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wir erst den Futterbeutel füllen und dann einzeln
den Tieren vorhängen mußten.
Mittags erschienen auf den Bergen plötzlich
sechs halb verhungerte Hunde. Da wir kurz vor
Obib eine frische Fußspur gesehen hatten, ver-
mutete ich, daß diese Hunde Buschleuten gehörten,
die, wohl hinter den Klippen versteckt, es nicht
wagten, zu uns ans Wasser zu kommen. Trotz-
dem ich durch unsere Eingeborenen sie rufen und
ihnen Tabak versprechen ließ, kamen sie nicht
zum Vorschein.
Nachmittags ritten wir weiter. Die Pad nahm
wieder südliche Richtung und führte nach ungefähr
18 km durch hohe, mit niedrigem Buschwerk und
spärlicher Weide bestandene Sanddünen, in denen
sich auffallenderweise zwei unbewachsene Wander-
dünen befanden. Dieser Dünengürtel war un-
gefähr 5 km breit. Als wir nach zweistündiger
Rast in diesen Dünen uns zum Weitermarsch
fertigmachen wollten, erschraken die Maultiere
vor den Kamelen, rissen sich los und rannten
fort. Die Eingeborenen verfolgten sofort die
Spur der Maultiere, mit denen sie erst am nächsten
Morgen zurückkamen. Nachmittags konnten wir
endlich weiterreiten.
Hinter den Dünen dehnt sich eine freie, von
niedrigen Kuppen umgebene Fläche aus, die nach
dem Oranje zu abfällt. Von dieser Fläche führte
die Pad in steilem Aufstieg auf eine sandige Höhe,
wo niedriges Gestrüpp, Milchbüsche und die (von
den Eingeborenen so genannten) Arubüsche wuchsen.
Dieser Arubusch hat dicke, grüne, wasserreiche
Blätter, die Blüte ähnelt der Rosenblüte.
Auf dieser Höhe wehte uns ein frischer, kalter
Südwestwind entgegen; am Horizont tauchte der
bewölkte Himmel in einen dunkelblauen Streifen
unter, den wir für das Meer hielten.
Bei Sonnenuntergang rasteten wir zwei
Stunden und ritten dann die ganze Nacht hin-
durch mit kleinen Pausen. Endlich bei den ersten
Strahlen der aufgehenden Sonne sahen wir vor
uns und links von uns als silbernen Streifen
den Oranje, zu dem die Höhe, auf der wir uns
befanden, nach links (Osten) steil, nach Süden
allmählich abfiel.
Bald konnten wir auch die Häuser von Groß-=
Derm, Angwigarub und Kord Dorn unterscheiden.
Unsre Tiere, die am Tage vorher nicht hatten
getränkt werden können und jetzt wohl die Nähe des
Wassers witterten, griffen tüchtig aus. Nach kurzem
Trabe hielten wir vor dem Pontok des Kauf-
manns Tempel, der sich seit Juni in Angwigarub
aufhielt. Die Farm Angwigarub hat der Bur
Flores Brand von der Lüderitzgesellschaft ge-
pachtet.
Sein Viehbestand war noch gering, weil er
erst nach Friedensschluß seine Farm bezogen
hatte. Während des Orlogs hatten ihm die
Hottentotten 1905 das ganze Vieh abgetrieben.
Er selbst war mit seiner Familie nach Groß-
Derm zu seinem Vetter, Hendrik Louve, geflüchtet,
bei dem er für 10 ./7 monatlich Arbeit erhielt.
Der Oranje hat hier eine Breite fast von zwei
Kilometern. An den Ufern steht dichtes Gebüsch,
im Strom sind lange Sandbänke und sieben mit
Buschwerk, Schilf und Weide bewachsene Inseln
zu sehen. Bei niedrigem Wasserstande kann man
die Inseln trockenen Fußes erreichen, während bei
abkommendem Flusse die Verbindung aufhört und
die Sandbänke unter Wasser stehen.
Tempel sorgte für uns in liebenswürdigster
Weise, stellte seinen Pontok zur Verfügung und
verschaffte mir bei den Buren Gelegenheit, frisches
Fleisch zu kaufen. Am Nachmittag begleitete er
mich nach Sandkraal, das der Bur Giel Louve
ebenfalls von der Lüderitzgesellschaft gepachtet hat.
Der Weg von Angwigarub bis Sanddkraal
führt dicht am Fluß entlang. Das Gelände ist
frei und offen, welliges Hügelland mit niedrigem
Buschwerk, am Ufer grüne Weiden. Ein kleiner
Berg erhebt sich halbwegs Sandkraal, der
Swartkop, an dem der Oranje eine Breite von
fast drei Kilometern erreicht.
Bur Giel Louve hat sich während des Orlogs
beizeiten über den Oranje geflüchtet, er besitzt
jetzt eine stattliche Herde von 400 Bockies und
ungefähr 20 Pferde.
Von Sandkraal bis zur Küste sind es noch
sechs Kilometer. Wir ritten erst am nächsten
Morgen ans Meer. Doch merkt man bereits in
Sandkraal seine Nähe. Ein frischer, kalter Süd-
westwind weht, die Flut dringt über Sandkraal
hinaus bis Seekooidragi vor, wo das letzte Ge-
büsch am Oranje steht.
Am Meer schiebt sich von Norden eine lange
Sandbank nach Süden vor; sie läßt dem Oranje
nur 60 m Mündung. Tausende von Flamingos
saßen am Wasser, in dem sich wilde Enten,
Gänse und Möven tummelten. Bei der flachen
Küste ist die Brandung nicht bedeutend. Auch
das englische Ufer ist flach, erst in weiter Ferne
sieht man einzelne Bergrücken sich erheben.
Am Oranje-Ufer von Sandkraal bis kurz vor
das Mcer hat Giel Lonve große Binsenanpflan-
zungen angelegt, um den Schlamm zum Anbau von
Kornfeldern urbar zu machen. An der Brue-
Insel liegt sein Boot, das er zum Fischfang be-
nutzt. Die Netze strickt er selbst.
Von Angwigarnb ritt ich den Fluß aufwärts, um
die Stelle zu erreichen, wo wir wenige Tage zu-
vor den Oranje verlassen hatten. Ich will in
diesem Zusammenhange den Lauf des Oranje von
Sendlingsdrift flußabwärts kurz beschreiben.