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angehalten, daß viele Tausende kräftiger Männer
heute nur oder überwiegend als Träger Ver-
wendung finden. Die Arbeiterfrage wird aber
um so bedeutungsvoller, je mehr die rein okku-
patorische Besitznahme der von der Natur dar-
gebotenen Produkte hinter der Erzeugung wirt-
schaftlicher Güter durch Arbeit zurücktritt. Es ist
bereits erwähnt, daß ein Eisenbahnwagen soviel
Güter wie eine ganze Trägerkarawane zu be-
fördern vermag. Zieht man noch die größere
Geschwindigkeit in Betracht, so kann gesagt werden,
daß eine Lokomotive mit den zugehörigen Wagen
an Arbeitsleistung einigen Hunderttausenden von
Trägern gleichzukommen vermag. Allein die
rund 910 km lange Bahn Tabora—Daressalam
in Ostafrika würde nach sachverständigem Urteil
40000 bis 60000 Menschen für Plantagen= und
sonstige Kulturarbeit freimachen.
Nicht zu vergessen ist endlich, daß die Eisen-
bahnen allmählich zu einer für die Kolonien
höchst erwünschten Einnahmequelle werden können.
Unter dem Einflusse der öfter erwähnten Uganda-
bahn z. B. steigerten sich die Zolleinnahmen von
Britisch-Ostafrika von rund 38000 . im Jahre
1900 auf 86000 “ im Jahre 1905. Während
die Einnahmen der Kolonie in den Jahren 1901
bis 1903, also vor Eröffnung der Bahn, nur
27 bis 28 v. H. der Ausgaben ausmachten, er-
höhten sie sich 1904 auf 45,1, 1905 auf
56,9 v. H.
Unsere eigenen Eisenbahnen sind noch zu jung,
um bereits ähnliche Ergebnisse zahlenmäßig nach-
weisbar zu machen. Es ist jedoch in den früheren
Artikeln mehrfach auf den günstigen Einfluß hin-
gewiesen worden, den die Eisenbahn auf die
Steigerung des Exports ausgeübt hat, z. B. bei
der Maisausfuhr aus Togo, und die neuesten
Rechnungsabschlüsse haben nach den letzten Ver-
handlungen des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees
durchweg befriedigende, zum Teil überraschend
günstige Ergebnisse gebracht.
Nach allgemeiner Erfahrung ist eine erfolg-
reiche Kolonisation nur möglich, wenn ein tüch-
tiger Grundstock weißer Ansiedler in der
Kolonie vorhanden ist. Als ein günstiges Zeichen
nach dieser Richtung hat die Tatsache zu gelten,
daß die Kopfzahl der weißen Bevölkerung in
unseren sämtlichen Kolonien in mehr oder weniger
starker Zunahme begriffen ist. Nach den amt-
lichen Denkschriften betrug die Zahl der weißen
Einwohner ausschließlich der Schutztruppenange-
hörigen und Regierungsbeamten, aber einschließ-
lich der Frauen der letzteren:
Zu Deutsch- Deutsch-
Beginn — Ka- Süd-- =
des Hü merun Togo west- Südsee
Jahres afrika
l
1897 580 216 77 1748 46)
1898 520 275 72 1743 72
1899 677 326 71 20906 25207
1900 782 442 73 2586 404 5))
1901 828 404 2853 473½
1902 895 436 94. 3816 81930)
1903 881 468 98 3743 923
190(074 6532 127 2 ) 9685)
1906%4 1681 „ 5/1017)
19062005 705 1% „ /1005
1907)/2 180 785 212 6786 1073
1908 2343 897 205 7648 1294
Die stärkste Steigerung der weißen Bevölke-
rung und die höchste absolute Einwohnerzahl
weist Deutsch-Südwestafrika auf, vorerst die einzige
unserer Kolonien, die außerhalb der Tropenzone
gelegen, dem Weißen körperliche Arbeit in der-
selben Weise wie in der Heimat gestattet. In
Ostafrika gilt dasselbe nur für die Hochländer.
In den übrigen Gebieten kann der Europäer bis
jetzt wesentlich, und nicht über einen gewissen
Zeitraum hinaus, nur geistige Arbeit leisten,
während die körperliche Arbeit der eingeborenen
Bevölkerung zufällt. Daher die verhältnismäßig
kleine Zahl weißer Kolonisten. Es sei jedoch
darauf hingewiesen, wie es in steigendem Maße
gelingt, die hygienischen Verhältnisse auch in diesen
Gebieten zu verbessern, so daß der Aufenthalt
von Europäern, zumal bei verständiger Lebens-
weise, dort ohne Schädigung der Gesundheit schon
erheblich länger ertragen werden kann als früher.
Der Ausbau der Eisenbahnen in den tropischen
Kolonien hat sich als wesentlichstes Förderungs-
mittel auch nach dieser Richtung hin erwiesen,
und seine beabsichtigte weitere Ausdehnung wird
allmählich zu besseren gesundheitlichen Verhält-
nissen und damit zu weiterer Begünstigung der
wirtschaftlichen Entfaltung führen.
Gestiegen ist ebenfalls die Zahl der Handels-
und Plantagenunternehmungen. Nach einer
Zusammenstellung des Kolonial-Wirtschaftlichen
1) Angaben liegen nur für die Marschallinseln vor.
2) Ausschließlich Samoa, da über die weiße Be-
völkerung eine Statistik nicht vorliegt.
3) Ohne den zu Neu-Guinea gehörenden Bezirk Ost-
karolinen, über den Angaben nicht vorliegen.
4") Für den Bismarckarchipel und Nusa sind die
Zahlen von 1901 eingesetzt, da eine Zählung im Jahre
1902 nicht stattgefunden hat.
5) Für Samoa sind die Angaben von 1903 ge-
nommen worden, da für die Jahre 1905 und 1904
solche nicht vorliegen.
56) 1904 und 1905 hat keine Zählung stattgefunden.
7) Für 1906 keine Scheidung nach Berufen. Eine
Ausscheidung der weißen Zivilbevölkerung war daher
nicht möglich.