Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Wenn die Werft eingetroffen ist, dann verteilt 
der Kapitän die Plätze; das Vieh muß nach der 
dem Feinde abgewandten Seite hinaus getrieben 
werden; Kinder und Bambusen kochen in einer 
Entfernung von 1 bis 2 km die Tsamas. 
Die Tsamas werden teils roh gegessen, teils 
mit Wild zusammengekocht: die Kerne werden ge- 
röstet und gestampft, das so erhaltene Mehl zum 
Backen oder Kaffeekochen benutzt. Der Zusatz von 
etwas frischer Milch nimmt dem Tsamakaffee den 
unangenehmen Tintengeschmack. Das Stampfen 
ist Sache der Weiber; das hierdurch entstehende 
Geräusch hört man viele Kilometer weit. 
Das Erste nach Eintreffen der Werft ist na- 
türlich: Anzünden von Feuer. Hierzu hat der 
wohlhabende Hottentott ein gekauftes Feuerzeug: 
er legt etwas Zunder in die Hand; durch Zu- 
sammenschlagen eines Feuersteins mit einem läng- 
lichen Stahlring erzeugt er Funken, die er mit 
dem Zunder auffängt. Das einmal angezündete 
Feuer geht dann in dieser Werft nicht mehr aus. 
Die älteren Männer setzen sich nun ums Feuer 
und zünden sich die Pfeisen an. Zum Teil find 
dies wirkliche Pfeifen, zum Teil Knochen, zum 
Teil Blechröhren, zum Teil Zigarrenspitzen aus 
Stein. 
Als „Tabak“ dient alles mögliche Kraut. Selten 
nur haben sie den heißbegehrten Plattentabak, der 
dann wie ein Kleinod bewacht wird. Nur soviel, 
als unbedingt notwendig, wird geschnitten und 
sorgsam in die Pfeife gestopft. In den Pausen 
zwischen den einzelnen Zügen wird die Röhre 
mit einem Finger zugehalten, um ja keinen Rauch 
zu verlieren. 
Weiber und Kinder, die während des Marsches 
das Hausgerät getragen haben, suchen inzwischen 
Stangen zusammen. Die Weiber errichten kunst- 
gerecht die Pontoks, die mit großen Grasbüscheln 
bedeckt werden. Die Jugend schleppt Holz und 
Gebüsch herbei, um Kraale zu bauen. In der 
Nähe der Werft werden Fanggruben angelegt 
und Schlingen und Fallen aufgestellt. 
Beabsichtigt Copper längere Zeit an einem 
Platze zu bleiben, dann wird auch eine Kirche 
gebaut. Diese besteht aus einem länglichen Kraal, 
in dem die Leute reihenweise niederhocken. Unter 
einem Baum ist ein Platz zu einer Kanzel erhöht, 
von wo aus Copper seinen Leuten möglichst häufig 
das „Wort Gottes lehrt". 
Der andere Bildner des Geistes ist Jakobus 
Jaager, ein alter Witbooischulmeister. Er hat 
ungeheueren Einfluß auf den Kapitän, in dessen 
Nähe er sich dauernd aufhält. Seiner Lehrtätig- 
keit scheint er mit großem Eifer obzuliegen; denn 
unter den Copperleuten beiderlei Geschlechts finden 
sich sehr viele, die Deutsch lesen und schreiben 
können. 
  
Jagd und Krieg lernt die Jugend von den 
Alteren; sie wird von frühester Kindheit an dauernd 
mitgenommen. Eine ganz besondere Begabung 
zum Spurenlesen, zum Aufsuchen und Verfolgen 
des Wildes, zum Orientieren und zum Anpassen 
an das Gelände ist dem Hottentotten angeboren. 
Bei den Streifzügen wird er auf jede Kleinigkeit 
aufmerksam, indem er zusieht, wie die Alteren 
es treiben. 
Die Kriegstaktik der Copperleute ist die gleiche 
wie die der anderen Hottentotten. Es kommt 
ihnen hauptsächlich darauf an, Vieh abzutreiben 
und in Sicherheit zu bringen. Werden sie hierbei 
verfolgt, so legt sich ein Teil dem Gegner vor, 
um ihn aufzuhalten, während der Rest das Vieh 
weitertreibt. Ist dieses einigermaßen in Sicher- 
heit, dann ziehen sich die Orlogleute zurück, um 
sich an einer anderen Stelle nochmals vorzulegen. 
Bei diesem dauernd wiederholten Spiel werden 
sie durch das Dünengelände der Kalahari sehr 
unterstützt. · 
Ein Weichen vor dem Feinde gilt bekanntlich 
dem Hottentotten keineswegs als schimpflich. Im 
Gegenteil! Sein Grundsatz ist, dem Feinde mög- 
lichsten Schaden zuzufügen und dann so schnell 
als möglich zu verschwinden. 
Auch die Franzmann-Hottentotten werden 
stets nur dann fechten, wenn sie zum Schutz ihrer 
Werft oder des abgetriebenen Viehes dazu ge- 
zwungen find; sonst werden sie stets versuchen, 
rechtzeitig das Feld zu räumen. 
Daß sich Copper am 16. März 1908 zum 
Kampfe stellte, lag an ganz besonderen Umständen 
und sicher nicht in seiner Absicht. Sollte es ge- 
lingen, in Zukunft noch einmal an Copper heran- 
zukommen, so wird sich stets das gleiche Schau- 
spiel wiederholen: die Orlogleute werden zunächst 
standhalten, bis die Werft oder ein Teil ab- 
gezogen ist und dieser dann so schnell als möglich 
folgen. Copper selbst aber wird stets als Erster 
flüchten und lieber seinen ganzen Stamm bis auf 
den letzten Mann vernichten lassen, als seine eigene 
Person aufs Spiel setzen. 
Wenn ein Franzmann-Hottentott heiraten will, 
dann hält er, nachdem er das Jawort seiner 
Erkorenen hat, bei deren Eltern an. Darauf 
muß er diesen eine Zeit lang dienen, das Vieh 
hüten, Felle gerben und Feldschuhe anfertigen. 
Für den Hochzeitstag selbst muß er für Fleisch 
sorgen. Da das Vieh geschont wird, so geht der 
Bräutigam auf Jagd, um Gemsböcke zu erlegen. 
Die Braut baut inzwischen unter Anleitung 
älterer Frauen den neuen Pontok. 
Die Zurückbleibenden verfertigen das unent- 
behrliche Honigbier aus dem Honig wilder Bienen 
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