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Der Gesetzgeber hat also die Lobologebräuche
nicht aufgehoben, aber er hat sie, worauf des näheren
einzugehen ist, modifiziert: Vor allem hat er die
Klagbarkeit der Rückforderungsansprüche aufgehoben,t)
wir erinnern uns, welche Bedeutung es nach der
Meinung der Kommission hatte, diese Ansprüche im
Rechtswege geltend machen zu können.
Diese Anordnung des Gesetzgebers steht in Zu-
sammenhang mit einer weiteren Bestimmung?) des
Code, nach welcher Eingeborene- Cheleure nicht mehr
wie früher aus eigener Macht und willkürlich die
Ehe trennen können, sondern an bestimmte im Code
aufgeführte Scheidungsgründe gebunden sind, und
nach der eine rechtsgültige Trennung der Ehe nur
nach besonderem Verfahren durch Spruch der Be-
zirksgerichte erfolgen kann.
Diese Gerichte haben durch den Code die Be-
sugnis erhalten, im Einklange mit der Beurteilung
der Schuldfrage, die Rückgabe des Lobolo, ganz
oder zum Teil in Natur oder cinem Aquivalent
anzuordnen oder das Lobolo dem Empfänger zu
belassen.3)
Die nach der Auffassung der Kommission den
alten Lobolobräuchen innewohnende Kraft eines
Korrektivs für das Verhalten der Chegatten zu-
einander ist also trotz Aufhebung der Klagbarkeit
des Rückforderungsanspruchs nicht verloren, seine
Handhabung aber dem Gericht übertragen, das über
die Schuldfrage erkennt, und den Parteien entzogen.
Damit ist zugleich manchem späteren Streit die
Grundlage entzogen, dem Kolonialen Gericht aber
ein neues, ihm bisher nicht zugängliches Erziehungs-
mittel in die Hand gegeben.
Die zweite Neuerung, die der Code bei den
Lobolobräuchen einführt, wendet sich gegen die Miß-
stände, die aus der Sucht des Vaters eines heirats-
fähigen Mädchens nach einem möglichst hohen Lobolo
entspringen können. Wir haben im vorhergehenden
Abschnitte bereits erwähnt. daß das Versprechen
eines reicheren Lobolos seitens eines der Tochter
nicht genehmen Freiers ihrem Vater Anlaß geben
könnte, einen Zwang auf seine Tochter auszuüben.
Der Code sucht hier zu bessern, indem er je nach
der Stellung des Vaters des Mädchens die Höhe
des Lobolo genau bestimmt, die Forderung oder
Hingabe eines höheren Lobolos als des gesetbzlich
bestimmten verbietet und die Konfiszierung aller
über das zulässige Maß hinaus gegebenen Lobolo-
stücke anordnet.!)) Wird hierdurch einem gegen-
seitigen Uberbieten rivalisierender Freier entgegen-
gewirkt, so wird ein habgieriger Vater auch seltener
in die Versuchung kommen, seine Tochter zu zwingen,
1) Agl. Code, Sec. 182.
2) Agl. unten den Abschnitt über Auflösung der Ebe.
3) Vgl. Sec. 168, 169. Im Falle der Nichtinkeit
einer Ehe ist das Lobolo mit allen vorhandenen Früchten
beraus zugeben. Code, Sec. 173.
4) Vgl. Code, Sec. 178 bis 180 und Scc. 10 Act 40
Of 1896 to amend the (Code.
einem reicheren Freier gegen ihren Willen vor dem
genehmeren den Vorzug zu geben.
Die genannten Bestimmungen werden im Straf-
recht des Code dadurch ergänzt, daß die Annahme
eines höheren Lobolos als des gesetzlich bestimmten
unter Strafe gestellt wird (Sec. 278).
7. Ehehindernisse.
Ehen zwischen Blutsverwandten sind bei den
Kaffern nicht erlaubt, und zwar ohne Rücksicht auf
den Grad der Verwandtschaft, dagegen ist Schwäger-
schaft kein Hindernis für eine eheliche Verbindung.
Der Code nimmt den letzteren Grundsatz insofern
auf, als er in Sec. 153 sagt: „Ein Mann darf
die Schwester seiner Frau heiraten.“") Dadurch
sind Bedenken bezüglich der Gese mäßigkeit solcher
Chen vermieden.
Weitere Bestimmungen auf diesem Gebiet hat
der Code nicht. Blutsverwandtschaft jeden Grades
wird also nach wie vor ein Chehindernis bei den
Kaffern bieten, das Eingeborenen-Recht zieht hier
engere Grenzen als das Kolonialrecht.
. Auflösung der Ehe.
1. Scheidung.
Das Recht der Kaffern ließ dem Manne volle
Freiheit, seine Frau zu verstoßen, ohne daß er
dabei auf bestimmte Scheidungsgründe beschränkt
war, oder es dazu eines gerichtlichen Verfahrens
oder der Genehmigung des Häuptlings bedurfte.
Die Frau schien eine ähnliche Freiheit zu haben,
sich von ihrem Manne zu trennen, doch sorgten die
Lobolo-Gebräuche und praktische Bedenken dafür,
daß Scheidungen nicht zu häufig vorkamen. Die
Kinder verblieben in allen Fällen dem Vater.)
Der Code hat in dieser Materie den Boden
des Eingeborenen-Rechts im wesentlichen verlassen.
Eine Eingeborenen-Ehe kann jetzt nur beim Vor-
liegen bestimmter Scheidungsgründe und auch dann
nur durch richterlichen Spruch auf Grund eines
gerichtlichen Verfahrens geschieden werden, dem ein
wiederholter Sühneversuch durch den Vater oder
Vormund der Frau und den Häuptling voraus-
gegangen sein muß.
Wird die Ehe geschieden, so hat das Gericht
in dem Urteil auszusprechen, daß die geschiedene
Frau bis zur Wiederverheiratung in die Gewalt
ihres Vaters oder seines gesetzlichen Stellvertreters
zurücktritt, und zu bestimmen, wer die Fürsorge für
1) Ugl. The Jativres of South Aftila. S. 2,
Maclean, S. 63, 115.
2) Im Roömisch-Oolländischen Recht waren Cben
zwischen Verschwägerten in auf= und abfsteigender Linie
und in der Seitenlinie bis zum dritten Grade ver-
boten. #9 züglich der Seitenlinie ist dieser Grundsat
von der kolonialen Gesetzgebung durchbrochen worden.
Val. Morice, S. 7.
3) Vgl. darüber Maclean, S. 70, 116.