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doch an sich nur etwas sehr allgemeines und lässt eine Fülle
von Modifikationen des’ staatlichen Verhaltens gegenüber den
minderberechtigten Nationalitäten zu. Natürlich kann dies Ver-
halten auch zeitlich wechseln, ohne dass damit dem allgemeinen
Prinzipe der Staatssprache Eintrag zu ‚geschehen braucht: so
wird eine humane Politik Volksbestandteile fremder Nationalität,
die erst kürzlich durch Annexion an einen Nationalstaat gelangt
sind, zunächst rücksichtsvoller behandeln, um dann vielleicht mit
der Zeit eine entschiedenere Angliederung an das Volkstum des
annektierenden Staates zu unternehmen. Den Kern unseres
Themas treffen wir daher erst mit der nunmehr zu erörternden
Frage: was bedeutet für das Königreich Preussen die Tatsache
der deutschen Staatssprache und wie weit geht in Preussen die
nationale Minderberechtigung der nichtdeutschen Idiome? Da
es bisher im wesentlichen Aspirationen des polnischen Volkstums
gewesen sind, die in dieser Hinsicht Anlass zu prinzipieller
Meinungsverschiedenheit gegeben haben, so werden sich auch die
folgenden Ausführungen auf die Darlegung des Rechtsverhält-
nisses beschränken, in dem sich speziell die polnische Sprache
seit dem Untergang des selbständigen polnischen Reiches zur
deutschen Staatssprache Preussens befunden hat und noch be-
findet.
“ Hierbei können wir die Epoche der polnischen Teilungen
und die Napoleonische Zeit übergehen, denn während dieser 40
Jahre hat das polnische Chaos keinerlei feste Regierungsmaximen
nach der Seite des Sprachenrechts ermöglicht. Erst der Wiener
Kongress schuf aus Teilen des ehemaligen Herzogtums Warschau
die Provinz Posen und stellte den östlichen Besitz der preussi-
schen Monarchie in seinem seither gleich. gebliebenen Bestande
fest. Nun konnte man auch daran gehen, die Verbindung der
polnischen Gebietsteile mit dem Gesamtstaate durch Organisa-
tionen zu gewährleisten, die auf Dauer berechnet waren ®. Durch
3° Vgl. zum Folgenden H. von TREITSCHKE, Deutsche Geschichte .im-