zeit von selbst, wo die betreffenden Produk- 
tionsgebiete durch Eisenbahnen erschlossen werden, 
wo neue Absatzmöglichkeiten geschaffen werden, 
die naturgemäß überall eine Steigerung der 
Produktion zur Folge haben. Die Methodik 
des Ackerbaus wird dadurch jedoch nicht be- 
einflußt, der Neger wird nach wie vor bei der 
alten Väter Sitte bleiben; alle Mängel und Nach- 
teile einer antochthonen Kultur eingeborener 
Naturvölker werden ihr weiterhin Jahrhunderte 
hindurch als Hemmschuhe anhangen, wenn nicht 
Belehrung und praktische Unterweisung in den 
Methoden eines rationellen Ackerbaus Wandel 
schafft. 
Die Forderung, in dieser Richtung tätig vor- 
zugehen, den Neger zum Produzenten zu 
erziehen, ihm zu zeigen, wie man den Acker- 
bau nicht nur zum Zwecke der eigenen Ernährung, 
sondern auch als Gewerbe betreibt, ist selbst- 
verständlich in erster Linie eine wirtschaftspolitische. 
Hier treffen sich auch die Interessen der koloni- 
sierenden Nationen mit denen der produzierenden 
Bölkerschaften. 
In Indien hat es lange Zeit gebraucht, 
bis man zu dieser Erkenntnis gelangte, bis man 
sich anschickte, systematisch die Produktion der 
Eingeborenen auf eine höhere Stufe zu heben 
und damit die wirtschaftlichen Verhältnisse des 
großen Besitzes zu verbessern. Aber in den letzten 
Jahrzehnten ist dort außerordentliches geleister 
worden, namentlich in der Anlage von Versuchs- 
stationen und Lehrfarmen in allen Provinzen, in 
der Vervollkommnung der landwirtschaftlichen 
Methoden, in der Einführung rationeller Betriebs- 
formen. Wenn auch — wie die amtlichen Be- 
richte immer wieder betonen und wie aus dem 
Folgenden ersichtlich ist — noch sehr viel dorrt 
zu tun übrig bleibt, so genügt doch das Vor- 
handene schon, um für afrikanische Kolonisations-= 
arbeit manche Lehren daraus zu ziehen. 
Von unseren Kolonien ist Deutsch-Ost- 
afrika dasjenige Land, dessen natürliche Be- 
dingungen mit denen Vorderindiens die größte 
Verwandtschaft aufweisen. 
Gleiche oder ähnliche klimatische Verhältnisse 
beherrschen beide Gebiete, in beiden finden wir 
u. a. dieselbe Unbeständigkeit des Klimas, wir 
treffen über weite Strecken die gleichen Boden- 
arten und stoßen auf die gleichen Schwierigkeiten, 
die sich der Bearbeitung und Ausnutzung des 
Bodens entgegenstellen. 
Daher liegt es nahe, bei den verschiedensten 
Aufgaben der Landeskultur den Blick nach
	        
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