Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Die Branntweinproduktion ist in Brasilien recht 
einträglich. Im Jahre 1907 wurden z. B. pro 
24 1 Cachaca 8000 Reis ab Pará und 6000 Reis 
ab Benevides gezahlt, das sind ab Fabrik pro Liter 
60 prozentigen Branntweins 250 Reis. Dies be- 
deutet eine Zuckerrohrverwertung von etwa 25 bis 
30 Milreis pro Ton. Für Aguardente war der 
Preis in Rio de Janeiro im Juli 1907 pro Pipa 
(gleich 480 1) 90 bis 96 prozentigen Branntweins 
140 bis 155 Milreis. Auch dieser Preis bedeutet 
eine sehr gute Verwertung der Melasse. 
Nach den Angaben in Szo Paulo ist das 
Resultat aus 1000 kg Melasse von 40 Beaumé 
etwa 300 1 90= bis 96 prozentiger Branntwein. 
Davon sind: 
60 v. H. des Quantums üino I. Qualität 42 Grad 
Cartier, 
40 v. H. des Quantums ordinario II. Qualität 
10 Grad Cartier. 
Der Preis war 1907 pro Liter in Säo Paulo: 
für fino 330 Reis, für ordinario 270 Reis. 
Der Staat Bahia. 
Südlich von Pernambuco kommt zunächst der 
Staat Bahia für den Außenhandel in Betracht. 
Er ist 426 427 qkm groß, weist mehrere bis zu 
1600 m ansteigende Gebirge auf und wird vom Rio 
Säo Francisco mit seinen Nebenflüssen durchströmt. 
Das Klima ist teils trocken, teils feucht, je nach der 
Lage der betreffenden Gegend zum Gebirge, zur 
Küste und zu den Flüssen; die mittlere Temperatur 
beträgt 24 Grad Celsius. Im Innern finden sich 
weite Steppen, denen die Feuchtigleit oftmals so 
sehr mangelt, daß die ganze Landschaft wie ver- 
dorrt aussieht. An der Küste, besonders im süd- 
licheren Gebiet, trifft man dagegen eine üppige 
tropische Vegetation und schönen Wald mit starkem 
kräftigem Baumbestand an. Diese Gegend eignet 
sich, besonders der verhältnismäßig hohen Feuchtig- 
keit wegen, zum Anbau von Kakao. 
In der Bevölkerung — 2 335 000 Seelen nach 
neuesten Schätzungen — tritt mehr als in anderen 
Staaten das schwarze Element hervor. Die Ur- 
sache liegt darin, daß hier schon seit Jahrhunderten 
große Facienden zur Entwicklung der Bodenkultur 
angelegt wurden. Aus diesem Grunde hat man 
zahlreiche afrikanische Negersklaven zur Plantagen- 
arbeit angesiedelt. Bei der großen Emanzipation 
vom Jahre 1888 blieben dann die Schwarzen als 
freie Arbeiter auf ihrem Boden sitzen oder sie 
zogen in die Städte, um dort, in äußerst primi- 
tiven Vorstadthütten hausend, als Gelegenheits- 
arbeiter oder Straßenhändler ein dürftiges Leben 
zu führen. Die Art, wie diese städtischen Neger 
sich ihre Behausungen schaffen, ist mehr erheiternd 
als imposant: oft genügen ihnen zur Errichtung ihrer 
Residenz einige Kistenbretter und Blechemballagen. 
Rechtsschule und die Polhytechnische Schule. 
  
Die Hauptstadt des Staates, Cidade Salvadore 
de Bahia oder kurz Bahia genannt, hat etwa 
200 000 Einwohner, liegt sehr hübsch an der 
gleichnamigen Meeresbucht und zerfällt in eine 
Unterstadt, wo der Geschäftsverkehr sich abwickelt, 
und in eine Oberstadt, welche die Regierungs= und 
Munizipalgebäude sowie die Wohnhäuser der besseren 
Bevölkerung umfaßt. Beide Stadtteile werden nicht 
nur durch Straßen, sondern auch durch zwei Draht- 
seilbahnen und Elevatoren miteinander verbunden 
und von Straßenbahnen nach verschiedenen Rich- 
tungen durchzogen. Die Stadt macht mit ihren 
zahlreichen Kirchen und öffentlichen Gebäuden, unter 
denen das Rathaus und der Regierungspalast her- 
vorragen, einen entschieden großstädtischen Eindruck. 
Sehr reizvoll ist der Blick von der Oberstadt über 
die Unterstadt und den Hafen. Von Bildungs- 
anstalten sind zu nennen: die Nautische Schule, die 
Sie 
dürfen mit europäischen Anstalten gleicher Art na- 
türlich nicht verglichen werden, aber im Vergleich 
mit anderen brasilianischen Staaten verleihen sie 
doch dem Staate Bahia einen gewissen Glanz. 
Die Stadt Bahia bildet die Handelszentrale 
nicht nur für den gleichnamigen Staat, sondern auch 
für die angrenzenden Staaten Sergipe, Piauhy 
und einen Teil des Hinterlandes von Pernambuco. 
Dem Warentransport nach Bahia dienen sowohl 
verschiedene in das Innere des Landes und bis 
zur Grenze führende Eisenbahnen als auch eine 
rege Schiffahrt an der 1100 km langen Küste und 
auf den Flüssen. Bahia ist Stapelplatz sowohl für 
die benachbarten brasilianischen Staaten wie auch für 
den überseeischen Export. Die Eisenbahnlinien 
haben zur Zeit eine Länge von rund 1300 km. 
Die Hauptlinie ist die nach Joazeiro am Rio Säo 
Francisco mit 575 km Länge und einer Abzwei- 
gung nach Timbo. Unter verschiedenen kleineren 
Linien sind noch erwähnenswert die von Süäo Felix 
nuch Machado Portello (über 300 km Länge) und 
die von Säo Felix nach Sant Anna. 
Für die Schiffahrt kommt hauptsächlich die 
Navigacäo Bahiana und der Lloyd Brasileiro mit 
zahlreichen Dampfern in Betracht. Außerdem dienen 
dem Verkehr noch eine große Anzahl von Segel- 
booten und Canoes. Die letzteren sind aus einem 
Baumstamm hergestellt und oft von erstannlicher 
Größe, so daß sie Ladungen bis zu 140 Sack 
à 60 kg aufnehmen können. 
Der Hafen von Bahia wird von der geschütztei 
Allerheiligenbucht gebildet und gehört nach Große 
und Verkehr zu den bedeutendsten Häfen Brasiliens. 
Jährlich laufen dort über 1000 Schiffe ein; keine 
überseeische Linie, die Verkehr mit Brasilien unter-- 
hält, läßt den Hafen von Bahia aus. Im Jahre 
1906 kamen dorthin an Auslandsschiffen: 443 Dampfer 
mit 1 196 110 Tons und 68 Segler mit 33 441 
Tons. Der Exportwert der aus dem Hafen von
	        
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