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Wenn die Werft eingetroffen ist, dann verteilt
der Kapitän die Plätze; das Vieh muß nach der
dem Feinde abgewandten Seite hinaus getrieben
werden; Kinder und Bambusen kochen in einer
Entfernung von 1 bis 2 km die Tsamas.
Die Tsamas werden teils roh gegessen, teils
mit Wild zusammengekocht: die Kerne werden ge-
röstet und gestampft, das so erhaltene Mehl zum
Backen oder Kaffeekochen benutzt. Der Zusatz von
etwas frischer Milch nimmt dem Tsamakaffee den
unangenehmen Tintengeschmack. Das Stampfen
ist Sache der Weiber; das hierdurch entstehende
Geräusch hört man viele Kilometer weit.
Das Erste nach Eintreffen der Werft ist na-
türlich: Anzünden von Feuer. Hierzu hat der
wohlhabende Hottentott ein gekauftes Feuerzeug:
er legt etwas Zunder in die Hand; durch Zu-
sammenschlagen eines Feuersteins mit einem läng-
lichen Stahlring erzeugt er Funken, die er mit
dem Zunder auffängt. Das einmal angezündete
Feuer geht dann in dieser Werft nicht mehr aus.
Die älteren Männer setzen sich nun ums Feuer
und zünden sich die Pfeisen an. Zum Teil find
dies wirkliche Pfeifen, zum Teil Knochen, zum
Teil Blechröhren, zum Teil Zigarrenspitzen aus
Stein.
Als „Tabak“ dient alles mögliche Kraut. Selten
nur haben sie den heißbegehrten Plattentabak, der
dann wie ein Kleinod bewacht wird. Nur soviel,
als unbedingt notwendig, wird geschnitten und
sorgsam in die Pfeife gestopft. In den Pausen
zwischen den einzelnen Zügen wird die Röhre
mit einem Finger zugehalten, um ja keinen Rauch
zu verlieren.
Weiber und Kinder, die während des Marsches
das Hausgerät getragen haben, suchen inzwischen
Stangen zusammen. Die Weiber errichten kunst-
gerecht die Pontoks, die mit großen Grasbüscheln
bedeckt werden. Die Jugend schleppt Holz und
Gebüsch herbei, um Kraale zu bauen. In der
Nähe der Werft werden Fanggruben angelegt
und Schlingen und Fallen aufgestellt.
Beabsichtigt Copper längere Zeit an einem
Platze zu bleiben, dann wird auch eine Kirche
gebaut. Diese besteht aus einem länglichen Kraal,
in dem die Leute reihenweise niederhocken. Unter
einem Baum ist ein Platz zu einer Kanzel erhöht,
von wo aus Copper seinen Leuten möglichst häufig
das „Wort Gottes lehrt".
Der andere Bildner des Geistes ist Jakobus
Jaager, ein alter Witbooischulmeister. Er hat
ungeheueren Einfluß auf den Kapitän, in dessen
Nähe er sich dauernd aufhält. Seiner Lehrtätig-
keit scheint er mit großem Eifer obzuliegen; denn
unter den Copperleuten beiderlei Geschlechts finden
sich sehr viele, die Deutsch lesen und schreiben
können.
Jagd und Krieg lernt die Jugend von den
Alteren; sie wird von frühester Kindheit an dauernd
mitgenommen. Eine ganz besondere Begabung
zum Spurenlesen, zum Aufsuchen und Verfolgen
des Wildes, zum Orientieren und zum Anpassen
an das Gelände ist dem Hottentotten angeboren.
Bei den Streifzügen wird er auf jede Kleinigkeit
aufmerksam, indem er zusieht, wie die Alteren
es treiben.
Die Kriegstaktik der Copperleute ist die gleiche
wie die der anderen Hottentotten. Es kommt
ihnen hauptsächlich darauf an, Vieh abzutreiben
und in Sicherheit zu bringen. Werden sie hierbei
verfolgt, so legt sich ein Teil dem Gegner vor,
um ihn aufzuhalten, während der Rest das Vieh
weitertreibt. Ist dieses einigermaßen in Sicher-
heit, dann ziehen sich die Orlogleute zurück, um
sich an einer anderen Stelle nochmals vorzulegen.
Bei diesem dauernd wiederholten Spiel werden
sie durch das Dünengelände der Kalahari sehr
unterstützt. ·
Ein Weichen vor dem Feinde gilt bekanntlich
dem Hottentotten keineswegs als schimpflich. Im
Gegenteil! Sein Grundsatz ist, dem Feinde mög-
lichsten Schaden zuzufügen und dann so schnell
als möglich zu verschwinden.
Auch die Franzmann-Hottentotten werden
stets nur dann fechten, wenn sie zum Schutz ihrer
Werft oder des abgetriebenen Viehes dazu ge-
zwungen find; sonst werden sie stets versuchen,
rechtzeitig das Feld zu räumen.
Daß sich Copper am 16. März 1908 zum
Kampfe stellte, lag an ganz besonderen Umständen
und sicher nicht in seiner Absicht. Sollte es ge-
lingen, in Zukunft noch einmal an Copper heran-
zukommen, so wird sich stets das gleiche Schau-
spiel wiederholen: die Orlogleute werden zunächst
standhalten, bis die Werft oder ein Teil ab-
gezogen ist und dieser dann so schnell als möglich
folgen. Copper selbst aber wird stets als Erster
flüchten und lieber seinen ganzen Stamm bis auf
den letzten Mann vernichten lassen, als seine eigene
Person aufs Spiel setzen.
Wenn ein Franzmann-Hottentott heiraten will,
dann hält er, nachdem er das Jawort seiner
Erkorenen hat, bei deren Eltern an. Darauf
muß er diesen eine Zeit lang dienen, das Vieh
hüten, Felle gerben und Feldschuhe anfertigen.
Für den Hochzeitstag selbst muß er für Fleisch
sorgen. Da das Vieh geschont wird, so geht der
Bräutigam auf Jagd, um Gemsböcke zu erlegen.
Die Braut baut inzwischen unter Anleitung
älterer Frauen den neuen Pontok.
Die Zurückbleibenden verfertigen das unent-
behrliche Honigbier aus dem Honig wilder Bienen
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