Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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nun, wo denn der „Mami“ eigentlich wohne. 
Darauf wurde mir eine der in dem ersten Kraal 
liegenden größeren Hütten bezeichnet. Als ich 
nun mein Erstaunen über den merkwürdigen 
Empfang äußerte, belehrte mich der bei mir be- 
findliche Trompeter, daß ich zuerst Lager beziehen 
und dann meine Ankunft anzeigen müsse. Dann 
werde ein Mganua") erscheinen, der mich zum 
Mami führen würde; dieser werde darauf meinen 
Besuch erwidern. Ich zog jedoch vor, dem Sultan 
sagen zu lassen, daß ich seinen Besuch in meinem 
Lager erwartete. Er erschien denn auch bald 
darauf in Begleitung seines ältesten Bruders 
Seruschanya sowie sonstiger Verwandter und 
einer großen Anzahl Leute. 
Sultan Mutaga mag jetzt etwa sechzehn 
Jahre zählen. Er macht im allgemeinen einen 
recht sympathischen, aber auch recht scheuen und 
schüchternen Eindruck. Gesprochen hat er während 
der Unterredungen, die ich mit ihm oder vielmehr 
mit seinem Bruder Seruschanya an den drei 
Tagen meines Aufenthalts in Igikanda hatte, 
kaum ein Wort. Am Nachmittag nach meiner 
Ankunft besuchte ich ihn in seinem Lugo (Kraal). 
Auf einem eingezäunten Platz ist in der Mitte 
der Platz für das Vieh; dort stehen auch die 
Hütten für die Hirten und für die Kälber. An 
zwei Seiten, in kleinen abgetrennten Höfen und 
einander auf etwa 50 Schritt gegenüber, stehen 
zwei größere sauber gebaute Hütten, eine für 
den „Mami“, die andere für seine Mutter. Ich 
traf Mutaga mit seinem Bruder Seruschanya in 
der Hütte seiner Mutter und lernte dort diese 
kennen. Sie macht einen noch recht jugendlichen 
Eindruck, hat ansprechende Züge und scheint eine 
recht resolute Dame zu sein. 
Was ich aber sonst zu sehen bekam, hat 
eigentlich meine Erwartungen und die Vorstel- 
lungen, die ich mir über den Hof des Ober- 
sultans von Urundi gemacht hatte, ziemlich ent- 
täuscht. Bei den Unterredungen, die ich mit 
Mutaga bzw. mit seinem Bruder Seruschanya 
hatte, zeigte es sich auch wieder, wie gering der 
politische Einfluß des sog. „Mami“ ist. Von 
der Ausübung einer Regierungsgewalt durch ie 
ist auch nicht im entferntesten die Rede. 
wird als der Inhaber einer durch Tradition . 
heiligten Einrichtung anerkannt, er erhält auch 
den ihm zustehenden Tribut (Masimano), aber 
iim übrigen kümmert man sich wenig oder gar 
nicht um ihn und würde sich sehr wundern, 
wenn er etwa irgendwo mal befehlend oder 
sonstwie einzugreifen sich gestattete. Ich habe das 
Gefühl, als ob von Mutaga und Seruschanya 
auch gar kein Wert darauf gelegt würde, irgend- 
*) Angehöriger einer besonderen Adelskaste. 
auslbt, 
  
eine Regierungsgewalt auszuüben. Ihre einzige 
Sorge besteht darin, daß sie ihr Masimano er- 
halten und daß die Betreffenden durch dessen 
Überreichung zeigen, daß sie sich noch als zur 
Sippe gehörig betrachten. Letztere, d. h. die Fa- 
milie der Waganua, ist es, die die Herrschaft 
aber jeder einzelne in seinem Bereiche 
für sich. Der „Mami“ ist lediglich so eine Art 
„Lama“, den sie nach ihren Traditionen nun 
einmal haben müssen, der sich aber um ihre 
eigentlichen Angelegenheiten nur insoweit zu 
kümmern hat, als sie es für gut befinden. 
Ikiganda war auch einer der Sitze des Vaters 
Mutagas, des verstorbenen Muesi Kisabo, und 
derjenige Punkt, wo er seinerzeit gelegentlich 
der Expedition des Hauptmanns v. Beringe ge- 
fangen worden war. Der Platz wurde daher 
von den Waganua lange gemieden und erst vor 
kurzem wieder durch den jetzigen Mami bezogen. 
Ein Kranz mächtiger Milumbabäume bezeichnet 
den Platz, wo ehemals Muesi Kisabo refßidierte. 
Sultan Mutaga wechselt von Zeit zu Zeit seinen 
Wohnsitz zwischen Ikiganda und Inbuye 
(Issaga, nördlich des Muwarasi). 
Nachdem ich, soweit möglich, mit Seruschanya 
ins reine gekommen war, trat ich am 15. De- 
zember den Rückmarsch nach Usumbura an. 
Das Ergebnis der Reise, die zum großen 
Teil durch noch wenig oder gar nicht berührte 
Gebiete geführt hatte, war recht lehrreich. Wie 
bereits erwähnt, ist die politische Machtbefugnis 
des Obersultans, des „Mami“, recht unbedeutend. 
Er unterliegt vollkommen dem Einfluß einer 
Sippe, nach deren Wünschen er sich zu richten 
hat. Dafür genießt er einige rein äußerliche 
Ehrenbezeugungen. Die politische Organisation 
bietet das Bild eines ziemlichen Durcheinanders, 
so daß man von einer Organisation eigentlich 
überhaupt nicht sprechen kann. Die Einteilung 
des Landes ist gänzlich systemlos; häufig findet 
man Watuale, die verschiedene räumlich weit ge- 
trennte Landschaften im Besitze haben. Der 
innere Zusammenhang ist recht lose, an vielen 
Stellen besteht zwischen zwei benachbarten Watuale 
Todfeindschaft, die sich auch auf die Untertanen 
erstreckt und meist einen Fall von Blutrache als 
Ursache hat. Aber selbst wo eine direkte Feind- 
schaft nicht besteht, wagen die Leute der einen 
Landschaft sich nicht in eine benachbarte, aus 
Furcht, totgeschlagen zu werden. 
Manchmal kommt es auch zu offenen Feind- 
seligkeiten und bewaffneten Zusammenstößen, die 
aber meist unblutig oder mit nicht nennenswerten 
Verlusten verlaufen und meist in einem gegen- 
seitigen kräftigen Geschimpfe bestehen, wobei hüben 
und drüben auch einige Pfeile abgeschossen werden,
	        
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