Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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der England und Deutschland an erster Reihe 
stehen. 
Aber es gibt noch andere Dinge, die unser 
gemeinsames Interesse uns zu betrachten zwingt, 
sowohl aus ethischen wie aus politischen Gründen. 
Eine gefährliche Krankheit, die speziell Zentral- 
afrika heimsucht, ist die Schlafkrankheit. Sie wissen, 
daß in London ein Kongreß stattfand, um eine 
internationale Einigung über die in dieser wich- 
tigen Angelegenheit zu treffenden Maßregeln zu- 
stande zu bringen. Dieser Kongreß ist ergebnislos 
verlaufen, eine Einigung kam nicht zustande. 
Aber England und Deutschland schlossen sich zu- 
sammen und einigten sich über einen Arbeitsplan, 
den sie inzwischen zur Ausführung brachten; ge- 
meinsam bekämpfen sie jetzt mit einem sehr großen 
Kostenaufwand den schlimmsten Feind, der seit 
Menschengedenken in Zentralafrika gewütet hat. 
Dies geschah in gegenseitigem Vertrauen und kann 
als eine gute staatsmännische Aktion betrachtet 
werden. Ebenso handeln wir gemeinsam bei Be- 
kämpfung der Pest und des gelben Fiebers. 
Was für die Gesundheit der Eingeborenen 
gilt, hat ebenso für die Gesundheit und Ver- 
mehrung ihres Viehes Geltung, das ja früher 
die Hauptquelle ihrer Wohlhabenheit ausmachte. 
Als ich im vergangenen Jahr in Pretoria weilte, 
sah ich dort geradezu ein Musterinstitut für bak- 
teriologische Untersuchungen, errichtet von einer 
weitblickenden Regierung im Kampfe gegen die 
Tierkrankheiten, die ja in diesem Teil von Afrika 
so zahlreich auftreten. Ferner lernte ich ein 
Bureau kennen, welches das Auftreten sämtlicher 
Heuschreckenschwärme in Südafrika und die von 
ihnen eingeschlagene Flugrichtung kartographisch 
festlegt. All diesen Unternehmungen bin ich für 
Deutsch-Südwestafrika aus den genannten, zutage 
liegenden Gründen beigetreten, und wir helfen 
uns gegenseitig durch den Austausch der Beob- 
achtungen und Erfahrungen. Wenn Sie vom 
Weißen erwarten, daß er der Regierung bei Er- 
schließung der Kolonien hilft, so wird er seiner- 
seits mit Recht von der Regierung Hilfe erwarten, 
soweit staatliche Einmischung klug und geboten 
erscheint. Es wird Sie interessieren, zu hören, 
daß beide Nationen nicht allein in der Vernichtung 
der Heuschrecken und im Viehschutze in Südafrika 
gemeinschaftlich vorgehen, sondern daß man auch 
zwei andere wichtige Maßnahmen getroffen hat, 
die in der Geschichte des Handels ziemlich einzig 
dastehen. Südafrika ist nach unserer Ansicht ein 
für die Zucht der Strauße und der Angoraziegen 
sehr geeignetes Land. Und wenn andere Länder 
vielleicht ähnliche Vorteile für die Zucht beider 
Tierarten bieten, so wird man sich doch in Süd- 
afrika hüten, anderen die Konkurrenz zu erleich- 
tern. Daher hat man sich sowohl im Vereinigten 
  
Südafrika, als auch in Deutsch-Südwestafrika ent- 
schlossen, die Ausfuhr von Straußen und Angora- 
ziegen zu verbieten, aber zwischen beiden Ländern 
freie Einfuhr zu gestatten. Über Vereinbarungen 
betreffend den Schmuggel und den unerlaubten 
Verkauf von Diamanten stehen wir noch in Unter- 
handlung. 
Die Erkenntnis gemeinsamer Interessen führte 
in den letzten Jahren zu mehrfachen Besuchen 
zwischen britischen und deutschen Kolonialgouver= 
neuren; diese Besuche haben Empfindungen gegen- 
seitigen Vertrauens und guten Willens ausgelöst 
und dadurch manche wohltätige Maßnahmen für 
die betreffenden Kolonien im Gefolge gehabt. Ich 
hatte selbst Gelegenheit, Britisch-Ostafrika sowie 
die vier Kolonien, die zusammen das Vereinigte 
Südafrika bilden, zu besuchen. Mit Freuden 
begrüße ich diese Gelegenheit, die es mir auch 
hier in Gegenwart meines hochverehrten Nachbars, 
des Herrn Oberst Seeley (Unterstaatssekretär im 
Kolonialamt) gestattet, meinen wärmsten Dank 
auszusprechen für die mir allseitig bewiesene 
Liebenswürdigkeit und für die Unterstützung aller 
maßgebenden Persönlichkeiten in Regierungs= und 
Kolonialkreisen. 
Besonders ist mir mein Ausflug nach Süd- 
afrika von Nutzen gewesen. Lassen Sie mich 
Ihnen noch von zwei Eindrücken erzählen, die 
nach Verlauf eines Jahres noch besonders fest in 
meiner Erinnerung haften. Der eine ist die Er- 
innerung an die Arbeit jenes Engländers, dessen 
großer Schatten überall dort mit uns wandert, 
wo wir etwas Großem und Tüchtigem begegnen; 
es ist der Schatten Cecil Rhodes, jenes Mannes, 
dessen Name unsterblich bleiben wird in der Ge- 
schichte der englischen Kolonien. Der andere 
Eindruck ist der Geist gegenseitigen Verstehens 
und der Versöhnung, der soeben die Vereinigung 
einer großen südafrikanischen Nation unter der 
britischen Flagge bewirkt hat. 
Doch um zu meinem eigentlichen Thema 
zurückzukehren, so könnte ich noch zahlreiche Punkte 
erwähnen, die für uns beide von gemeinsamem 
Interesse sind. Aber ich hoffe, daß das, was ich 
gesagt habe, genügen wird, um zu zeigen, was 
ich meine. Meine Überzeugung geht dahin, daß 
die Interessen aller kolonisierenden Völker Afrikas 
die gleichen sind, und daß eine Gemeinsamkeit 
der Interessen aller Weißen in ihrem Kampfe mit 
den Schwarzen und in ihren Bemühungen für 
deren Wohlergehen vorhanden ist, ebenso wie in 
dem Bestreben, ihre eigene herrschende Rasse in 
Afrika zu kräftigen. Es war mir auch eine 
Freude, Ihnen zeigen zu können, daß, wenn die 
Dinge so liegen, Briten und Deutsche die Wich- 
tigkeit dieser Tatsache als die ersten anerkannt 
und ihrer Erkenmuis bereits den nötigen Nach-
	        
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