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Die Schlafhranhhelt im Bezirk Misahöhe.
Von Regierungsarzt Dr. v. d. Hellen.
Die Schlafkrankheit ist eine dem tropischen
Afrika eigentümliche Krankheit. Bereits gegen
das Jahr 1800 wurde sie von einem englischen
Arzte unter den die Küste des Meerbusens von
Benin bewohnenden Eingeborenen beobachtet und
beschrieben. Seit 1840 werden die Nachrichten
über ihr Auftreten zahlreicher; aus diesem Jahre
stammt eine eingehendere Arbeit über ihr Vor-
kommen an der Goldküste und in Sierra Leone;
wenige Jahre später wird fie endemisch am ganzen
Busen von Guinea und auf St. Thomas gefunden,
1857 ihre Ausbreitung am Niger festgestellt.
Nachdem namentlich auch die französischen Kolo-
nialärzte auf sie aufmerksam geworden, wird ihr
Vorhandensein in immer weiteren Gebieten be-
kannt, so 1864 am unteren Kongo, 1873 am
Senegal, 1885 am Kongo bis aufwärts zu dem
Stanley Pool, 1900 in Uganda, 1903 im Quell-
gebiet des Niger, im Hinterland von Liberia und
der Elfenbeinküste. Zur Zeit ist als der nörd-
lichste Punkt ihres endemischen Vorkommens an
der Westküste Afrikas der Senegal, als der süd-
lichste Benguela in Angola bekannt. Ihr heftiges
Auftreten in Angola in den neunziger Jahren
gab Veranlassung zur ersten (portugiesischen)
Schlafkrankheitsexpedition.
Außerhalb Afrikas ist sie in Westindien vor-
gekommen unter afrikanischen Sklaven. Eine
Weiterverbreitung fand sie dort aber nicht, da es
in Westindien an den geeigneten Krankheitsüber-
trägern fehlt.
Was Togo betrifft, so wurden Anfang 1903
zahlreiche Todesfälle an Schlasfsucht aus Wora-
wora (Buem) gemeldet. Zu ihrer Erforschung
waren 1903 und 1904 die Regierungzärzte
Dr. Hintze und Dr. Krueger in der Landschaft
Buem. Die älteste Nachricht über ihr Vor-
kommen, etwa auf 1850 zurückgehend, konnte
Dr. Krueger in Kolenu erhalten; seitdem mehrten
sich anscheinend die Fälle. Er isolierte auf dem
Hausberg bei Misahöhe einige Kranke, die dort
starben. Weiter berichtete Dr. Krueger über Fälle
von Schlafkrankheit am Adaklu, ferner in Ele
und Ssodo, am Ostrand des Gebirgszuges, der
zwischen den Landschaften Gbele und Buem liegt.
Seitdem war über Schlafkrankheit im Bezirk Misa-
höhe nichts mehr verlautet. Über einen Todes-
fall an ihr nördlich von Kete-Kratschi liegt eine
Meldung vom Oktober 1906 vor.
Inzwischen haben Handel und Verkehr im
Bezirk Misahöhe seit Eröffnung der Bahn von
Lome nach Palime im Januar 1907 einen ge-
waltigen Aufschwung genommen. Um ihn weiter
zu fördern, ist eine Kunststraße über das Gebirge
nach Kpandu im Bau.
Meine Aufmerksamkeit wurde im April 1908
auf die Schlafkrankheit gelenkt. Es wurde mir
damals ein Knabe aus dem Orte Djanipe der
Landschaft Gbele zur Untersuchung zugeführt.
Seinem Lehrer war aufgefallen, daß er, früher
ein guter Schüler, seit einiger Zeit in seinen
Leistungen nachließ, viel schlief und abmagerte.
In dem durch Punktion einer vergrößerten
Lymphdrüse gewonnenen Safte fand ich Trypano-
somen, was dem klinischen Krankheitsbilde die
sichere Grundlage gab.
Trypanosomen, zur Gruppe der Protozoen,
Urtierchen, gehörende einzellige Lebewesen, find
als Krankheitserreger bei Tieren seit 1880 be-
kannt. In diesem Jahre entdeckte Evans ein
Trypanosoma als Erreger einer mit Surra be-
zeichneten Krankheit bei Pferden und Rindern in
Indien. 1894 entdeckte Bruce, daß die Nagana
oder Tsetsekrankheit der Pferde und Rinder in
Afrika von einem Trypanosoma hervorgerufen
wird, und 1902 wurde von Dutton in Gambia
das erste Trypanosoma bei einem feiebernden
Menschen gefunden und als Erreger des Trypa-
nosomenfiebers erkannt. 1903 entdeckte Castellani
in Uganda in der Cerebrospinalflüssigkeit Schlaf-
kranker Trypanosomen als Krankheitsursache und
Bruce, Greig u. a. wiesen nach, daß die Schlaf-
krankheit das letzte Stadium einer menschlichen
Trypanosomenkrankheit ist, die durch den Stich
der Glossina palpalis, einer Tsetsefliege, über-
tragen wird. Der Kampf gegen die Schlafkrank-
heit hat demnach nach folgenden Gesichtspunkten
zu erfolgen:
1. Beseitigung der in dem infizierten Men-
schen vorhandenen Infektionsquelle für die Tsetse-
fliegen. Das geschieht durch Isolierung der
Kranken in tsetsefreier Gegend und durch ihre
Behandlung.
2. Kampf gegen die Tsetsefliege, indem man
ihr eine ihrer drei Lebensbedingungen, Schatten,
Nähe von Wasser, Blut, nimmt.
Die Engländer in Uganda hatten erkannt,
daß ein früh auftretender Vorbote der Schlaf-
krankheit das Anschwellen der Halsdrüsen ist, ein
Zeichen, das schon die alten Sklavenjäger kannten
und bei der Auswahl der Sklaven berücksichtigten.
Durch Untersuchung der Bevölkerung auf Hals-
drüsenschwellung ist es somit möglich, die Kranken
schon in frühem Krankheitsstadium, in dem sie
sich meist noch vollständig gesund fühlen, auszu-
sondern. Dies ist von um so größerer praktischer
Bedeutung, als es gerade diese Leute find, die
zur Verbreitung der Schlafkrankheit am meisten
beitragen. So ist beispielsweise die Schlafkrank-
heit nach Uganda wahrscheinlich durch infizierte