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fernung von der Station wohnenden Eingeborenen
sich unterwerfen müssen, um ihr Produkt absetzen
zu können. Bauern, die ihr Produkt 3 bis 4 Tage-
märsche zur Entkörnerei tragen müssen, um dann
kaum 5 ( für eine volle Last zu erhalten, ver-
lieren die Lust am Anbau. Hier kann durch
Anlage weiterer Entkörnereien, die durch fahrbare
Wege mit der Hauptstraße verbunden sind,
Wandel geschaffen werden. Denn nach der Ent-
körnung wird der Weitertransport wesentlich
leichter und billiger; die Saat, also etwa 70 v. H.
des Gewichts der geernteten Saatbaumwolle,
würde vorerst im Produktionsgebiet zurückgelassen
werden müssen.
Die Baumwollkultur muß den Eingeborenen
mundgerecht gemacht werden; die ihr zugewandte
Arbeit muß ihnen größere Gewinne bringen als
der gleiche, einer anderen Kultur zugewandte
Arbeitsaufwand. "
Im Bezirk Kete-Kratschi stellten sich der
schon während der letzten Jahre angestrebten
Einführung einer Baumwollvolkskultur einige
Schwierigkeiten entgegen. Vor allem hält es
schwer, das auch hier nötig werdende ausgedehnte
System von Entkörnungsanlagen und Aufkauf-
märkten in diesem dünner bevölkerten Bezirk
rentabel zu gestalten. Die Erfahrung in den
übrigen Bezirken hat gezeigt, daß der Einfluß-
radius einer Entkörnerei nur 25 km beträgt.
Darüber hinaus wird nur wenig Baumwolle für
den Absatz angebaut; in einer Entfernung von
40 km hat meistens jeder Einfluß aufgehört. Die
Bevölkerungszahl der in einem solchen Kreise
wohnenden Eingeborenen ist aber im Bezirk
Kete-Kratschi niedrig; erst nachdem sich diese Ein-
geborenen der Baumwollkultur im größeren Maße
zugewandt haben, würden die Entkörnungsan-
lagen hinreichendes Material zur Verarbeitung
bekommen, um das ganze Unternehmen rentabel
zu gestalten. Während der Entwicklungsjahre
muß demnach mit Verlust gearbeitet werden,
wozu wohl nur gemeinnützige Unternehmungen
bereit sein werden.
Die von der Regierungsstation in Kete-Kratschi
eingeleiteten Sortenversuche sind noch nicht be-
endet. Nach den bisherigen Erfahrungen ist an-
zunehmen, daß auch hier, wie im Bezirk Sokode,
eine ostindische Sorte in der Volkskultur aufge-
nommen werden wird.
Die Einführung der Baumwollvolkskultur im
Bezirk Mangu-Jendi, welche einen gewinn-
bringenden Absatz von dort voraussetzt, wird erst
möglich sein, nachdem die Bahn eine größere
Strecke über Atakpame hinaus fortgeführt worden
ist. Die Versuche im Bezirk Mangu-Jendi sind
ebenfalls im Gange und werden voraussichtlich
schon im nächsten oder übernächsten Jahre zur
Bestimmung der für diesen Bezirk geeigneten
Sorte führen. ç
Im Jahre 1903 wurde vom Kolonial-Wirt=
schaftlichen Komitee mit Unterstützung der Regie-
rung eine „Baumwollschule“ in Nuatjä
(Bezirk Atakpame) angelegt. Die Absicht war,
hier jungen Eingeborenen praktischen Unterricht
in der Kultur der Baumwolle zu geben, und sie
dann als Lehrmeister zur Unterweisung der Be-
völkerung in ihre Heimat zu entlassen.
Schon die ersten ausgebildeten und in ihre
Heimat zurückgesandten Schüler zeigten, daß
dieses System nicht das richtige war. Wenn auch
die „Lehrmeister“ einen Begriff von einer, der
eingeborenen Pflanzmethodik überlegenen Baum-
wollkultur erhalten hatten, so sehlten ihnen doch
die Fähigkeiten, diese Kenntnisse auf ihre Lands-
leute zu übertragen. Auch lag bei ihnen die
Neigung vor, den durch ihre Stellung gewonnenen
Einfluß bei den Eingeborenen zur Erzielung von
persönlichem Nutzen zu verwenden.
Das Programm der Baumwollschule wurde
demzufolge im Jahre 1906 geändert; um den
Leuten eine gründliche Ausbildung im Ackerbau
zu geben, wurden die Lehrkurse auf drei Jahre“
verlängert. Ferner wurde im Programm vor-
gesehen, die Leute nach erfolgter Ausbildung nicht
mit dem Auftrage in ihre Heimat zu entsenden,
ihre Landsleute zu belehren, sondern sie selbst
in ihren Heimatbezirken als Ackerbauer anzu-
siedeln.
Bald nach Anderung des Arbeitsprogramms
der „Baumwollschule“ erfolgte ihre Umwandlung
in eine Ackerbauschule. Denn es hatte sich
bald herausgestellt, daß, um eine lohnende Baum-
wollkultur einzuführen, auch die Praxis des
Fruchtwechsels und anderer Methoden eines
rationellen Ackerbaus in diesem Lande erlernt
und geübt werden müßte. Die Umwandlung der
Baumwollschule in eine Ackerbauschule war des-
halb eine Notwendigkeit geworden. Würde, wie
in der Sitzung der Baumwoll-Kommission des
Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees vom 21. No-
vember 1910 gewünscht wurde, die Ackerbauschule
ihre Aufmerksamkeit von den übrigen landwirt-
schaftlichen Kulturen wieder abwenden und sich
nur der Baumwolle widmen, so würde dadurch
nicht nur ein großer Fehler begangen werden,
sondern die Baumwollkultur selbst würde am
meisten unter einer solchen Maßnahme Schaden
leiden.
Die Gestellung von Schülern für die Acker-
bauschule, die Ansiedlung der ausgelernten Leute
und ihre weitere Überwachung, überhaupt fast
jede, außerhalb des eigentlichen Schulbetriebs