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Fabrikanten zu Hause verarbeiteten sie fast nur
zu Watte und Verbandstoffen. Zum Spinnen war
ihr Stapel zu kurz und zu rauh.
Das starke Steigen der amerikanischen Baum-
wollpreise Ende 1908 lenkte das Interesse in
höherem Maße anderen Baumwollbezugsquellen
zu. Auf dem chinesischen Markte waren derzeit
Schanghai und Hankau die Hauptlieferanten. Die
dortige Ware ging aber, soweit sie nicht von
Schanghai-Spinnereien konsumiert wurde, größten-
teils nach Japan. Ihre Preislage war außerdem
für den Export im allgemeinen zu hoch, um so
mehr, als sich die Qualität andauernd verschlech-
terte. Allein der Wassergehalt stieg auf durch-
schnittlich 20 bis 25 v. H.
Demgegenüber hatte sich in Tientsin die Qualität
allmählich im ganzen gebessert. Die Baumwolle
wurde von den Bauern besser gepflegt und mit
Maschinen japanischen Modells besser als früher
gereinigt. Das sich dorthin wendende Interesse
begegnete 1909 gerade einer ausnehmend reichen
und guten Ernte, welche die Hauptvorzüge des
Tientsiner Produkts, geringen Wassergehalt, weiße
Farbe und gleichmäßigen Ausfall, besonders her-
vortreten ließ. Damit war dieser Ware eine gute
Aufnahme gesichert, nachdem sich besonders die
Spinnereien zu Hause auch auf die Verarbeitung
eines kurzstapeligen Produkts eingerichtet hatten.
Die Ausfuhr nahm einen schnellen Aufschwung,
wie die nachstehenden Zahlen zeigen:
1905 1906 1907 1908
Pikuls 11649 10634 7933 3824
Taels 189 887 212 680 150 727 68 832
1909 1910
Pikuls .--x* 145 627
Taels. . 489 740 etwa 2 600 000
Im Jahre 1911 sind in den ersten fünf
Wochen bereits 50000 Pikuls exportiert worden.
Bis zum Ende dieser Saison werden aus der
vorigen Ernte noch mindestens 50 000 Pikuls
hinzukommen. Der bedeutend größere Anbau der
kommenden Saison wird voraussichtlich auch grö-
ßere Quantitäten dem Markte zuführen, so daß
das Jahr 1911 die Vorjahre noch bedeutend
überflügeln wird.
Die auf dem Tientsiner Markte gehandelte
Baumwolle kommt vornehmlich aus der Gegend
von Paoting und Cheng ting (Südwest-Chili) bis
nach der Grenze von Honan hin. Ein weiteres
Produktionsgebiet ist die Gegend von Techou und
Lienchen an der Tientsin— Pukow Bahn, nahe der
Shantung-Chili-Grenze gelegen. Im Vergleiche
zu der Paotingware ist die dort gezogene Baum-
wolle besser in der Farbe sowie weicher und seidiger
anzufassen. Ein bedeutend kleineres Produktions-
gebiet, das erst in diesem Jahre für den Export
hervorgetreten ist, ist die Gegend um Tongshan.
Die dortige Baumwolle wird scheinbar in der
Pflanze sehr gut behandelt, ist von sehr schöner
weißer Farbe, seidigem „touch“ und Aussehen,
sowie längerem, aber etwa „mosigem“ Stapel.
Die Baumwolle wird aus einheimischen Samen
gezogen. Die in der Techougegend wie überhaupt
in der Shantungprovinz gemachten Versuche mit
amerikanischer Saat haben sich nicht bewährt.
Die amerikanische Pflanze verliert durch Akklima-
tisierung schon nach wenigen Saisons ihre charak-
teristischen Eigenschaften, besonders ihren langen
tapel.
Sehr förderlich sind dem Export die für die
Produktionsgebiete günstigen Eisenbahnverbindun-
gen gewesen. Hervorzuheben ist besonders die
Tientsin—#Pukow-Bahn, die dem bisherigen Wasser-
verkehr auf dem Kaiserkanal einen nennenswerten
Teil des Baumwollentransports bereits entzogen
hat. Der Wettbewerb von Tsingtau ist für den
Handel Tientsins noch wenig fühlbar gewesen,
wenn auch die Bahnverbindung an sich einen
solchen Wettbewerb nur natürlich erscheinen ließe-
Tsingtau bleibt aber zunächst noch dadurch be-
nachteiligt, daß dort keine Pressen existieren und
deshalb die höheren Frachten nach Schanghai ins
Gewicht fallen.
Von der Tientsiner Pröduktion wird ein ver-
hältnismäßig geringer Teil im Großbetriebe ver-
arbeitet. Die einzige Fabrik der nördlichen Pro-
vinzen ist die Kuang yih-Spinnerei in Chang te
fu (Honan). Sie arbeitet mit einem nominellen
Kapital von 1 200 000 Taels, wovon 800 000
Taels durch Ausgabe von Aktien à 100 Taels
aufgebracht sind. Mit 25000 Spindeln produziert
sie täglich bei 20 stündiger Arbeitszeit etwa 70 Ballen
à 320 Kätties. Bei rund 300 Arbeitstagen be-
läuft sich also die Jahresproduktion auf 21 000
Ballen. Der Herstellungspreis pro Ballen beträgt
etwa 68 Taels, während der übliche Verkaufs-
preis sich auf wenigstens 90 bis 100 Taels stellt.
Es werden 1200 Arbeiter beschäftigt. Die Ma-
schinen sind von Brooks und Doxey, Manchester.
Die Fabrikate finden schlanken Absatz. Die Nach-
frage wird kaum gedeckt. Zur Erweiterung fehlt
es an Betriebskapital. Man versucht fremde
Geldgeber heranzuziehen. Bis jetzt hat die Banque
de l'Indo Chine verschiedentlich Geld vorgeschossen.
Die Aussichten des Unternehmens erscheinen günstig.
Das Hauptabsatzgebiet der Tientsiner Baum-
wolle ist der europäische Kontinent, an erster Stelle
Deutschland. Besonders in den Spinnereien
des Königreichs Sachsen wird sie in größeren
Mengen verarbeitet. Sonst herrscht auch im
Rheinland und in Westfalen Nachfrage danach.
Ferner geht die Baumwolle nach Rußland, Ober-
italien, Osterreich und Frankreich. Auch England
konsumiert einen kleinen Teil, verlangt aber einen