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wird Kakao exportiert. Eine Kalamität bildet
auch hier die Arbeiterfrage. Steter Mangel an
Arbeitern schädigt die Unternehmungen schwer.
So verfügte eine Pflanzung von 1800 Hektar
nur über 300 Arbeiter, eine andere über noch
weniger. Bedenkt man, daß der Wald erst aus-
geschlagen, die Schattenzweige der übrigbleiben-
den Bäume gekappt werden müssen, daß ferner
das mit unglaublicher Schnelligkeit empor-
wuchernde Unkraut fast allen Anstrengungen
spottet, eine heute gereinigte Partie z. B. in vier
Wochen bereits wieder meterhoch überwachsen ist,
so kann man die Sorgen der verantwortlichen
Beamten begreifen. Die Arbeiter werden vom
Staate meist für ein Jahr engagiert. Die Pro-
dulte werden per Kanu den Aruwimi herunter-
geschafft. Manches Boot geht hierbei in den
Schnellen verloren.
Der Fluß hat, abgesehen von wenigen durch
bewaldete Inseln bedingten Verengungen, eine
stattliche Breite, die zwischen 400 und 1000 m
schwankt; er gewinnt dann ein seenartiges Aus-
sehen. Seine gewaltigen Wassermassen können
sich also mit denen der größten europäischen
Ströme messen. Wir befuhren ihn zur Zeit der
kleinen Regenperiode, die sein Niveau um 1 m
gehoben hatte und ein schnelles Vorwärts-
kommen ermöglichte. Seine vielen Stromschnellen
schalten ihn jedoch aus der Reihe der schiffbaren
Flüsse aus. Ein Dampferverkehr findet nur in
Einem untersten Laufe statt. Gefährlich bleibt
die Passage durch die Schnellen stets. Mit dem
Berlust von einigen Booten wird sogar etats-
mäßig gerechnet. Eine unangenehme Stelle hatten
wir unterhalb Kalagwa zu überwinden. Da
sich der Fluß hier durch klippenreiche Inseln
windet, werden diese Schnellen sehr gefürchtet.
Jedes Boot nahm daher im genannten Neger-
dorf einen mit den Eigentümlichkeiten des Wassers
vertrauten Piloten an Bord. Während die an-
deren Boote glücklich durch die Wellen und den
schäumenden Gischt des reißenden Stromes hin-
durchsausten, gerieten die Boote des Leutnants
v. Wiese und des Dr. Schubotz in Gefahr. Zwi-
schen unsichtbaren Felsen eingeklemmt, neigten sie
sich bedenklich auf die Seite. Erst nach längeren
Bemühungen gelang die Befreiung aus dieser
mißlichen Lage.
Die imposantesten Katarakte sahen wir bei
Panga, das wir am 2. Mai erreichten. Diese
Fälle haben gewaltige Höhen, das Brausen der
sich überstürzenden Wassermenge erfüllt weithin
die Luft. Sie werden nur durch einzelne be-
waldete Felsstücke getrennt und nehmen sonst die
gesamte Breite des Stromes ein. Im Lichte der
scheidenden Sonne boten fie ganz prachtvolle,
malerische Motive, die wir mit vorzüglich ar-
beitenden Apparaten nach Möglichkeit festzuhalten
versuchten. Da die Katarakte für unpassierbar
gelten, wechselten wir hier Boote und Mann-
schaft. Im Geiste nahm ich Abschied von meinem
schönen Kanu, das mich seither trotz eines ganz
hübschen Leckes sicher getragen hatte. Um so
größer war meine Überraschung, als ich es am
Nachmittag unter den neuen Booten jenseits des
Falles wohlbehalten vorfand. Die Leute hatten
es fertig gebracht, das Boot an langen Lianen
und Tauen vom Ufer aus durch den tosenden
Fall zu dirigieren.
In Panga machten wir ferner die Bekannt-
schaft des im Kongostaat berühmten Entdeckers
der Kilo-Goldminen, Mr. Hannam, eines ge-
borenen Anstraliers. Er prospektierte auch hier
mit zwei Agenten auf südlich gelegenen Inseln.
Die bisherigen Goldfunde scheinen auch hier zu-
friedenstellend zu sein.
Die Gegend war am 5. April von einem
stärkeren Erdbeben heimgesucht worden, das, in
Richtung Nordost nach Südwest laufend, einigen
Bauten verderblich geworden war. In der Mauer
des Messegebäudes klaffte noch ein gewaltiger Riß.
Menschenleben aber waren nicht zu beklagen.
Am folgenden Morgen war es eisig kalt;
dichter Nebel hinderte jeden Ausblick, dazu hatten
wir eine fast achtstündige Fahrt, so daß der Lager-
platz Banalia freudig begrüßt wurde. Eine
lange, aber wenig Wasser führende Stromschnelle
nimmt vor dem Posten die Breite des Flusses
ein, der zahlreiche Muschelbänke enthält. Viele
Leute betreiben dort die Fischerei, indem sie
mehrere Minuten unter Wasser bleiben und so
die Muscheln von den Bänken schlagen.
Hier legten wir einen Ruhetag ein, den Leut-
nant v. Wiese zum Sammeln ethnographischer
Gegenstände, Dr. Schubotz und Mildbread zur
Vervollständigung der zoologischen Sammlung
(insbesondere durch Fische aus dem Aruwimi)
und zur Erlangung umfangreichen botanischen
Materials benutzten. Von den Eingeborenen
wurden uns zwei lebende Antilopen gebracht, die
aber nicht zu erhalten waren. Am Nachmittag
erhielt ich noch den Besuch des italienischen
Leiters eines zwei Stunden entfernten, im Walde
gelegenen Postens, dessen Kautschukerträge eben-
falls unter den obenerwähnten Umständen leiden,
der sich sonst aber recht nützlich erwiesen hat.
Die Fauna war während der Flußreise recht
ärmlich gewesen. Außer einigen weiteren Ele-
fanten, von denen einer vor uns das Flußbett
durchschwamm, während ich einen anderen er-
legte, sichteten wir nur wenige Flußpferde und
Krokodile. Einige Flüge Papageien zogen wieder-
holt über uns dahin, doch schien das Leben auf
den Bäumen sonst fast erstorben. Das Tierleben