Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Stand der Baumwollkelder in den Vereinigten 
Staaten von Kmerika Ende Mai 1909. 
Die statistische Abteilung des Bundesamts 
für Ackerbau in Washington hat am 4. Juni d. Js. 
den ersten ihrer Monatsberichte über den Stand 
der Baumwollfelder im Jahre 1909 (am 25. Mai) 
veröffentlicht. Wenn dieser auch noch nicht Zahlen 
von absoluter Zuverlässigkeit über Anbaufläche 
und Saatenstand bringt, diese vielmehr später 
einer Berichtigung unterzogen zu werden pflegen, 
so sieht man doch diesem ersten Berichte mit 
Spannung entgegen, weil er das Bild, das sich 
die Börse auf Grund der täglich bei ihr aus dem 
Baumwollgebiet eingehenden Witterungs= und 
sonstigen Berichte über die Aussichten der neuen 
Ernte gemacht hat, zum ersten Male zahlenmäßig 
und daher übersichtlich zu erfassen sucht. 
Der Mai ist den Baumwollfeldern so un- 
günstig gewesen wie seit langen Jahren nicht. 
In vielen Teilen des Baumwollgebiets herrschte 
bis zuletzt eine ungewöhnliche Feuchtigkeit, die 
das Wachstum von Unkraut und Gras begünstigte; 
in anderen Teilen haben Regengüsse die junge 
Saat fortgewaschen und Neupflanzungen zu einem 
späteren Zeitpunkte nötig gemacht. Alle Teile 
des Gebiets aber klagen, daß die Baumwolle im 
Wachstum rückständig ist. Am schlimmsten sieht 
es nach dieser Richtung in dem wichtigsten Baum- 
wollstaate, in Texas, aus. Die lange Dürre 
während des Winters und zu Anfang des Früh- 
jahrs verhinderte die rechtzeitige Oerrichtung und 
Bestellung der Felder; manche Teile in Teras 
hatten Ende Mai noch nicht genug Regen gehabt, 
während andere zu viel Nässe hatten. Louisiana 
leidet beträchtlich unter dem boll weevil (Kapsel- 
wurm); es ist möglich, daß in diesem Jahre der 
Schaden größer wird als früher, zumal dieser 
Staat schon drei Jahre hintereinander Fehlernten 
in Baumwolle gehabt hat. Die Farmer von 
Louisiana haben deshalb die Aupflanzung von 
Baumwolle weiter eingeschränkt und sich mehr 
dem Bau anderer landwirtschaftlicher Produkte, 
wie Mais, Reis und Zuckerrohr zugewandt, und 
es ist nicht zu leugnen, daß sie sich bei diesem 
Saatwechsel finanziell besser stehen. Der Stand 
der Pflanzen im Staate Mississippi, in dem vor- 
zugsweise Baumwolle mit langem Stapel gezogen 
wird, gibt auch zu Besorgnissen Anlaß, da un- 
gewöhnlich heftige Regengüsse große Verwüstungen 
in den Baumwollfeldern angerichtet haben. Die 
Lage ist für Käufer langstapeliger Baumwolle 
dadurch noch erschwert, daß in diesem Frühjahr 
viele Pflanzer Mississippisamen von Baumwolle 
mit kurzem Stapel eingeführt haben in der Hoff- 
nung, ihre Baumwolle dadurch früher zu Markte 
bringen zu können. Langstapelige Baumwolle 
braucht nämlich längere Zeit zur Entwicklung und 
  
ist daher mehr dem boll weevil, der am gefähr- 
lichsten im Monat Juli und August wird, aus- 
gesetzt; die kurzstapelige Baumwolle wird in dem 
warmen Boden von Mississippi aber bereits vor 
dieser Zeit reif. Alles in allem sind die Wetter- 
verhältnisse im Mai schlecht gewesen. 
Auf Grund der von Korrespondenten und 
Agenten des Bundesamts erstatteten Berichte schätzt 
dieses die diesjährige Anbaufläche auf 31 918 000 
Acker (1 Acker = 40,5 Ar) gegenüber einer solchen 
von 33.370 000 Acker im Vorjahre. Die dies- 
jährige Fläche ist nach dieser Schätzung also um 
1 452 000 Acker oder 4,4 v. H. kleiner als die 
vorjährige. Die Anbaufläche ist im Staate Missouri 
mit 90 000 Acker dem Umfange nach gleich- 
geblieben; Texas ist der einzige Staat, der bei 
einer Bepflanzung von 9 716 000 Acker gegen 
9 525 000 Acker im Vorjahr eine Zunahme (um 
2 v. H.) aufweist; in allen andern Staaten sind 
Rückgänge zu verzeichnen, am erheblichsten. 
nämlich um 30 v. H., im Staate Louisiana 
(1 155 000 gegen 1 650 000 Acker) und ebenfalls 
bedeutend und noch dazu unerwartet im Staate 
Oklahoma, wo die Bepflanzung von 2 112 000 
Acker in diesem Jahre gegen 2 640 000 Acker im 
Vorjahre eine Abnahme von 20 v. H. bedentet. 
Gerade von diesem letzteren Staate war ein starkes 
Steigen erwartet worden, aber er hat ebenso wie 
Louisiana durch den boll weevil erheblich gelitten. 
Bei den andern Staaten bewegt sich der Rück- 
gang zwischen 1 und 5 v. H. 
Der Stand der Felder wird für den 25. Mai, 
unter Zugrundelegung der Zahl 100 für einen 
normalen Stand, auf 81,1 v. H. geschätzt. Die 
Zahlen für den gleichen Tag der Vorjahre waren 
79,7 für 1908 und 70,5 für 1907, während 
nach dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre der 
Stand am 25. Mai 81,4 war. 
Der Bericht hat in Handelskreisen überrascht. 
Am Tage vorher, am 3. Juni, hatte der Financial 
Chroniele in New Vork, der die Ansichten der 
Spinner wiedergibt und ihren Interessen dient, 
auf Grund privater Nachrichten seinen Bericht 
veröffentlicht, der zwar auch für Louisiana einen 
Rückgang der Anbaufläche um 173 000 Acker 
annahm, aber doch für Teras und Oklahoma so 
erhebliche Vergrößerungen feststellen zu können 
glaubte, daß er zu einer die vorjährige Anbau- 
fläche übersteigenden Ackerzahl kam und die Fläche 
für dieses Jahr auf 33 362 000 schätzte. Den 
Stand der Felder sah auch dieser Bericht für 
besser als im Vorjahr an, wenn er auch zugab, 
daß die Pflanzen infolge der Wettereinflüsse noch 
in der Entwicklung zurück seien. Auch in New 
Orleaus hatte man sowohl hinsichtlich der Größe 
der Anbaufläche als auch hinsichtlich des Ernte- 
standes, den man auf etwa 78 schätzte, anderes
	        
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