Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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mußten dann, soweit sie von der Bauleitung 
wegen dieser Übergriffe nicht heimgesandt wurden, 
mit freiwilligen Arbeitern ihre Arbeit leisten. 
Gemäß der oben angezogenen Vereinbarung 
und des Vertrages war die Sorge für die ärzt- 
liche Behandlung der beim Bahnbau beschäftigten 
Europäer und Eingeborenen Sache der Unter- 
nehmerin. Zur Ausübung der Krankenpflege 
hatte sie in der ersten Zeit einen, nachher zwei 
Bahnärzte und einen weißen Heilgehilfen an- 
gestellt. Die Kranken wurden in Krankensammel- 
stellen untergebracht, die nach Möglichkeit in den 
Schwerpunkten der weit auseinander liegenden 
Arbeitsschächte eingerichtet wurden und natur- 
gemäß mit dem Fortschreiten der Bahnarbeiten 
immer weiter nach Norden vorrückten. Nach den 
Bestimmungen sollten alle neu ankommenden 
Bahnarbeiter geimpft werden. Durch die üÜber- 
wachung der Trinkwasser= und Nahrungsmittel- 
frage der Arbeiter, sowie durch die sanitäre 
Fürsorge an der Strecke ist es gelungen, die 
Krankheits= und Sterblichkeitsziffer im allgemeinen 
niedrig zu halten, wenngleich in mehreren 
Monaten, besonders in der Regenzeit, beide 
Zahlen nicht unbedeutende Größen erreichten. 
Der Grund hierzu mag der gewesen sein, daß 
die aus den Nordbezirken stammenden Arbeiter 
beim Bahnbau veränderten Lebensbedingungen 
unterworfen und infolge der kühleren und nassen 
Umgebung durch kleinere Erkältungskrankheiten 
leichter weiteren Erkrankungen zugänglich gemacht 
wurden. 
Als Bahngelände wurde beiderseits der 
Bahnachse ein Streifen von 50 m Breite er- 
worben. Der Grunderwerb machte keine Schwierig= 
keiten. Die Landeigentümer gaben in den meisten 
Fällen das zum Bahnbau erforderliche Gelände 
unentgeltlich her. 
Auf der gesamten, etwa 162 km langen 
Neubaustrecke mußten einschließlich der Herstellung 
der Bahnhöfe etwa 900 000 chm Boden bewegt 
werden, so daß auf das m Bahnstrecke durch- 
schnittlich etwa 5,6 chm Erdbewegung entfallen. 
Die Erdarbeiten zur Herstellung des Bahnkörpers 
wurden teilweise von Hand und teilweise unter 
Verwendung von Kippwagen, die auf Arbeits- 
gleisen von Eingeborenen bewegt wurden, aus- 
geführt. Bei Festlegung der Linienführung wurde 
nach Möglichkeit darauf gesehen, daß die Massen 
größerer Einschnitte sich einigermaßen mit denen 
der anschließenden Dämme deckten. Wo das 
nicht möglich war, wurden größere Dämme durch 
Seitenentnahme von Hand oder durch Kippwagen- 
betrieb hergestellt. 
Um an Erdarbeiten zu sparen, wurden bei 
den Einschnitten da, wo feste Bodenarten bis zur 
Grabensohle reichten, steilere Böschungen zu- 
  
gelassen, als die Bauvorschriften fordern. Da 
die häufig angetroffenen, in ganz verschiedener 
Mächtigkeit vorhandenen Raseneisensteinschichten 
indes nur selten bis Grabensohle reichten, konnte 
von der Anordnung steilerer Böschungen (1: 1/5) 
nur wenig Gebrauch gemacht werden. Die 
eltener vorkommenden Felseinschnitte gestatteten 
senkrechte Wände und Anlage eines nur ein- 
eitigen Entwässerungsgrabens, natürlich unter der 
Vorbedingung einer guten Schotterbettung. 
Für den Transport der Arbeitsgleise, Arbeits- 
wagen und Gerätschaften beim Umziehen der 
Erdschächte, sowmie der Baumaterialien für die 
Brückenbauten kam die in verschiedener Ent- 
fernung von der Bahnlinie neben dieser her- 
laufende Landstraße Lome —Atakpame sehr zu- 
statten. Die Arbeitsgleise wurden auf von Ein- 
geborenen gezogenen Lastwagen befördert, die 
Kleinwagen, mit Gerätschaften bepackt, von Arbeitern 
gezogen. 
Der Umstand, daß durch die Linie sehr viele 
Wasserscheiden geschnitten wurden, machte eine 
große Anzahl von Bauwerken nötig. Durch 
Linienverlegungen hätte sich dieser Nachteil kaum 
herabmindern lassen. Die lichten Weiten der 
Bauwerke wurden auf Grund örtlicher Beob- 
achtungen nach Möglichkeit in Regenzeiten gemein- 
schaftlich vom Eisenbahnkommissar und der Bau- 
leitung festgelegt. Insgesamt wurden außer zahl- 
reichen Rohrdurchlässen 85 Bauwerke in Gestalt 
von Plattendurchlässen, gewölbten Brücken und 
Brücken mit eisernen Überbauten erforderlich. 
Wegen ihrer geringeren Unterhaltungskosten wurde 
Beton= oder Steinbauten da der Vorzug gegeben, 
wo nur geringe Durchflußweiten notwendig waren, 
und zwar in der Form von Plattendurch- 
lässen und gewölbten Brücken. Bauwerke von 
6 m Lichtweite und mehr erhielten eiserne Über- 
bauten. 
Größere Brücken wurden bei fünf Flüssen 
notwendig, und zwar verlangte die Überbrückung 
des Schio zwei Stromöffnungen von je 25 m 
in km 17,5 und eine gleich große Flutöffnung 
in km 18,4, die des Haho in km 76,1 eine 
Offnung von 40 m, die des Chraflusses in 
km 122,8 eine ebensolche, die des Amu in 
km 143 eine Offnung von 50 und eine von 
30 m und endlich die des Amutschu in 
km 147 eine Offnung von 50 m Lichtweite. 
Als Trägersystem wurde überall der Parallel= 
träger mit abgeschrägten Endfeldern angewendet. 
Mit geringen Ausnahmen wurden die Platten- 
durchlässe, gewölbten Brücken und die Widerlags- 
und Pfeilerkörper der Brücken mit eisernen Über- 
bauten aus Bruchsteinmauerwerk ausgeführt. Der 
überall an der Bahnlinie oder in ihrer Nähe 
auftretende Gneis lieferte ein gutes und wetter- 
 
	        
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