Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Von eingewanderten Eingeborenen anderer 
Negerstämme traf ich in den Ussumbwa-Landschaften 
eine Anzahl Watussi und Wabolongo (Eisen- 
schmiede) an. Die Watussi haben aber mehr das 
Bestreben nach den viehreichen Gebieten des 
Taborabezirks, also ostwärts, zu ziehen. Ussumbwa 
ist für sie gewissermaßen nur eine Durchgangs- 
station, da diese Gebiete infolge der dort fast 
überall vorkommenden Tsetse sehr vieharm sind. 
Die Wabolongo scheinen sich dagegen in den 
eisenreichen Landschaften dauernd niedergelassen 
zu haben und betreiben dort eifrig ihr Hand- 
werk, welches in der Hauptsache in der Anfertigung 
von eisernen Negerhacken besteht. 
Die Kenntnis des Bargeldes ist bis in die 
entferntesten Distrikte verbreitet; das Geld wird 
im allgemeinen gerne in Zahlung genommen. 
Nur in den abgelegensten Winkeln nach Uham 
und Ussuwi hin herrscht der Tauschwarenhandel 
noch vor. - 
Bezüglich der Hüttensteuer lassen die Ussumbwa- 
Landschaften noch manches zu wünschen übrig. 
Die Erträge dieser Steuer werden aus jenen 
Landschaften zum Teil erheblich höher sein als 
bisher, wenn später eine genaue Zählung der 
Hütten durch Europäer möglich wird. Jedenfalls 
sind alle Eingeborenen jener Landschaften sehr 
wohl in der Lage, sich den geringen Stener- 
betrag zu verdienen und in barem Gelde zu 
zahlen, ohne daß dadurch irgend eine Bedrückung 
oder Aussaugung der Leute stattfindet. 
Das bereiste Gebiet ist für Eingeborenen- 
kulturen aller Art durchaus geeignet. Namentlich 
ließe sich der Anbau von Reis noch ungeheuer 
steigern. Im allgemeinen sind die Eingeborenen 
dort recht fleißige Ackerbauer. 
Merkwürdigerweise wohnen die Leute in jenen 
Landschaften meist nicht in geschlossenen Dörfern, 
sondern weit verstreut und versteckt in dem aus- 
gedehnten Waldgebiet. Nur bei den Sultan- 
sitzen trifft man größere Dörfer an. So kommt 
es, daß man nur selten auf ausgedehnte zu- 
sammenhängende, offene Flächen stößt. Früher 
hatten sich die Leute aus Furcht vor kriegerischen 
Überfällen — namentlich der Wangoni und des 
Mirambo — in großen Dörfern zusammen- 
geschlossen. Nachdem aber unter deutscher Ver- 
waltung das Gefühl der Sicherheit und Ruhe 
vorwiegt, hat man die gemeinsamen Wohnplätze 
verlassen, und die einzelnen Familien haben sich 
tief in die Wälder zurückgezogen, um dort ab- 
gesonderte Einzelsiedlungen zu gründen. Die 
bebauten Flächen sind daher auch meist nur von 
geringem Umfang; der endlose Myombowald 
herrscht vor. Es ist dies in zweifacher Hinsicht 
wenig günstig, denn erstens entziehen sich die 
Eingeborenen so der Kontrolle und zweitens ist 
  
das Gebiet in absehbarer Zeit für die Rindvieh- 
zucht absolut unverwertbar, weil die Myombo- 
wälder durchweg dort unzählige Tsetsefliegen 
beherbergen, die erst dann verschwinden, wenn 
ausgedehnte zusammenhängende Feldflächen durch 
radikales Abholzen der Wälder geschaffen werden. 
Letzteres wird aber naturgemäß durch die ver- 
einzelten kleinen Siedlungen nicht erreicht. 
Mit der zunehmenden Bevölkerung ist das 
Land im Zuge der Karawanenstraße nach Udjidji 
(bis einschließlich den Distrikt Ussoke) in den 
letzten Jahren auffallend stark bebaut worden. 
Da dort der Myombowald infolge des starken 
Anbaus auf weite Strecken hin verschwunden ist, 
so kommen dort auch keine Tsetsefliegen mehr 
vor und es wird in ausgiebigster Weise Rind- 
viehzucht betrieben. 
In den Ussumbwa-Landschaften ist die Vieh- 
zucht wegen der Tsetsefliege gering; selbst Ziegen 
und Schafe sind daselbst im allgemeinen nur in 
mäßiger Zahl vorhanden. In den meisten jener 
Landschaften gibt es überhaupt keine Rinder. 
Trotzdem wärc aber auch dort überall die Rind- 
viehzucht im großen Maßstabe sehr wohl möglich, 
wenn der ausgedehnte Waldbestand und damit 
die Plage der Tsetsefliege verschwinden würde. 
Das massenhafte Vorkommen der Tsetsefliege habe 
ich während dieser Reise überhaupt in einem 
geradezu erschreckend großen Gebiet feststellen 
können. 
Schon früher habe ich in meinem Bericht den 
Grundsatz aufgestellt, daß im Taborabezirk überall 
Tsetse dort vorkommt, wo keine Rinder gehalten 
werden. Dies fand ich in dem mir vorher noch 
nicht aus eigner Anschauung bekannten Gebiet, 
durch welches mich die Reise nun führte, vollauf 
bestätigt. 
Die ungehener großen zusammenhängenden 
Myombowälder scheinen dem Junsekt die günstigsten 
Lebensbedingungen zu bieten. Dort, wo die Ein- 
geborenen den Wald auf einer zusammenhängenden 
Fläche von mindestens einem Quadratkilometer 
vollständig beseitigt und dies Land unter dauernde 
Kultur genommen hatten, waren Tsetsefliegen 
nicht mehr anzutreffen. Große offene Flächen 
und starken Wind können diese Insekten offenbar 
nicht vertragen. 
Am auffallendsten bestätigten sich diese Wahr- 
nehmungen in dem Wangoni-Reservat. Als die 
Wangoni seinerzeit dort von Langheld angesiedelt 
wurden, fanden sie fast durchweg Wald vor. 
Inzwischen haben sie nun das Land in großen 
äusammenhängenden Flächen unter Kultur ge- 
nommen; damit ist dort der Wald und die Tsetse- 
fliege verschwunden. Heute sind die Wangoni 
inmitten eines entsetzlichen Tsetsegebiets Becsitzer 
von zahlreichen Rindern. Die Wangoni wissen
	        
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