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sowie eine Sühne für die ursprüngliche Beleidi-
gung, und die Sache ist damit erledigt.
Gelingt es in solchen Fehden der einen oder
der anderen Partei, einen Mann von Bedentung,
a gala (Häuptling) oder luluai oder dergleichen
zu töten, dann ist die Sache noch komplizierter,
denn sein Tod kann nur dadurch gerächt werden,
daß man einen Widersacher gleichen Ranges tötet.
Die Anhänger des Getöteten binden unter Her-
murmeln von Zauberformeln kleine Stückchen
Tabu an ihre Kriegsspeere und begeben sich dann
nach dem kamare. Hier tritt ein besonders
tapferer luluai aus den Reihen, tanzt und gesti-
kuliert angesichts des Feindes und schleudert einen
Stein auf ihn ab oder wirft den tabuumwickelten
Speer, a rumu na tutuluai. Dies ist eine Her-
ausforderung, welche bedeutet, daß der Krieg
nicht beendet werden kann, ehe Blutrache statt-
gefunden hat.
Die getöteten Feinde werden, wenn es ge-
lingt, den Körper fortzubringen, von den Siegern
verspeist, und der Erlös an Tabu fällt dem sieg-
reichen Helden zu, dem für jede Portion ein be-
stimmtes Quantum an Tabu gezahlt wird.
Langgezogene Kriege werden beim Friedens-
schlusse mit großen Festlichkeiten beendet, und
die Diplomaten, welche den Frieden eingeleitet
und zum Abschluß gebracht haben, heimsen von
beiden Parteien den Lohn ein, der um so wohl-
verdienter ist, als sie nicht selten bei ihren Be-
strebungen ihre Haut zu Markte tragen. In
früheren Jahren habe ich häufig in meiner Nach-
barschaft die Rolle des Vermittlers übernehmen
müssen und darf mich rühmen, daß ich mehr
„ewige Frieden“ abgeschlossen habe, als die meisten
Diplomaten der zivilisierten Welt. Einer dieser
Friedensschlüsse ist mir besonders im Gedächtnis
geblieben, weil, nachdem alle Präliminarien ein-
geleitet und die Abfindungssummen nach langem
Feilschen bestimmt worden, ein eigensinniger alter
à gala darauf bestand, daß ihm noch 3 Hüften-
tücher, etwa 5m Baumwollenzeug und 50 Stangen
Tabak von der Gegenpartei eingehändigt würden.
Diese exorbitante Forderung erregte allgemeine
Entrüstung, und da ich meine stundenlangen Be-
mühungen nicht fruchtlos zu enden wünschte,
mußte ich einen Eilboten nach meiner Wohnung
schicken, um das Gewünschte herbeizuholen. Der
Erfolg war dann auch in jeder Weise befriedigend,
obgleich ich durch das mir gemachte Geschenk,
bestehend aus zweien der magersten Hühner, die
man auftreiben konnte, nicht recht auf meine Kosten
kam. Bei einer anderen Gelegenheit wärc es mir
fast an den Kragen gegangen. Frgendwelche
Formalität war nicht erfüllt worden, und un-
gerechterweise betrachtete man mich als die Ver-
anlassung. Die Folge davon war, daß ich, als
ich, von meiner Frau begleitet, an Ort und
Stelle ankam, einen feindlichen Empfang erhielt
und mich schleunigst zurückziehen mußte. Nur
meine genaue Kenntnis der Eingeborenenpfade
rettete damals unser Leben; immerhin aber war
ein Dauerlauf von etwa 5 km über Grasebenen
und durch tiefe Schluchten unter den Kugeln der
mit Gewehren bewaffneten Verfolger keine An-
nehmlichkeit. Eine Genugtuung wird es mir
jedoch immer bleiben, daß vier Jahre nach meiner
Ansiedlung die Stämme in meiner Nachbarschaft
infolge meiner Vermittlung und trotz früherer
langdauernder Fehden einen Frieden unter sich
geschlossen haben, der bis zum heutigen Tage
nicht unterbrochen worden ist, obgleich es nicht
an Gelegenheiten fehlte, da entferntere Stämme
oft versuchten, jene Stämme mit in ihre Kriege
und Stammesunruhen zu verwickeln.
Die Walman im kaiser Wilhelmsland.)
Nachstehende Ausführungen behandeln einen
Bolksstamm der Papuas, der die nordwestliche
Küste von Kaiser-Wilhelmsland innerhalb des
Rahmens von Berlinhafen bewohnt. Dieser
Hafen liegt etwa 60 Seemeilen an der West-
grenze Neuguineas. Er wird gebildet von den
vier benachbarten Inseln Tumleo, Aly, Seleo,
Angel. Die Bewohner des Küstenstrichs gehören
der papuanischen Rasse an und nennen sich
Walman. Auf den Inseln und bei vielen
Stämmen am Festlande außerhalb Berlinhafens
kennt man sie meist nur unter dem Namen
Leming.
Die Grenze dieses beiläufig 500 Menschen
zählenden Stammes bilden zwei ansehnliche Flüsse.
Im Osten ist es der fischreiche Nekir, im Westen
der ebenso fischreiche und durch seine vielen
Krokodile berüchtigte Eilo. Beide Flüsse sind für
den Walmanstamm von großer Wichtigkeit; denn
einerseits sind sie ein schützender Damm gegen
feindliche Angriffe, und anderseits bieten sie
ihnen eine große Menge von Fischen und
Muscheln, für die der Walman stets eine große
Vorliebe hat. Im Norden begrenzt sie das
Meer, und von dieser Seite droht ihnen keine
Gefahr, da eine fürchterliche Brandung nament-
lich zur Zeit des Nordwestmonsuns das Landen
fast unmöglich macht. Bis zu drei Meter steigen
die wilden Wogen in die Höhe, um dann plötzlich
mit großem Getöse niederzufallen, und dieses
Spiel wiederholt sich Schlag auf Schlag viele
Monde lang. Schäumend wird der weiße Gischt
Von P. Friedrich Vormann S. V. D. in der
„Kölnischen Volkszeilung“.