Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

W 594 2c0 
Will sich eine von den Parteien nicht freiwillig 
seinem Urteil unterwerfen, so kann die Sache von 
ihr vor den Häuptling oder den Bezirksrichter 
gebracht werden. 
Ausnahmsweise kann der Gouverneur solchen 
Distriktshauptleuten, die einen detachierten Teil des 
Stammesgebiets unter sich haben, in Zivilsachen 
auch die Richtergewalt eines Häuptlings verleihen.) 
J. Des Kraalsvaters. 
Die Kraalsväter erledigten oft vermöge ihrer 
Stellung als pater familias Streitigkeiten der 
Angehörigen ihres Kraals. Gelang ihnen die pri- 
vate Beilegung des Zwistes jedoch nicht, so berichteten 
sie die Sache an ihren vorgesetzten Unterhäuptling.2) 
Eine richterliche Stellung hatten sie also eigentlich 
nicht, und ebensowenig hat der Code ihnen eine 
gegeben. 
c. Das Volk. 
Die Stellung des Volkes in der Stammes- 
verfassung ergibt sich zum Teil aus dem im vor- 
hergehenden über Rechte und Pflichten seiner Führer 
Gesagten. Die Rechtsverhältnisse des Individuums 
als Mitglied der Kraalgemeinde werden wir im 
folgenden kennen lernen. 
2. Status personalis. 
Das feste Gefüge der Stammesverfassung prägt 
der Stellung des Individuums wie auf dem Gebiete 
des öffentlichen so auch auf dem des Privatrechts 
seinen Stempel auf. Die Rechte des einzelnen ent- 
sprechen demnach seiner Stellung gegenüber dem 
Kraalsvater als Repräsentanten der Stammesver- 
fassung im engen Kreise der Kraalgemeinde. 
Da der Code die Stammesverfassung in ihren 
Grundzügen aus dem Eingeborenenrecht über- 
nommen hat, wenn er sic im einzelnen auch weiter 
ausgestaltet hat, so mußte er auch in logischer Kon- 
sequenz die Prinzipien des reinen Eingeborenen- 
rechts über die Rechtsstellung des Individuums 
beibehalten. Er hat dies getan in engster Anlehnung 
an das reine Eingeborenen-Recht und zeigt damit 
die Tendenz der Gesetzgebung Natals, die Privat- 
rechtsverhältnisse der Eingeborenen möglichst ungestört 
zu lassen. 
Das ganze Volk der Eingeborenen, soweit es 
unter Eingeborenenrecht lebt, kann für das Gebiet 
des Privatrechts in Kraalsväter und Untertanen 
der Kraalsväter eingeteilt werden. Auch die Häupt- 
linge haben natürlich für ihren eigenen Kraal die 
Stellung des Kraalsvaters. 
Unter den männlichen Untertanen sind zu unter- 
scheiden Angehörige der Familie des Kraalsvaters 
und mit diesem nichtverwandte Insassen des Kraals. 
Die Rechtsstellung der Glieder der ersten Gruppe 
kann verschieden sein, je nachdem sie verheiratet bzw. 
— — — 
1) Sec. 4 net 13 of 1894 (lo amend the Colle). 
2) Agl. The. Jatives of Seouh Afticn. S. 26. 
  
verwitwet oder unverheiratet sind. Bei der zweiten 
Gruppe ist zwischen erwachsenen und nichterwachsenen 
Männern zu unterscheiden. 
Der Rang der Männer in der Kraalsfamilie 
richtet sich nach dem ihrer Mütter. 
Die Stellung der weiblichen Mitglieder eines 
Kraals ist eine verschiedene, je nachdem sie unver- 
heiratet, verheiratet, geschieden oder verwitwet sind.!) 
a. Rechtsfähigkeit. 
Den wichtigsten Gegenstand des Eigentums 
bildete für den in den alten Formen lebenden Ein- 
geborenen das Vieh. Am Grund und Boden hatte 
solcher Eingeborene nicht eigentlich Eigentum, sondern 
ein Recht, innerhalb eines bestimmten Umrkreises 
so viel Land zu besitzen, als seine Frauen für ihn in 
Kultur halten konnten, einen Kraal darauf anzu- 
legen und dies Land seinem Erben zur unge- 
schmälerten Benutzung zu hinterlassen. Das un- 
ktultivierte Land war gemeinsames Weideland aller 
Stammesangehörigen.?) 
Dies gilt im allgemeinen noch für Eingeborenen- 
stämme, bei denen die Grundbesitzverhältnisse kom- 
munistisch geordnet sind. 
Als Träger subjektiver Rechte kommen nach dem 
Code eigentlich nur die Männer in Betracht, Frauen 
nur ausnahmsweise. In der Regel wird alles 
ihnen zuerteilte Gut, selbst die väterliche Mitgift, 
Eigentum des Hauses, welches durch die betreffende 
Ehe begründet wird. Eine Ausnahme besteht jedoch 
bezüglich der Mitgist der Häuptlingsfrau von 
höchstem Range. Ihr steht sowohl das Eigentum 
an der Mitgift als auch deren Nutung zu. 
Ein Sonderfall, der seinen Ursprung jedoch 
nicht im Eingeborenen-Recht hat, lann eintreten, 
wenn eine Frau vom Native High Court zum 
Kraalhead eingesetzt wird, da ihr alsdann auch alle 
Befugnisse und Privilegien eines Kraalsvaters ein- 
geräumt werden.8) 
Alles, was die Mitglieder eines Hauses des 
Kraalsvaters verdienen, gehört diesem, insofern er- 
fährt also die Rechtsfähigkeit der männlichen Haus- 
angehörigen eine Beschränkung.“) 
b. Geschäftsfähigkeit. 
a) Der Männer. 
Die Aufnahme der Kaffernknaben in den Kreis 
der Männer erfolgte nach mannigfachen Zeremonien 
im Anschluß an die Beschneidung, die vorgenommen 
zu werden pflegte, wenn der Knabe das Alter der 
1) Agl. zu diesem Abschnitte Ser. 90. 91 des Code. 
2) Vgl. The Juives of South Africn. S. 31. 35. 
Maclean 72, 10)0. 
*) Agl. Code Scc. 78, für die Häuptlingefrau 
Sec. 123, für den Regelfall Sec. 142. 
4") Agl. The Jalives of Saunh Aftica S. 27 An- 
merkung 3 und Code Ser. 138: Der KRraalsvater bhat 
eine weite Verfügungobefugnis über das Erworbene, 
darf das von den Mitgliedern eines Oauses Erworbene 
aber nicht zugunsten eines anderen Bauses verwenden.
	        
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