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Deutsch-MNeugulnea.
Von der deutsch-holländischen Grenzexpebition.“)
Der Führer der deutschen Abteilung der Neu-
guinea-Grenzexpedition, Professor Dr. Leonhard
Schultzee, berichtet unter dem 25. Dezember v. Js.
von Rabaul aus über den Verlauf des zweiten
Abschnitts der Grenzarbeiten folgendermaßen:
Vorbereitungen.
Am Abend des 8. September verließen wir
das endgültig geräumte Lager an der Tami-
Mündung. Während der Heilgehilfe Wocke mit
den entbehrlichen Mannschaften und Expeditions-
Gütern an Bord der „Manila“ (Norddeutscher
Lloyd) zur Heimfahrt nach Rabaul ging, wurden
gemeinsam mit der vollzähligen holländischen Ex-
pedition die zur Sepik-Fahrt (Eingeborenen-
name des Kaiserin Augusta-Flusses) bestimmten
deutschen Mannschaften mit allem Ausrüstungs-
Zubehör auf dem holländischen Kreuzer „Edi“
und den Regierungsdampfern „Java“ und
„Pelikan“ eingeschifft. Zwei kleinere Fahrzeuge
„Pionier“ und „Grenzjager“ wurden in Schlepptau
genommen.
Schon die vorbereitenden Besprechungen mit
dem holländischen Führer hatten zu der Üüber-
zeugung geführt, daß ein gedeihliches Zusammen-
wirken der beiderseitigen Expeditionen nur gewähr-
leistet sein würde, wenn Ausrüstung und farbige
Menschenkräfte auf beiden Seiten in gleicher Stärke
und Güte zur Verwendung kämen. Wir waren
klar darüber, daß die Hauptmasse der bisher
verwandten Mannschaften (Kettensträflinge auf
holländischer, aus allen Teilen des Schutzgebiets
zusammengewürfelte Papua und Melanesier auf
unserer Seite) den Anforderungen einer schwierigen
Stromfahrt nach keiner Richtung gewachsen sein
würden. Denn ich rechnete von vornherein mit
der Notwendigkeit, die Dampfboote bald verlassen
zu müssen, um rudernd im Kanu dem Strom im
Oberlauf zu folgen. Unsere Schwarzen, durch die
Strapazen und Krankheiten der vorangegangenen
Expeditionsarbeiten stark geschwächt und durch
einen Nachschub unerfahrener, für eine längere
Expedition zum größten Teil überhaupt unbrauch-
barer Jungens nur minderwertig ergänzt, konnten
unter solchen Umständen, wie ich sie für eine Ge-
birgsfahrt im oberen Augustastrom in Rechnung
zog und dann auch verwirklicht fand, als Ruderer
nicht in Betracht kommen. Dazu bedurfte es
vielmehr Eingeborener, die von Haus aus Fluß-
menschen sind und bedurfte es Fahrzeuge, die für
Untiefen auf hartem Grund und für reißende
Gewässer gebaut waren. Mit unseren Booten,
*) Vgl. „D. Kol. Bl.“ 1910, S. 770, 886 f. und 992f.
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speziell dem sogenannten Flußboote, wären wir
nach den Erfahrungen auf dem Tami nicht weit
gekommen. Die Verwendung der Dajaks aus
Zentralborneo wurde jetzt zur unabweislichen
Notwendigkeit. Ich ließ also durch denselben
Offizier, der die Anwerbungen für die holländische
Abteilung vornahm, 30 Dajaks und weiterhin
13 Ternataner zur Ergänzung der Bootsausrüstung
anwerben. Mit der Möglichkeit rechnend, daß
der Strom auch für die drei Dajakboote frühzeitig
unbefahrbar werden und uns damit zu größeren
Landmärschen zwingen könnte, nahm ich noch
30 Lastträger mit; 30 Soldaten bildeten die Be-
deckung.
Auffahrt in das Grenzgebiet.
Am 10. September fuhren wir mit Sonnen-
untergang in die Sepik-Mündung ein. Nach zwei
Tagen (nachts mußte stets geankert werden) und
drei Stunden Fahrt Strom aufwärts, also am
Vormittag des 3. September, gebot der niedrige
Wasserstand der „Edi“, „Java“ und dem
„Pelikan“ halt. Das geschah in der Nähe des
Dorfes, das auf dem Kolonial-Atlas als Tscheß-
bandai verzeichnet ist. Die beiden erstgenannten
Schiffe fuhren sogleich zurück in See, der „Pelikan“
wartete noch einige Tage, um Bescheid über den
mutmaßlichen Termin unserer Rückkehr, soweit
wir uns darüber in nächster Zeit ein Urteil bilden
konnten, mitzunehmen und um Kranke fortzuschaffen,
die uns in Aussicht standen.
Es traten nun die beiden kleinen Dampfboote,
die wir bisher im Schlepptau geführt hatten, in
Dienst. Mit dem „Pionier“ und dem „Grenz-
jager“ fuhren beide Expeditionen, ohne Aufenthalt
in Tscheßbandai zu machen, weiter den Strom
hinauf. Am 19. September zwang der niedrige
Wasserstand zunächst den „Pionier“ auf ungefähr
142° östl. Länge zur Umkehr. Er nahm sech
Kranke an Bord, um sie in Eitape abzusetzen,
und trat mit der Nachricht, daß wir, wenn alles
glatt ginge, vom 20. November ab beim Dorfe
Tscheßbandai zurückzuerwarten wären, die Rück-
fahrt an.
Nachdem wir so gewissermaßen die Brücke
hinter uns abgebrochen hatten, war es unser Be-
streben, zunächst soweit als möglich, mit der
Dampfkraft des kleinen „Grenzjager“ die dicht-
besetzten Boote wenigstens teilweise — ein anderer
Teil wurde schon jetzt mit Ruderern bemannt —
vorwärts zu schleppen. Das erforderte eine
Teilung der Expedition: der Vortrupp, bestehend
aus den beiderseitigen Führern, ferner dem Haupt-
mann Sachse und Dr. Gjellerup auf hollän-
discher, Leutnant Dalhuisen und Polizeimeister
Völz auf deutscher Seite, ging mit der Hälfte der
beiderseitigen Mannschaften sieben Tagereisen wet