Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Ich habe in der Kolonie nicht nur angenehme 
Stunden und schöne Jagdtage verlebt, sondern 
das Land hat mich auch sonst sehr interessiert, 
insbesondere seine Entwicklungsmöglichkeiten als 
Siedlungskolonie für Weiße. Wenige Nichtafrikaner 
werden sich eine Vorstellung machen können, daß 
hier unter dem Aquator ein Land existiert, in 
dem der weiße Mann dauernd leben kann. Be- 
vor ich hierher kam, bin ich der Meinung ge- 
wesen, daß die Kinder der Weißen hier nicht ge- 
deihen könnten. Ich habe aber nun eine ganze 
Reihe von Ansiedlern besucht, besonders ehemalige 
britische und holländische Südafrikaner, die sich 
großer Familien mit Kindern jeden Alters er- 
freuen, die im Lande geboren und niemals aus 
demselben herausgekommen sind und dabei so 
gesund und kräftig waren, wie man sich's nur 
wünschen kann. Bei den Missionaren in Kijabe 
sah ich Kinder, Mädchen und Knaben, die in 
Afrika aufgewachsen sind und seit einem Jahr- 
zehnt die Kolonie nicht verlassen haben; trotzdem 
erfreuen sie sich der denkbar besten Gesundheit. 
Freilich wird es auch ungesunde Gegenden geben; 
wenn Sie sich danach umsehen, finden Sie solche 
auch in den Vereinigten Staaten, aber Sie 
dürfen deswegen noch nicht das ganze Land un- 
gesund nennen. Es gibt sehr große Gebietsteile 
hier im Lande, die gesund und brauchbar für 
die Ansiedlung einer zahlreichen Bevölkerung sind. 
Die Kolonie enthält also einige der wenigen Re- 
gionen der Erde, die noch übrig geblieben sind 
für neue Ansiedlungen von Weißen; es wäre ein 
Jammer, diese zu vernachlässigen und nicht aus- 
zunützen. Das Problem, das hier zu lösen ist, 
ist vollständig verschieden von demjenigen in den 
Küstenstrichen oder tief im Innern, wo die Ko- 
lonie doch in der Hauptsache ein Land des 
schwarzen, braunen oder gelben Mannes bleiben 
wird, und wo in erster Linie die Hauptaufgabe 
des Weißen in der Beaussichtigung der tiefer- 
stehenden Rasse bestehen muß. Aber hier in 
Nairobi ist jetzt die erste Bedingung, der Weißen- 
Ansiedlung vorwärts zu helfen. Natürlich 
müssen die Ansiedler von der rechten Art sein, 
zäh und ausdauernd, um etwas zustande zu 
bringen. Eine Kolonie ist nicht der geeignete 
Aufenthaltsort für schwache und hilflose Menschen. 
Mindestens jeder Zehnte, der hier in der Kolonie 
untergeht, bietet das Beispiel für Menschentypen, 
die hier nicht vorwärts kommen können. Die 
Menschen, die hierher kommen, müssen von der 
gleichen Sorte sein, wie jene Männer, die vor 
dreißig Jahren im fernen Westen, in das Felsen- 
gebirge und in die Prärien gezogen sind. Von 
Zucker und Baumwolle an bis zum Weizen und 
zur Wolle, Apfel und Erdbeeren, fast alles ge- 
deiht hier, und ich bin der Uberzeugung, daß 
  
besonders im letzten Jahrzehnt der Bau der 
Uganda--Eisenbahn den Kredit der Weißen Rasse 
erhöht hat. Sie haben damit einen dauernden 
High Way geschaffen zwischen dem reichen Zentral- 
afrika mit seinem rein tropischen Charakter und 
dem Ozean. Ich bin selbst ein Expansionist; wir 
erwarten nicht, daß der Panama-Kanal sich so- 
gleich bezahlt macht, aber er mußte gebaut werden, 
und dies war unsere Aufgabe. Ebenso war es 
hier. In Ihrem eigensten Interesse lag es, eine 
Schienenverbindung zwischen der Küste und Zentral- 
afrika herzustellen. Ich stimme durchaus nicht 
mit denen überein, die da erwarten, daß die 
Bahn sich sofort rentiert. Gerade wie in unserem 
eigenen Westen die großen Eisenbahnen nicht ge- 
baut worden sind, weil der Verkehr sie bereits 
erforderte, vielmehr um das Land zu erschließen 
und vorzubereiten für ein Verkehrsbedürfnis der 
Zukunft, so ist es der Fall mit Ihrer Bahn, die 
Sie vorläufig doch nur zu dem Zweck gebaut 
haben, die Kolonie zu entwickeln und zu heben. 
Es wird lange Zeit vergehen, bis sich diese An- 
lage bezahlt macht. Mir scheint diese Kolonie 
noch eine große landwirtschaftliche und industrielle 
Zukunft zu haben. Inzwischen nimmt sie jeden- 
falls eine einzigartige Stellung als anziehendster 
Sportplatz der Welt ein, wenigstens für Leute, 
die den gleichen Geschmack wie die meisten unter 
uns Anwesenden haben. Ihre Aufgabe ist natür- 
lich keine leichte, aber ein neues Land zu kulti- 
vieren ist immer schwer und Sie haben berech- 
tigten Anspruch auf die herzlichste Unterstützung 
und Ermutigung. Zweifellos sind hier hervor- 
ragende Aussichten für Kapitalisten vorhanden, 
denen jedoch glänzende Reizmittel geboten werden 
müssen, damit sie ins Land kommen; denn man 
darf nicht erwarten, daß sie ohne diese kommen. 
Ebenso dürfen Sie aber nicht entsetzt sein, wenn 
der Kapitalist Geld macht. Versprechen Sie nicht 
zu viel und lassen Sie keine Korruption einreißen. 
Stellen Sie die Dinge nicht besser hin, als sie 
in Wirklichkeit sind. Behandeln Sie die Kapita- 
listen gut, denn es ist in Ihrem Interesse. Ent- 
gegenkommen macht sich bezahlt, Leute mit Mit- 
teln können hier unschätzbare Arbeit leisten. Es 
gibt keinen nützlicheren Kolonisten, als den be- 
mittelten Ansiedler, z. B. Lord Delamere, der 
hier für die kleinen Farmer Bahn bricht, indem 
er Versuche macht, die diese selbst nicht ausführen 
können und die Ihnen zu gute kommen. Der 
Gründer einer guten Bank, der Unternehmer 
eines Elektrizitäts= oder Bergwerks, der Industrielle, 
der hier eine Fabrikanlage in Betrieb setzt, ist 
ein öffentlicher Wohltäter und verdient reich be- 
lohnt zu werden. Bei alledem hoffe ich, daß 
Sie nie aus den Augen verlieren werden, daß 
eine Ansiedlungskolonie für Weiße am Ende doch
	        
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