Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

W 589 e. 
englischer Herrschaft geschaffene Recht verstehen. 
Das letztere allerdings nur insoweit, als es nicht 
ausschließlich für Eingeborene gilt. Solche für die 
Eingeborenen gegebenen Spezialgesetze, die ihrem 
Ursprunge nach zwar zum Rechte der Kolonie ge- 
hören, ihrer Geltung nach aber in einem Gegensatz 
zum Kolonialrecht stehen, möchte ich unter der Be- 
zeichunng „Sonderrecht der Eingeborenen“ zu- 
sammenfassen. 
Kolonialrecht in Natall) ist das Rbmisch- 
Holländische Recht, wie es sich unter dem Einflusse 
der kolonialen Gesetzgebung gestaltet hat.?!) Für 
die Eingeborenen Natals ist dieses Recht aber von 
ganz supplementärer Bedenutung, denn die Gesetz- 
gebung hat in dem Code of Native Law und 
seinen Amendements das Eingeborenen-Recht in 
ziemlich großem Umfange kodifiziert. 
Außerdem kommt auch noch unkodifiziertes Ein- 
geborenen-Recht zur Anwendung, da der Code das 
ungeschriebene Recht nicht einfach aufhebt. Endlich 
ist auch noch eine Anzahl für die Eingeborenen 
gegebener Spezialgesetze 3) vorhanden. 
Das Kolonialrecht kommt also für Eingeborene 
grundsätzlich t) nur soweit in Frage, als der Code 
mit seinen Amendements, als geltendes unkodifiziertes 
Eingeborenen-Recht und Spczialgesetze eine Materie 
nicht behandeln.5) 
Unter Eingeborenen sind in diesem Zusammen- 
hange alle Mitglieder von „aboriginal races or 
tribes“ Afrikas südlich des Aqguators zu verstehen 
(ogl. Sec. 12 des Schedule zum Law 19 of 1891). 
Für die Gültigkeit des Eingeborenen-Rechts mit 
samt seinen Gebräuchen und Gewohnheiten, soweit 
es nicht durch Spezialgesetze ersetzt ist, besteht 
folgende Regel: es darf in seiner Anwendung keine 
offenbare Ungerechtigkeit zur Folge haben, noch den 
feststehenden Prinzipien und Tendenzen natürlicher 
Billigkeit zuwiderlaufen. Ausdrücklich ausgeschlossen 
ist die Anwendung des Eingeborenen-Rechts auf 
1) Unter Natal wird hier die Kolonie ohne die 
Provinz Zululand versianden, die besonders behandelt 
wird. 
2) Ugl. Lucas, Bd. IV, Teil II. S. 49 und act 39 
of 1896 (Jupreme Courts act). Sec. 20 f. Das so- 
genannte Römisch-Holländische Recht, wie es für Natal 
ursprünglich übernommen ist, ist das Recht, welches 
bis zum Jahre 1815 in den Gerichtshöfen der Kap- 
kolonie angewendet wurde. 
3) z. B. Waffengesetze acts 5 of 1859. 12 of 1862. 
Jative sations act 37 of 1896. Ehe nach christlichem 
Ritus act 414 of 1903. JSlission Reserres act 40 of 
1903. The Squattes Remn Law act 18 of 1903. 
Lijuor Law act 27 of 1905. 
4) Ausnahmen siehe unter Befreiung vom Ein- 
geborenen-Rechte. 
5) Agl. Section 24 des Reports und aet 39 of 1896. 
Sec. 20 f. Ausgeschlossen ist aber die Geltendmachung 
der kolonialen Insolvenzgesetze durch einen vom Ein- 
geborenen-Recht nicht erimierten Eingeborenen gegen- 
über einem gleichfalls nicht eximierten Eingeborenen. 
Vgl. Code Sec. 237. 
  
Zivilsachen, dic aus dem Eingeborenen-Recht fremden 
Handelsgeschäften entstehen, solche Rechtsstreitigkeiten 
sind vielmehr nach Kolonialrecht zu entscheiden.) 
Für die Anwendung des Eingeborenen-Rechts 
ist im vorhergehenden nur an die Fälle gedacht, 
in denen Rechtsbeziehungen zwischen Eingeborenen 
ausschließlich in Frage kommen. Handelt es sich 
um Streitigkeiten zwischen Eingeborenen einerseits 
und Europäern oder solchen Farbigen, die nicht 
Eingeborene des Landes sind, anderseits, so ist die 
Entscheidung nach Kolonialrecht zu fällen. Dies ist 
in den zitierten Gesetzesstellen zwar nicht ausdrück- 
lich ausgesprochen, geht aber aus der Wortfassung 
hervor. 
Die Beibehaltung eines besonderen Rechts für 
die Eingeborenen zeigt, daß die Regierung Natals 
es ratsam gefunden hat, die Eingeborenen nicht der 
Kontrolle eines ihren besonderen Lebensverhältnissen 
angepaßten Rechts zu entziehen. Anderseits hat sie 
sich aber doch der Erkenntnis nicht verschließen 
können, daß das Eingeborenen-Recht solchen Ein- 
geborenen ein Hindernis für eine weitere Entwick- 
lung bietet, deren allgemeine Bildung sich über das 
gewöhnliche Nivcau derartig erhoben hat, daß ihre 
Träger fähig sind, die gewöhnlichen Pflichten eines 
zivilisierten Menschen zu verstehen. Die Gesetz- 
gebung hat deshalb ein Gesetz erlassen, das dem 
einzelnen Individuum die Befreinng vom Einge- 
borenen-Recht ermöglicht. Es ist dies das Law 
No. 28 of 1865 „For relieving certain persons 
from the operation of native law“. 
Nach diesem Gesetz kann jeder männliche und 
jede unverheiratete weibliche Eingeborene der Kolonie 
beim Gouverneur Besreiung vom Eingeboren-Recht 
nachsuchen, falls dic betreffende Person gewisse Vor- 
bedingungen erfüllt, die eben dartun sollen, daß sie 
eine entsprechende Bildungsstufe erreicht hat. Die 
Wirkung der Befreiung eines Eingeborenen vom 
Eingeborenen-Recht ist allgemein gesprochen die, 
daß er manchen Beschränkungen, welche namentlich 
die Spezialgeseltze den Eingeborenen auferlegen, für 
die Zulunft überhoben ist und nicht mehr dem be- 
sonderen Recht, sondern dem Kolonialrecht unter- 
stellt wird.?) 
Erster Abschnitt. 
Einzelne Rechtsinstitute. 
Wie bereits angedeutet, ist der größte Teil des 
für die Eingeborenen in Natal geltenden Rechts 
in dem Code of Native Law niedergelegt. Der 
Code ist enthalten in dem Schedule zum Law') 19 
von 1891. 
1) Regel und Ausnahme gibt Sec. 80 des Courts 
act No. 49 of 1898. 
2) Die Wirkungen der Eremption vom Natire Law 
werden unten eingehend besprochen werden. 
2) Betitelt: Lo legalize the Code of Native Law 
laid before the legislatire Council according to the 
Drovisions of Law No. 44 of 189 7.
	        
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