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Will sich eine von den Parteien nicht freiwillig
seinem Urteil unterwerfen, so kann die Sache von
ihr vor den Häuptling oder den Bezirksrichter
gebracht werden.
Ausnahmsweise kann der Gouverneur solchen
Distriktshauptleuten, die einen detachierten Teil des
Stammesgebiets unter sich haben, in Zivilsachen
auch die Richtergewalt eines Häuptlings verleihen.)
J. Des Kraalsvaters.
Die Kraalsväter erledigten oft vermöge ihrer
Stellung als pater familias Streitigkeiten der
Angehörigen ihres Kraals. Gelang ihnen die pri-
vate Beilegung des Zwistes jedoch nicht, so berichteten
sie die Sache an ihren vorgesetzten Unterhäuptling.2)
Eine richterliche Stellung hatten sie also eigentlich
nicht, und ebensowenig hat der Code ihnen eine
gegeben.
c. Das Volk.
Die Stellung des Volkes in der Stammes-
verfassung ergibt sich zum Teil aus dem im vor-
hergehenden über Rechte und Pflichten seiner Führer
Gesagten. Die Rechtsverhältnisse des Individuums
als Mitglied der Kraalgemeinde werden wir im
folgenden kennen lernen.
2. Status personalis.
Das feste Gefüge der Stammesverfassung prägt
der Stellung des Individuums wie auf dem Gebiete
des öffentlichen so auch auf dem des Privatrechts
seinen Stempel auf. Die Rechte des einzelnen ent-
sprechen demnach seiner Stellung gegenüber dem
Kraalsvater als Repräsentanten der Stammesver-
fassung im engen Kreise der Kraalgemeinde.
Da der Code die Stammesverfassung in ihren
Grundzügen aus dem Eingeborenenrecht über-
nommen hat, wenn er sic im einzelnen auch weiter
ausgestaltet hat, so mußte er auch in logischer Kon-
sequenz die Prinzipien des reinen Eingeborenen-
rechts über die Rechtsstellung des Individuums
beibehalten. Er hat dies getan in engster Anlehnung
an das reine Eingeborenen-Recht und zeigt damit
die Tendenz der Gesetzgebung Natals, die Privat-
rechtsverhältnisse der Eingeborenen möglichst ungestört
zu lassen.
Das ganze Volk der Eingeborenen, soweit es
unter Eingeborenenrecht lebt, kann für das Gebiet
des Privatrechts in Kraalsväter und Untertanen
der Kraalsväter eingeteilt werden. Auch die Häupt-
linge haben natürlich für ihren eigenen Kraal die
Stellung des Kraalsvaters.
Unter den männlichen Untertanen sind zu unter-
scheiden Angehörige der Familie des Kraalsvaters
und mit diesem nichtverwandte Insassen des Kraals.
Die Rechtsstellung der Glieder der ersten Gruppe
kann verschieden sein, je nachdem sie verheiratet bzw.
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1) Sec. 4 net 13 of 1894 (lo amend the Colle).
2) Agl. The. Jatives of Seouh Afticn. S. 26.
verwitwet oder unverheiratet sind. Bei der zweiten
Gruppe ist zwischen erwachsenen und nichterwachsenen
Männern zu unterscheiden.
Der Rang der Männer in der Kraalsfamilie
richtet sich nach dem ihrer Mütter.
Die Stellung der weiblichen Mitglieder eines
Kraals ist eine verschiedene, je nachdem sie unver-
heiratet, verheiratet, geschieden oder verwitwet sind.!)
a. Rechtsfähigkeit.
Den wichtigsten Gegenstand des Eigentums
bildete für den in den alten Formen lebenden Ein-
geborenen das Vieh. Am Grund und Boden hatte
solcher Eingeborene nicht eigentlich Eigentum, sondern
ein Recht, innerhalb eines bestimmten Umrkreises
so viel Land zu besitzen, als seine Frauen für ihn in
Kultur halten konnten, einen Kraal darauf anzu-
legen und dies Land seinem Erben zur unge-
schmälerten Benutzung zu hinterlassen. Das un-
ktultivierte Land war gemeinsames Weideland aller
Stammesangehörigen.?)
Dies gilt im allgemeinen noch für Eingeborenen-
stämme, bei denen die Grundbesitzverhältnisse kom-
munistisch geordnet sind.
Als Träger subjektiver Rechte kommen nach dem
Code eigentlich nur die Männer in Betracht, Frauen
nur ausnahmsweise. In der Regel wird alles
ihnen zuerteilte Gut, selbst die väterliche Mitgift,
Eigentum des Hauses, welches durch die betreffende
Ehe begründet wird. Eine Ausnahme besteht jedoch
bezüglich der Mitgist der Häuptlingsfrau von
höchstem Range. Ihr steht sowohl das Eigentum
an der Mitgift als auch deren Nutung zu.
Ein Sonderfall, der seinen Ursprung jedoch
nicht im Eingeborenen-Recht hat, lann eintreten,
wenn eine Frau vom Native High Court zum
Kraalhead eingesetzt wird, da ihr alsdann auch alle
Befugnisse und Privilegien eines Kraalsvaters ein-
geräumt werden.8)
Alles, was die Mitglieder eines Hauses des
Kraalsvaters verdienen, gehört diesem, insofern er-
fährt also die Rechtsfähigkeit der männlichen Haus-
angehörigen eine Beschränkung.“)
b. Geschäftsfähigkeit.
a) Der Männer.
Die Aufnahme der Kaffernknaben in den Kreis
der Männer erfolgte nach mannigfachen Zeremonien
im Anschluß an die Beschneidung, die vorgenommen
zu werden pflegte, wenn der Knabe das Alter der
1) Agl. zu diesem Abschnitte Ser. 90. 91 des Code.
2) Vgl. The Juives of South Africn. S. 31. 35.
Maclean 72, 10)0.
*) Agl. Code Scc. 78, für die Häuptlingefrau
Sec. 123, für den Regelfall Sec. 142.
4") Agl. The Jalives of Saunh Aftica S. 27 An-
merkung 3 und Code Ser. 138: Der KRraalsvater bhat
eine weite Verfügungobefugnis über das Erworbene,
darf das von den Mitgliedern eines Oauses Erworbene
aber nicht zugunsten eines anderen Bauses verwenden.