Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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fernung von der Station wohnenden Eingeborenen 
sich unterwerfen müssen, um ihr Produkt absetzen 
zu können. Bauern, die ihr Produkt 3 bis 4 Tage- 
märsche zur Entkörnerei tragen müssen, um dann 
kaum 5 ( für eine volle Last zu erhalten, ver- 
lieren die Lust am Anbau. Hier kann durch 
Anlage weiterer Entkörnereien, die durch fahrbare 
Wege mit der Hauptstraße verbunden sind, 
Wandel geschaffen werden. Denn nach der Ent- 
körnung wird der Weitertransport wesentlich 
leichter und billiger; die Saat, also etwa 70 v. H. 
des Gewichts der geernteten Saatbaumwolle, 
würde vorerst im Produktionsgebiet zurückgelassen 
werden müssen. 
Die Baumwollkultur muß den Eingeborenen 
mundgerecht gemacht werden; die ihr zugewandte 
Arbeit muß ihnen größere Gewinne bringen als 
der gleiche, einer anderen Kultur zugewandte 
Arbeitsaufwand. " 
Im Bezirk Kete-Kratschi stellten sich der 
schon während der letzten Jahre angestrebten 
Einführung einer Baumwollvolkskultur einige 
Schwierigkeiten entgegen. Vor allem hält es 
schwer, das auch hier nötig werdende ausgedehnte 
System von Entkörnungsanlagen und Aufkauf- 
märkten in diesem dünner bevölkerten Bezirk 
rentabel zu gestalten. Die Erfahrung in den 
übrigen Bezirken hat gezeigt, daß der Einfluß- 
radius einer Entkörnerei nur 25 km beträgt. 
Darüber hinaus wird nur wenig Baumwolle für 
den Absatz angebaut; in einer Entfernung von 
40 km hat meistens jeder Einfluß aufgehört. Die 
Bevölkerungszahl der in einem solchen Kreise 
wohnenden Eingeborenen ist aber im Bezirk 
Kete-Kratschi niedrig; erst nachdem sich diese Ein- 
geborenen der Baumwollkultur im größeren Maße 
zugewandt haben, würden die Entkörnungsan- 
lagen hinreichendes Material zur Verarbeitung 
bekommen, um das ganze Unternehmen rentabel 
zu gestalten. Während der Entwicklungsjahre 
muß demnach mit Verlust gearbeitet werden, 
wozu wohl nur gemeinnützige Unternehmungen 
bereit sein werden. 
Die von der Regierungsstation in Kete-Kratschi 
eingeleiteten Sortenversuche sind noch nicht be- 
endet. Nach den bisherigen Erfahrungen ist an- 
zunehmen, daß auch hier, wie im Bezirk Sokode, 
eine ostindische Sorte in der Volkskultur aufge- 
nommen werden wird. 
Die Einführung der Baumwollvolkskultur im 
Bezirk Mangu-Jendi, welche einen gewinn- 
bringenden Absatz von dort voraussetzt, wird erst 
möglich sein, nachdem die Bahn eine größere 
Strecke über Atakpame hinaus fortgeführt worden 
ist. Die Versuche im Bezirk Mangu-Jendi sind 
ebenfalls im Gange und werden voraussichtlich 
  
schon im nächsten oder übernächsten Jahre zur 
Bestimmung der für diesen Bezirk geeigneten 
Sorte führen. ç 
Im Jahre 1903 wurde vom Kolonial-Wirt= 
schaftlichen Komitee mit Unterstützung der Regie- 
rung eine „Baumwollschule“ in Nuatjä 
(Bezirk Atakpame) angelegt. Die Absicht war, 
hier jungen Eingeborenen praktischen Unterricht 
in der Kultur der Baumwolle zu geben, und sie 
dann als Lehrmeister zur Unterweisung der Be- 
völkerung in ihre Heimat zu entlassen. 
Schon die ersten ausgebildeten und in ihre 
Heimat zurückgesandten Schüler zeigten, daß 
dieses System nicht das richtige war. Wenn auch 
die „Lehrmeister“ einen Begriff von einer, der 
eingeborenen Pflanzmethodik überlegenen Baum- 
wollkultur erhalten hatten, so sehlten ihnen doch 
die Fähigkeiten, diese Kenntnisse auf ihre Lands- 
leute zu übertragen. Auch lag bei ihnen die 
Neigung vor, den durch ihre Stellung gewonnenen 
Einfluß bei den Eingeborenen zur Erzielung von 
persönlichem Nutzen zu verwenden. 
Das Programm der Baumwollschule wurde 
demzufolge im Jahre 1906 geändert; um den 
Leuten eine gründliche Ausbildung im Ackerbau 
zu geben, wurden die Lehrkurse auf drei Jahre“ 
verlängert. Ferner wurde im Programm vor- 
gesehen, die Leute nach erfolgter Ausbildung nicht 
mit dem Auftrage in ihre Heimat zu entsenden, 
ihre Landsleute zu belehren, sondern sie selbst 
in ihren Heimatbezirken als Ackerbauer anzu- 
siedeln. 
Bald nach Anderung des Arbeitsprogramms 
der „Baumwollschule“ erfolgte ihre Umwandlung 
in eine Ackerbauschule. Denn es hatte sich 
bald herausgestellt, daß, um eine lohnende Baum- 
wollkultur einzuführen, auch die Praxis des 
Fruchtwechsels und anderer Methoden eines 
rationellen Ackerbaus in diesem Lande erlernt 
und geübt werden müßte. Die Umwandlung der 
Baumwollschule in eine Ackerbauschule war des- 
halb eine Notwendigkeit geworden. Würde, wie 
in der Sitzung der Baumwoll-Kommission des 
Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees vom 21. No- 
vember 1910 gewünscht wurde, die Ackerbauschule 
ihre Aufmerksamkeit von den übrigen landwirt- 
schaftlichen Kulturen wieder abwenden und sich 
nur der Baumwolle widmen, so würde dadurch 
nicht nur ein großer Fehler begangen werden, 
sondern die Baumwollkultur selbst würde am 
meisten unter einer solchen Maßnahme Schaden 
leiden. 
Die Gestellung von Schülern für die Acker- 
bauschule, die Ansiedlung der ausgelernten Leute 
und ihre weitere Überwachung, überhaupt fast 
jede, außerhalb des eigentlichen Schulbetriebs
	        
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