Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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diesem Zweck verwandte Vieh wurde mit „Lobolo“ 
bezeichnet.) 
Die Eheschließung pflegte nach eingehenden Ver- 
handlungen durch den Abschluß der „Ukulobola“ 
eingeleitet zu werden. Darunter ist ein Vertrag 
zwischen dem Vater der Auserwählten und dem 
Freier zu verstehen, durch welchen ersterer sich ver- 
pflichtet, in die Heirat einzuwilligen und die Tochter, 
falls ersorderlich, während der Ehe oder nach ihrer 
Beendigung zu beschützen, und auf Grund dessen 
anderseits dem Vater von dem Freier das 
„Lobolo“ zu leisten ist. Durch diesen Vertrag 
entsteht aber an sich kein Zwang für die Tochter, 
die Ehe einzugehen.?) 
Die Hingabe * Frau aus dem Hause des 
Vaters in das des Freiers gegen Empfang des 
Lobolo kennzeichnet die Kaffernehe als eine Kaufehe. 
Über die Wirkung, welche diese Eheform auf die 
Stellung der Frau dem Manne gegenüber äußert, 
sind die Meinungen geteilt. Die Kommission ver- 
tritt die Auffassung, daß die Frau nicht Eigentum 
des Mannes wird, weil er sie nicht verkaufen, töten, 
verletzen, mißhandeln noch prostituieren könne.#) 
Unter den älteren Autoritäten sieht Warner!) 
in der Kaffernehe nichts als ein Kaufgeschäft und 
in der Frau die Sklavin des Manncs, während 
Dugmore?) die Kaffernehe wieder auf eine höhere 
Stufe stellt. 
Er betont, daß der Loboloempfänger eigentlich 
das Lobolo nur als Treuhänder für die Frau und 
ihre Nachkommen erwirbt und es zu ihren Gunsten 
verwenden muß, sobald die Frau Witwe wird oder 
ihre Kinder einer Beihilse für ihre Selbständigkeit 
bedürfen. 
Die Bedeutung der Lobologabe wäre demnach 
mit dem Eintausch der Frau durchaus nicht erschöpft. 
Vor allem äußerten die Lobologebräuche nach den 
Erfahrungen der Kommission auch einen bemerkens- 
werten Einfluß auf das Verhältnis der Chegatten 
zueinander und hatten die Wirkung, der Frau eine 
gute Behandlung seitens ihres Mannes nach Mög- 
lichkeit zu sichern und auch das Verhalten der Frau 
günstig zu beeinflussen, und zwar aus folgenden 
Gründen:) Behandelte ein Mann seine Frau in 
einer Weise, die eine Versöhnung ausschloß, so durfte 
sie zu ihrem Vater zurückkehren, ihr Mann verlor 
ihre Arbeitskraft und bekam nichts oder je nach 
den Umständen nur einen kleinen Teil des Lobolo 
1) Oder „Ilagi“, vgl. Maclean S. 68, 114. The 
JNutives of South Aftrica S. 29: Eine Frau, die ohne 
Lobolo-Qabe erworben ist, hat eine untergeordnete 
Stellung. 
2) Definiert nach Report Scc. 
an P. 70 des Reports der „Jative Laws and (’'ustoms 
(ommission“ (Cape Colony 1883). Näheres über die 
sonstigen Verhandlungen bei Maclean S. 45 ff. 
Report Sec. 303. 
Tambockie Agent bei Macleaun S. 68. 
5) Bei Maclean S. 53. 
5) Ugl. Report Sec. 308. 
302 im Auschluß 
« V 
  
wieder. Die Frau fand dagegen in dem zurück— 
behaltenen Lobolo ein Mittel für ihren Unterhalt. 
Führte dagegen das schlechte Verhalten der Frau 
zu ciner Trennung der Ehegatten, so mußte der 
größte Teil des Lobolo an den Ehemann zurück— 
gegeben werden, die Frau verlor Kaste, und ihr 
Vater, den die Last ihres Unterhalts jetzt uner- 
leichtert traf, litt Schaden, was sicher sein Ver- 
hältnis zu der Tochter nicht verbesserte. 
Die günstige Wirkung der Lobologebräuche auf 
das Verhalten der Ehegatten ist, was aus dem 
vorhergehenden verständlich wird, geknüpft an die 
Möglichkeit, das Lobolo je nach den Umständen 
zurückfordern zu können bzw. verlieren zu müssen. 
Die Kommission tritt deshalb auch dafür ein, daß 
der Rechtsweg zur Rückerlangung von Lobolo den 
Eingeborenen nicht verschlossen werde.!) 
Darf man also auf Grund der Erwägungen der 
Kommission zu dem Schluß kommen, daß die Lobolo- 
einrichtung für die Beziehungen zwischen den Che- 
gatten ein günstiges Element bildet, so kann man 
sich doch anderseits nicht der Einsicht verschließen, 
daß der freie Wille eines Mädchens bei der Wahl 
eines Gatten durch die Möglchteit gefährdet wird, 
daß der Vater wegen der Aussicht auf ein reiches 
Lobolo einem vermögenden Bewerber den Vorzug 
gibt und auf seine Tochter einen Zwang ausibt, 
gegen ihren Willen sich der Wahl des Vaters zu 
unterwerfen. Hier kann aber die Gesetzgebung 
helfend eingreisen, indem sie durch besondere Maß- 
regeln dem Madchen die Ausübung ihres freien 
Willens bei der Eheschließung nach Möglichkeit zu 
sichern sucht, ohne daß die Lobologebräuche selbst 
tangiert werden. Wir haben einen solchen Versuch 
des Code bereits bei der Besprechung der Che- 
schließung kennen gelernt. 
2. Stellung des Code. 
Der Code gibt keine Definition von Ukulobola, 
er erklärt zur Charakteristik des Lobolobrauches nur 
allgemein, daß die Ubergabe des Lobolo erfolgt, 
um die Cheschließung gültig zu machen?) und be- 
tont, daß der Empfänger des Lobolo oder nach 
seinem Tode der Erbe des Hauses, welcher das 
Lobolo erhalten hat, verpflichtet ist, auf Grund der 
Annahme des Lobolo die EChefrau des Lobolo- 
Gebers aufzunehmen und zu beschüten, falls die 
Umstände es erfordern.)) 
Ein Hinweis auf die Bedeutung des Lobolo 
als eines Entgelts für die Hingabe des Mädchens, 
fehlt dagegen. ) 
9 Report Scc. 308. 
2) Lobolo wird .delivrerel in validation of the 
murringe?' Secc. 170. 
3) Code, Sec. 176. 
41) JIu anderem Zusammenhange betont der Code 
(Sec. 230) noch auedrücklich, daß eingeborene Frauen 
und Müdchen in keiner Weise alds im Cigentum eines 
Mannes stehende Sachen angesehen und behandelt 
werden dürfen.
	        
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