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zehntägiger Wanderung (einschließlich eines Rast-
tages in Namatanai) wurde der Grenzfluß Ké-
nomo erreicht, der den Süd= vom Nordbezirk
Kävieng scheidet. Kaum 10 km von diesem nördlich
liegt das schön gelegene Rasthaus von Lamasong,
das der Stationschef Boluminski der Expedition
zur Verfügung gestellt hatte. Hat der Süden
noch viel von seiner ursprünglichen Wildheit, so
gleicht der Norden schon mehr aleerschlossenem
Kolonialgebiet, obwohl die Station Käviêng erst
seit dem Anfang dieses Jahrhunderts datiert. Eine
breite, fast ebene Straße führt 150 km weit nach
dem Regierungssitz an der Nordspitze der Infel,
nahezu alle 10 km lädt ein großes Rasthaus zum
Bleiben ein, und starke Brücken ermöglichen den
Verkehr mit Pferd und Wagen. Wenn man noch
bedenkt, daß zahlreiche gewinnbringende Pflan-
zungsunternehmungen an der Straße liegen und
daß der Bezirk nahezu 200000 Mark Steuern
aufbringt, so wird man erkennen, wie viel das
Land der Tüchtigkeit Boluminskis verdankt.
Der Marsch Krämers von Muliama nach
Lamasong diente hauptsächlich der Förderung der
ethnographischen Siedelungskenntnis, die noch
recht im argen liegt, da nur die größeren Dorf-
schaften durch die Vermessung des leider zu früh
verstorbenen Landmessers Behrendt bekannt ge-
worden find. Diese Angaben wurden vervoll-
ständigt und ergänzt. Die Vermessung des ge-
nannten Bermessers reicht südlich bis zum Kap
Matantämberan, der Mitte zwischen Namatanai
und Muliama. Westlich vom Kap liegt die von
der „Elisabeth“ vermessene, nur durch ein Riff
geschützte Elisabethbucht. Das hufeisenförmige
isolierte Riff trägt jetzt eine grüne Schuttinsel.
Die Leute der Fregatte „Elisabeth“ ahnten noch
nicht, daß östlich von genanntem Kap, da, wo
die deutsche Admiralitätskarte Nr. 214 eine kleine
Insel andeutet, ein nordwärts durch eine Land-
bucht und ostwärts durch ein Riff abgeschlossener
schöner Hafen liegt, größer und besser geschützt
als der von Muliama. Behrendts Karte, die
noch nicht veröffentlicht ist, schließt mit ihm ab;
seine Bedeutung war aber bislang noch unbe-
kannt. Er wurde von der Expedition nach dem
daran gelegenen Dorfe Porpop benannt.
Die „Langeoog"““ war am 18. Dezember nach
Muliama gekommen. Die Riesenkisten wurden
auf dem Bambusfloß verladen, sowie das Expe-
ditionsgepäck eingeschifft, um es nach Lamasong
zu bringen. Schilling besorgte den Umzug.
Walden war schon seit einem Monat am Platze
tätig, hatte die Sprache ausgenommen und Dol-
metscher ausgebildet, so daß die Arbeiten sofort
begonnen werden konnten. Anfang Januar be-
nutzte indessen Walden ein kleines passierendes
Boot, um nach der Insel Tabär (Gardnerinsel)
zurückzukehren, wo er zuvor nur zwei Wochen ge-
wesen war. Ihm liegt das ganze Gebiet nörd-
lich von Lamasong ob, zu dem ethnographisch die
genannte Insel rechnet, und das sich durch die
bekannten prächtig geschnitzten Malanggän-Figuren
auszeichnet. Bei Lamasong beginnt das Gebiet
der Uli-Figuren. Es ist begründete Hoffnung vor-
handen, daß eine große Anzahl dieser bizarren
Schnitzereien als sprechende Zeugen des Kunst-
lebens der Eingeborenen erworben werden können.
Dr. Schlaginhaufen kam am 21. Januar
— nach fünfwöchigem Anfenthalt auf der Insel —
von Lir zurück. Leider hatte ihm die auf den
vorgelagerten Inseln besonders nasse Jahreszeit
zugesetzt, so daß er an Ruhr erkrankt war, die
sich aber nach seiner Ankunft in Lamasong unter
ärztlicher Pflege und Diät rasch besserte. Schilling
lag längere Zeit mit einem heftigen Gelenkrheu-
matismus, von dem er aber auch völlig wieder
hergestellt ist. Die stets wechselnde Temperatur,
Tags über 30° C, nachts oft fast nur 209,
mahnt zu großer Vorsicht. Malaria wurde noch
nicht beobachtet, ist aber zweifellos vorhanden.
Schlaginhaufen wohnte in Leo, einem Dorfe an
der Südspitze der großen Insel Lir, nach welcher
die ganze Gruppe benannt ist. Er stellte die
Landschaften und Siedelungen fest und sammelte
zahlreiche überaus interessante Stücke, welche die
Zugehbrigkeit zu den Teilen der Hauptinsel dar-
tun, die nördlich von Muliama liegen. Während
Anir und Tängga keine Auslegerboote, sondern
nur Plankenboote haben, besitzt Lir erstere in oft
monströser Form. Ebenso besitzt Lir die Ein-
steigegabel in die Tabuplätze der Männer, die
dem südlichen Gebiet fehlt. Ferner wurden in
den Hohlkehlen des gehobenen Kalkes ganze
Siedelungen beobachtet; nicht allein abgeschottete
Schlafstätten, sondern ganze Häuser mit und ohne
Dach wurden unter den überhängenden Steinbalko-
nen angetroffen. Endlich brachte Schlaginhaufen
einige Waschbeckenformen aus Lava mit Pistillen,
erstere von den Eingeborenen als vom Himmel ge-
fallene Sterne betrachtet. Anthropologische Messun-
gen bilden nach wie vor eine der Hauptaufgaben.
Schlaginhaufens Tätigkeit, Waldens Samm-
lungen an Malanggän-Sachen, sowie seine lin-
guistischen Aufzeichnungen sind hervorragend, so
daß ein abgerundeter Abschluß der Expedition in
einigen Monaten möglich ist.
Endlich sei noch erwähnt, daß Kaisers Ge-
burtstag unter großem Zulauf der Bevölkerung von
Lamasong auf dem Grundstück des Expeditions-
lagers, dem Rasthaus Tangätupi, gefeiert wurde.
Es gelang dem Photographen Schilling, mehrere
kinematographische Aufnahmen von Eingeborenen-
tänzen zu machen. Ein großes Schweineessen
vervollständigte die Feier.