Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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stets verpflichtet, jeden Festgenommenen unverzüglich 
dem Regierungsbeamten des Bezirks (dem magi- 
strate als administrator of Native Law) vor- 
zuführen. 
Zur Aufrechterhaltung der Ruhe und des Friedens 
innerhalb seines Bezirks darf der Kraalsvater auch 
Aufrührer und Personen, die sich seiner Autorität 
widersetzen, festnehmen und zu dem gleichen Zwecke 
und zur Erziehung Angehörige seines Kraals kör- 
perlich züchtigen. 
2. Persönliche Stellung. 
a. Des Häuptlings. 
Die Häuptlingsstellung brachte ihrem Träger 
neben dem besonderen Rang und dem Aurecht auf 
Treue und Gehorsam seitens seiner Untertanen auch 
bestimmte Einnahmen. Diese bestanden einmal in 
freiwilligen gelegentlichen Geschenken seitens der 
reicheren seiner Untertanen und ferner in Gebühren, 
die ihm als Zivilrichter zukamen, und in Vermögens- 
strafen, die an ihn als Strafrichter zu entrichten 
waren. In allen eigentlichen Strassachen 1) fielen 
nämlich die Vermögensstücke, deren Leistung meist 
die Strafe bildete, nicht an den Verletzten, sondern 
an den Häuptling. 
Ein Teil dieser Einnahmen ist dem Häuptling 
infolge der Anderung der Gerichtsverfassung durch 
die koloniale Gesetzgebung verlorengegangen, dafür 
setzt die Regierung den Häuptlingen jetzt ein be- 
stimmtes Gehalt aus (Code, Sec. 57). Außerdem 
erwachsen ihnen noch Einnahmen in den Gebühren 
aus ihren Zivilgerichtshösen und in den Vermögens- 
strafen, die sie in Ausübung ihrer Strafgewalt auf- 
erlegen.?) Diese Strafen haben aber nur den 
Charakter von Ordnungsstrafen, die kriminellen Ver- 
mögensstrafen fließen den Häuptlingen nicht mehr zu. 
An sonstigen Privilegien des Häuptlings erkennt 
der Code den mit seiner Stellung verbundenen 
Rang und sein Aurecht auf Respekt und Gehorsam 
seitens seiner Untertanen besonders an (Sec. 57). 
Einer Neigung der Häuptlinge, ihre bevorzugte 
Stellung durch Willkürhandlungen zu mißbrauchen, 
werden außer durch die Kontrolle seitens des Ober- 
häuptlings bzw. seiner Beamten noch durch die Be- 
stimmung des Code Schranken auferlegt, daß jedem, 
der durch einen ungesetzlichen Akt eines Häuptlings 
Schaden erlitten hat, ein zivilrechtlicher Anspruch 
auf Entschädigung gewährt wird, und der Häupt- 
ling darauf vor jedem an sich zuständigen Gerichts- 
hof vberklagt werden kann (Scc. 216). 
Das gleiche galt bereits bei den Kaffern be- 
hö d. h. Strafsachen nach Kaffernrecht, vgl. unten 
im Anhang. Die Vermögensstrafen nahmen unter 
Umständen den Umfang von Konfiskationen des ganzen 
Vermögens an. Näheres über die Einnahmen des 
Oäuptlings bei Maclean, S. 28, 29. 
:) Als Vertreter des Oberhäuptlings Sec. 52 (siche 
oben) und als Richter Sec. 51 (siehe unten) und 
Code, Scc. 59. 
  
2 
züglich der gewöhnlichen Häuptlinge, die größeren 
Volkshäuptlinge und ihre Söhne standen dagegen 
über dem Gesetz.7 
3. Des Distriktshauptmannes. 
Die Distriktshauptleute erhalten aus ihrem Amte 
als solche keine besondere persönliche Stellung. Sie 
werden im allgemeinen unter den Unterhäuptlingen 
und Dorfältesten ausgewählt und genießen eben die 
ihnen in solcher Eigenschaft eigentümliche perfön- 
liche Stellung. 
Für ungesetzliche Handlungen sind sie dem Ge- 
schädigten in derselben Weise, wie im gleichen Fall 
die Häuptlinge, zivilrechtlich verantwortlich (Code 
Scc. 216). 
Jy. Des Kraalsvaters. 
Die Stellung des Kraalsvaters kann in ver- 
schiedener Weise erworben werden. Entweder gelangt 
sie durch Erbschaft von dem früheren auf den gegen- 
wärtigen Kraalsvater, oder sie wird erst neu ge- 
schaffen dadurch, daß ein Angehöriger eines anderen 
Kraals aus der manns seines Kraalsvaters aus- 
geschieden ist?) und einen neuen Kraal begründet 
hat. In beiden Fällen nimmt der Inhaber der 
Stellung seinen Titel dazu aus dem Umstande, daß 
er der Eigentümer des Kraalsvermögens und das 
natürliche oder durch Rechtsbrauch anerkannte Ober- 
haupt der im Kraal vereinigten Familie ist. 
Abgesehen von diesen beiden Fällen, kann das 
Amt des Kraalsvaters auf vorübergehende Zeit von 
einer Person ausgeübt werden, die ihre Rechte aus 
ihrer Stellung als Vormund eines minderjährigen 
Kraalserben oder eines an der Ausübung seines 
Amtes behinderten Kraalsvaters ableitet.) Ein 
minderjähriger Kraalserbe rückt in die Stellung als 
Kraalsvater erst ein, wenn sein Häuptling ihn zur 
Führung der Geschäfte dieser Stellung für fähig 
hält und die Üibernahme anordnet. Damit erlangt 
der minderjährige Kraalserbe seine Grossährigkcit 
(Code Sec. 67). 
Der Kraalsvater ist absoluter Eigentümer allen 
Eigentums, das zum Kraal gehört, soweit dies nicht 
speziell einem individuellen Hause oder einem In- 
sassen des Kraals zusteht, der nicht Mitglied der 
Familie des Kraalsvaters ist (Code Sec. 68). 
Der pater kfamilias-Stellung des Kraalsvaters 
entspricht es, daß er nach Sec. 215 des Code von 
Angehörigen seines Kraals zivilrechtlich nicht auf 
Schadenersatz verklagt werden kann. Darüber 
hinaus schützt ihn aber seine Stellung nicht, vielmehr 
kann er, wenn seine Verstöße unter das Strafgesetz 
fallen, auch von den Angehörigen des eigenen Kraals 
zur Verantwortung gebracht werden. Den Kraals- 
1) V Val. Marclean, S. 75,. 119. 
2) Dazu bedarf cs der: nstimmung des Hänptlings 
und des Bezirksbeamten (m a#zistrate als adiministrator 
of Xative Law) Code Sec. 92. 
3) Code Sec. 6101, 92 und 188.
	        
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