Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

W 595 2e. 
Pubertät erreicht hatte. Mit diesem Zeitpunkte 
begann für ihn die Pflicht, seinem Häuptling Ge- 
borsam zu leisten, seinen Stamm gegen Feinde zu 
verteidigen, für seine Eltern zu sorgen und die über- 
lieferten Gebräuche und Zeremonien zu beobachten. 
Anderseits trat er auch in den Genuß der Privi- 
legien eines vollgültigen Mitgliedes der Stammes- 
gesellschaft, er durfte heiraten und ein Haus be- 
gründen.!1) 
Die Gesetzgebung hat sich mit der Beschneidung 
in ihrer Bedeutung für den Status des Kaffern- 
knaben nicht befaßt, daran also auch nichts geändert. 
Der Gebrauch besteht also fort und übt weiter seine 
Wirkung auf die Stellung des Kaffernknaben in 
der Stammesgemeinde, denn weder der Brauch an 
sich noch die genannten Wirkungen verstoßen gegen 
das allgemeine Prinzip, nach dem sich die Gültig- 
keit eines Eingeborenen-Rechtsbrauches regelt. 
Dagegen gibt der Code wieder Aufschluß über 
die Geschäfts= und Prozeßfähigkeit im Eingeborenen- 
Recht. 
Die Selbständigkeit, in deren Genuß der junge 
Kaffer nach der Beschneidung eintritt, hat aber nicht 
die Bedeutung der Großjährigkeit. Der junge Mann 
bleibt vielmehr bezüglich seiner persönlichen An- 
gelegenheiten von dem Kraalsvater vorläufig ab- 
hängig, ist also in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.) 
Die Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit ist 
an Bedingungen geknüpst, die verschieden sind, je 
nachdem der Mann zur Familie des Kraalsvaters 
gehört oder nicht. 
Im ersteren Falle wird er geschäftsfähig, wenn 
er sich verheiratet und behält die Geschäftsfähigkeit 
auch, wenn er Witwer wird. 
Im zweiten Falle erlangt er die Geschäftsfähig- 
keit, wenn er vollkommen erwachsen ist (Code Scc. 72). 
In allen Kraalsangelegenheiten bleibt aber jeder 
Kraalsangehörige, solange er im Kraal wohnt, der 
Autorität des Kraalsvaters unterworfen (Code 
Sec. 90, 91). 
§. Der Frauen. 
Die Frauen haben stets die Stellung Minder- 
jähriger außer in dem Falle, daß sie die Stellung 
eines „kraalheade einnehmen. Sie sind natürlich 
wie alle Kraalsangehörige in Kraalsangelegenheiten 
der Autorität des Kraalsvaters unterworfen. Im 
übrigen unterstehen sie, wenn sie unverheiratet sind, 
der Gewalt ihres Vaters oder Vormundes, und 
wenn sie verheiratet sind, der Gewalt ihres Ehe- 
mannes. Geschiedene Frauen treten wieder in die 
!) AUgl. Maclean, S. 97 ff., 157 ff. 
2) d. h. für den Code, er kann weder Eigentum 
veräußern noch Verträge schließen ohne Einwilligung 
des Kraalsbaters. Alle Rechtsgeschäfte eines solchen 
Mannes, mit Ausnahme solcher rechtlichen Akte. durch 
welche der Kraal oder eins seiner Häuser einen Vorteil 
orlangt, sind vielmehr ungültig, wenn nicht der Kraals- 
vater zugestimmt oder mitgewirkt hat. Code Sec. 72. 
  
Stellung unverheirateter Töchter zurück und Witwen 
unterstehen den ihnen zugewiesenen Vormündern. 7 
c. Prozeßfähigkeit. 
Prozeßfähig sind nur die Kraalsväter und die- 
jenigen Kraalsangehörigen, welche volle Geschäfts- 
fähigkeit erlangt haben.2) 
d. Emanecipatio. 
Die Angehörigen des Kraals bleiben der Anto- 
rität des Kraalsvaters in allgemeinen Kraals- 
angelegenheiten auch unterworfen, wenn sie im 
übrigen geschäftsfähig sind. Eine Anderung dieses 
Verhältnisses kann jedoch eintreten durch Entlassung 
eines Mitgliedes des Kraals aus der Gewalt des 
Kraalsvaters. Dies kann bei solchen Männern ge- 
schehen, die erwachsen ?), verheiratet oder verwitwet 
sind. Es bedarf dazu neben dem Willen des Kraals- 
vaters der Einwilligung des Häuptlings und der 
Genehmigung seitens des Bezirksbeamten (magistrate 
als administrator of Native Law). 
Ist ein Mann rechtswirksam emanzipiert, so 
wird er von seinem früheren Kraalsvater vollkommen 
unabhängig, kann selbst einen Kraal errichten und 
Kraalsvater werden. Er kann sich aber auch unter 
den Schutz eines anderen Kraalsvaters begeben und 
Mitglied von dessen Gemeinde werden.“) 
e. Enterbung. 
Ein enterbter Sohn verliert Status und Stimme 
in der Kraalsgemeinde seines Vaters und darf sich 
einem anderen Kraal anschließen oder selbst einen 
Kraal gründen (Code Sec. 93, 141). 
3. Samilienrecht. 
a. Polygamie. 
Das Familienleben der Eingeborenen Südafrikas 
erhält seinen charakteristischen Stempel aufgeprägt 
durch das Bestehen der Polygamie. Mit den sich 
daran knüpfenden Fragen hat sich die Natire 
Affairs Commission eingehend beschäftigt und bei 
der Wichtigkeit jener Institution und bei der 
Autorität der Kommission in Eingeborenenfragen 
erscheint es gerechtfertigt, deren Ausführungen in 
den Hauptpuntten wiederzugeben.?) 
Die Institution der Polygamie datiert aus 
frühesten Zeiten, ist also entstanden unter Verhält- 
nissen, die den heutigen ziemlich fremd waren. 
Bevor europäische Kolonisierung Frieden und 
Ordnung unter die Eingeborenen gebracht hatte, 
1) AUgl. Code Sec. 91, 91. 
2) Code Scc. 91. 
3) Ein Verheirateter braucht noch nicht erwachsen 
sein. Die Chemündigkeit tritt bereits mit der Be- 
schneidung ein. 
4) VUgl. zu Emancipatio Code Sec. 92. In dem 
letzten Falle würde ein mit dem früheren Kraalsvater 
verwandter, erwachsener Mann, der als Unverheirateter 
nicht geschäftsfähig war, in dem neuen Rraal als er- 
wachsener Extranens geschäftsfähig werden. 
5) Vgl. Report. Sec. 290 bis 299.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.