Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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sowie eine Sühne für die ursprüngliche Beleidi- 
gung, und die Sache ist damit erledigt. 
Gelingt es in solchen Fehden der einen oder 
der anderen Partei, einen Mann von Bedentung, 
a gala (Häuptling) oder luluai oder dergleichen 
zu töten, dann ist die Sache noch komplizierter, 
denn sein Tod kann nur dadurch gerächt werden, 
daß man einen Widersacher gleichen Ranges tötet. 
Die Anhänger des Getöteten binden unter Her- 
murmeln von Zauberformeln kleine Stückchen 
Tabu an ihre Kriegsspeere und begeben sich dann 
nach dem kamare. Hier tritt ein besonders 
tapferer luluai aus den Reihen, tanzt und gesti- 
kuliert angesichts des Feindes und schleudert einen 
Stein auf ihn ab oder wirft den tabuumwickelten 
Speer, a rumu na tutuluai. Dies ist eine Her- 
ausforderung, welche bedeutet, daß der Krieg 
nicht beendet werden kann, ehe Blutrache statt- 
gefunden hat. 
Die getöteten Feinde werden, wenn es ge- 
lingt, den Körper fortzubringen, von den Siegern 
verspeist, und der Erlös an Tabu fällt dem sieg- 
reichen Helden zu, dem für jede Portion ein be- 
stimmtes Quantum an Tabu gezahlt wird. 
Langgezogene Kriege werden beim Friedens- 
schlusse mit großen Festlichkeiten beendet, und 
die Diplomaten, welche den Frieden eingeleitet 
und zum Abschluß gebracht haben, heimsen von 
beiden Parteien den Lohn ein, der um so wohl- 
verdienter ist, als sie nicht selten bei ihren Be- 
strebungen ihre Haut zu Markte tragen. In 
früheren Jahren habe ich häufig in meiner Nach- 
barschaft die Rolle des Vermittlers übernehmen 
müssen und darf mich rühmen, daß ich mehr 
„ewige Frieden“ abgeschlossen habe, als die meisten 
Diplomaten der zivilisierten Welt. Einer dieser 
Friedensschlüsse ist mir besonders im Gedächtnis 
geblieben, weil, nachdem alle Präliminarien ein- 
geleitet und die Abfindungssummen nach langem 
Feilschen bestimmt worden, ein eigensinniger alter 
à gala darauf bestand, daß ihm noch 3 Hüften- 
tücher, etwa 5m Baumwollenzeug und 50 Stangen 
Tabak von der Gegenpartei eingehändigt würden. 
Diese exorbitante Forderung erregte allgemeine 
Entrüstung, und da ich meine stundenlangen Be- 
mühungen nicht fruchtlos zu enden wünschte, 
mußte ich einen Eilboten nach meiner Wohnung 
schicken, um das Gewünschte herbeizuholen. Der 
Erfolg war dann auch in jeder Weise befriedigend, 
obgleich ich durch das mir gemachte Geschenk, 
bestehend aus zweien der magersten Hühner, die 
man auftreiben konnte, nicht recht auf meine Kosten 
kam. Bei einer anderen Gelegenheit wärc es mir 
fast an den Kragen gegangen. Frgendwelche 
Formalität war nicht erfüllt worden, und un- 
gerechterweise betrachtete man mich als die Ver- 
anlassung. Die Folge davon war, daß ich, als 
  
ich, von meiner Frau begleitet, an Ort und 
Stelle ankam, einen feindlichen Empfang erhielt 
und mich schleunigst zurückziehen mußte. Nur 
meine genaue Kenntnis der Eingeborenenpfade 
rettete damals unser Leben; immerhin aber war 
ein Dauerlauf von etwa 5 km über Grasebenen 
und durch tiefe Schluchten unter den Kugeln der 
mit Gewehren bewaffneten Verfolger keine An- 
nehmlichkeit. Eine Genugtuung wird es mir 
jedoch immer bleiben, daß vier Jahre nach meiner 
Ansiedlung die Stämme in meiner Nachbarschaft 
infolge meiner Vermittlung und trotz früherer 
langdauernder Fehden einen Frieden unter sich 
geschlossen haben, der bis zum heutigen Tage 
nicht unterbrochen worden ist, obgleich es nicht 
an Gelegenheiten fehlte, da entferntere Stämme 
oft versuchten, jene Stämme mit in ihre Kriege 
und Stammesunruhen zu verwickeln. 
Die Walman im kaiser Wilhelmsland.) 
Nachstehende Ausführungen behandeln einen 
Bolksstamm der Papuas, der die nordwestliche 
Küste von Kaiser-Wilhelmsland innerhalb des 
Rahmens von Berlinhafen bewohnt. Dieser 
Hafen liegt etwa 60 Seemeilen an der West- 
grenze Neuguineas. Er wird gebildet von den 
vier benachbarten Inseln Tumleo, Aly, Seleo, 
Angel. Die Bewohner des Küstenstrichs gehören 
der papuanischen Rasse an und nennen sich 
Walman. Auf den Inseln und bei vielen 
Stämmen am Festlande außerhalb Berlinhafens 
kennt man sie meist nur unter dem Namen 
Leming. 
Die Grenze dieses beiläufig 500 Menschen 
zählenden Stammes bilden zwei ansehnliche Flüsse. 
Im Osten ist es der fischreiche Nekir, im Westen 
der ebenso fischreiche und durch seine vielen 
Krokodile berüchtigte Eilo. Beide Flüsse sind für 
den Walmanstamm von großer Wichtigkeit; denn 
einerseits sind sie ein schützender Damm gegen 
feindliche Angriffe, und anderseits bieten sie 
ihnen eine große Menge von Fischen und 
Muscheln, für die der Walman stets eine große 
Vorliebe hat. Im Norden begrenzt sie das 
Meer, und von dieser Seite droht ihnen keine 
Gefahr, da eine fürchterliche Brandung nament- 
lich zur Zeit des Nordwestmonsuns das Landen 
fast unmöglich macht. Bis zu drei Meter steigen 
die wilden Wogen in die Höhe, um dann plötzlich 
mit großem Getöse niederzufallen, und dieses 
Spiel wiederholt sich Schlag auf Schlag viele 
Monde lang. Schäumend wird der weiße Gischt 
Von P. Friedrich Vormann S. V. D. in der 
„Kölnischen Volkszeilung“.
	        
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