Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

W 332 20 
einem langen Marsch nicht gewachsen war, über- 
nahm ich die Aufgabe, diesen Dolmetscher, der 
nicht allzuweit wohnen sollte, aufzusuchen und 
der „Langeoog“ zuzuführen. Hinter dieser ganzen 
Küste bis zum Flusse und über diesen zum Teil 
hinaus bis zum Ramu dehnt sich eine ungeheure 
Lagune aus, in der sich unzählige große und 
kleine, mit Mangroven und Sagopalmen bestan- 
dene Inseln befinden. Man fährt auf dieser 
Lagune zuweilen wie auf einem großen Binnensee, 
auf dem Wind und Wellen dem schwankenden 
Einbaum gefährlich werden, zuweilen wie auf 
einem mächtigen Strom mit ganz erheblicher 
Strömung. Dann wieder glaubt man auf einem 
Urwaldfluß von mittlerer Breite zu sein und 
schließlich auf schmaler Wasserrinne, über welcher 
die Mangroven ein Laubdach bilden, wo es nach 
fauligem Holz und stagnierendem Wasser riecht, 
wo unzählige Moskitos und nicht wenige Alliga- 
toren ihre unerfreuliche Tätigkeit entfalten. Die 
Eingeborenen dieser Gegend nennen die Lagune 
Avok. Ich ließ mir in Morik einen Einbaum 
geben, nahm einen Soldaten und einen Diener 
mit und fuhr zwei Stunden auf dieser Lagune 
zunächst in südöstlicher, schließlich in annähernd 
östlicher Richtung. Der Unkundige kann in einem 
solchen Einbaum nur flach auf dem Boden sitzen 
oder liegen. Sobald er oben auf dem Rande 
Platz nimmt, bringt er das Fahrzeug unfehlbar 
zum Kentern. Die Eingeborenen aber stehen auf- 
recht in dieser schwankenden Barke, die sie ver- 
mittels langer Pagajen mit wunderbarer Sicherheit 
und Schnelligkeit durchs Wasser treiben. 
Am Ende dieser Fahrt wurde Limagerip, 
ein breiter, aber flacher Ausfluß der Lagune ins 
Meer, erreicht und überschritten. Meine drei 
Morikleute zogen hier ihren Einbaum auf den 
Strand und versteckten ihn im Ufergebüsch. 
Ein etwa zweistündiger Marsch am Meeres- 
strand führte uns zu einem anderen, tieferen, für 
Boote und kleinere Fahrzeuge passierbaren Ausfluß 
der Lagune, Derpuap genannt. Im geleich- 
namigen, am Westufer gelegenen Ort sollte unser 
Mann wohnen. Draußen vor dem Riff und etwa 
eine Stunde weiter nach Osten war die „Langeoog“ 
vor Anker gegangen. Ein von ihr für mich aus- 
gesandtes Boot fuhr gerade in den Ausfluß hin- 
ein, als ich zu Lande dessen Westufer erreichte. 
Oben auf dem Vorbau eines mächtigen Pfahlbaues 
von Derpuap fand große Versammlung statt. 
Man brachte mir eine Matte und reichte mir eine 
angerauchte Zigarette zur Begrüßung; ich gab 
den Häuptlingen je eine Stange Tabak. Dabei 
stellte sich heraus, daß der gesuchte Dolmetscher 
nach einem mehr nach Osten liegenden Platz ver- 
zogen war. Ein junger Mann aber, der die 
Sprache der Uferbewohner des Unterlaufs des 
  
Kaiserin Augustastroms verstand, wollte mit mir 
gehen, um ihn zu holen. Beide wollten dann 
als Dolmetscher die „Langeoog“ stromaufwärts 
begleiten. Mit diesem Mann und dieser Nachricht 
kam ich an Bord zurück. Hier war aber inzwischen 
der Leitung die Zeit zu lang geworden; man 
hatte sich zwei andere, wie man meinte, aus- 
reichende Dolmetscher besorgt und wollte nicht 
mehr die eine Stunde opfern, um jenen Einge- 
borenen auch noch zu holen. Wir fuhren ohne 
ihn ab. Diese Unterlassung sollte sich als ein 
schwerer Fehler erweisen. Zweieinhalb Tage 
während der dreieinhalbtägigen Fahrt waren wir 
völlig außerstande, uns mit den Eingeborenen zu 
verständigen. Auch nicht ein einziger Ortsname 
konnte oberhalb der Stelle, die der Dampfer 
„Siar“ im Juli erreicht hatte, einwandsfrei fest- 
gestellt werden. Aber genug des Interessanten 
und Lehrreichen blieb übrig. 
Die Karte unserer Südsee-Besitzungen wimmelt 
geradezu von modernen, nichtssagenden, unwissen- 
schaftlichen Namen, die jetzt aber glücklicherweise 
nach und nach wieder verschwinden. Kapitän 
Roscher von der „Langeoog“ hat die Nachteile 
dieses Systems für die Navigation in unvermessenen 
Gewässern wiederholt schwer empfunden. Man 
kann es sich noch gefallen lassen, wenn die Namen 
verdienter Entdecker verewigt werden; wenn aber, 
um ein Beispiel zu nennen, ein Klosett= und 
Badewannenfabrikant von Sydney, der auch nicht 
die geringsten Verdienste um die Südsee oder 
auch nur die leisesten Beziehungen zu ihr hat, 
im Hannam-Hafen, in der Hannam-Insel und 
im Hannam-Berge seit Jahren mit seinem Namen 
das Kartenbild unseres schönen Neu-Pommern 
ziert, dann kann man nur hoffen, daß das Ver- 
schwinden unerwünschter Namen und ihr Ersatz 
durch Bezeichnungen deranwohnenden Eingeborenen 
ein schnelleres Tempo annehmen möge. Der 
große Strom Neuguineas aber wird den Namen 
unserer verewigten Kaiserin behalten, auch aus 
geographischen Gründen. Denn diese Südwasser- 
ader, die bei den Eingeborenen des Mündungs- 
gebiets Azimar heißt, wird schon einige Kilometer 
weiter oberhalb von den Uferbewohnern Kokuan 
genannt. In dieser Weise geht es offenbar den 
ganzen Strom hinauf weiter; einen durchgehenden 
Eingeborenenstamm gibt es hier ebensowenig, wie 
dies am Mississippi oder am Marañon der Fall 
war. Ich glaube, daß man sich im deutschen 
Volk kein richtiges Bild davon macht, welch 
mächtiges Gewässer wir in diesem Strom besitzen. 
Ich bin den Mississippi und den Yangtse von ihren 
Mündungen an hinaufgefahren und habe den 
Eindruck, daß der Kaiserin Augustastrom mit diesen 
in eine Reihe gehört. Er ist verhältnismäßig 
nicht lang, aber sehr mächtig.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.