fullscreen: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

526 Paul Heilborn. 
ob der Eintritt in das Gebiet freiwillig oder unfreiwillig erfolgt. Die Herrschaft über den Fremden 
gründet sich auf dessen Aufenthalt im Gebiet; sie endigt mit ihm. Der Fremde wird als sub- 
ditus temporarius bezeichnet. In seinem Gebiet herrscht der Staat allein; deshalb kann die 
Personalhoheit des Heimatstaats nur mit Bewilligung des Aufenthaltstaats unmittelbar aus- 
geübt werden. Deshalb geht die Territorialhoheit vor. Für Heimatlose ist sie allein maßgebend. 
Fremden Staatsangehörigen gegenüber wird sie durch die Verpflichtung zum Schutz der Person 
und ihrer Rechte beschränkt. Der Fremde ist der Rechtsordnung des Aufenthaltsstaats Gehorsam 
schuldig und genießt deren Schutz. Er ist dem Inländer aber nicht völlig gleichgestellt. 
1. In den allgemein menschlichen Verhältnissen bildet die Gleichstellung gegenwärtig 
die Regel; denn die Staatsangehörigkeit ist bei ihnen nebensächlich, so in Straf-, Privat= und 
Prozeßrecht. Doch kommen auch hier Unterschiede vor: die privatrechtliche Rechts- und Hand- 
lungsfähigkeit wird, wie erwähnt, oft nach dem Heimatrecht beurteilt; manche Staaten schließen 
die Ausländer vom Erwerb des Grundeigentums aus; Untersuchungs- und Personalhaft sind 
in weiterem Umfang als bei Inländem zugelassen; der Fremde muß dem Inländer Sicher- 
heit für die Prozeßkosten leisten, wenn er eine Klage gegen ihn erheben will. Vgl. jedoch das 
Haager Abkommen über den Zivilprozeß vom 17. Juli 1905 (RGl. 1909 S. 410). — Die Gleich- 
stellung erstreckt sich ferner auf die allgemeinen Lasten: Abgaben, Steuern, Einquartierung, 
Hilfeleistung bei Unglücksfällen, Teilnahme an Zwangsgenossenschaften. Verträge sichern den 
Ausländem die Niederlassungsfreiheit, den Handels- und Gewerbebetrieb, neuerdings auch 
die Teilnahme an der Arbeitewersicherung meist unter den nämlichen Bedingungen wie den 
Inländerm. Schließlich genießen sie in der Mehrzahl der Staaten freie Religionsübung. 
2. Von der Teilnahme am politischen Leben sind die Fremden dagegen ausgeschlossen. Die 
Rechte und Freiheiten der Staatsbürger stehen ihnen nicht oder nur mit Einschränkungen bzw. 
widerruflich zu: Wahlrecht, Vereins-, Versammlungs-, Petitions- und Preßfreiheit. Ebensowenig 
liegen ihnen die staatsbürgerlichen Pflichten ob: Militär-, Gerichts= oder sonstiger Staatsdienst. 
II. Das Betreten und Verlassen des Gebiets. Der Mensch hat oft ein 
erhebliches Interesse am Betreten des fremden Staatsgebiets, am Verweilen auf ihm. Dieses 
Privatinteresse ist als berechtigt und schutzbedürftig anerkannt, soweit ihm nicht das öffentliche 
Interesse des fremden Staats entgegensteht. Das Staatsinteresse kann Ab- und Ausweisung 
aus folgenden Gründen gebieten: 
1. Wegen der Gefahr der Einschleppung von Seuchen; in der Regel genügt eine Quaran- 
täne und Zurückweisung der nachweislich Kranken. Uber Sanitätskonventionen vgl. Ullmann 412, 
Liszt 245, Reinsch a. a. O. 57 ff. 
2. Wegen der Persönlichkeit der einzelnen Fremden: Hilflose, Unbemittelte, Verbrecher, 
Vagabunden, Huren, Zuhälter, die politisch „Lästigen“, d. h. Personen, welche durch politische 
Agitation die Sicherheit des Aufenthaltstaats oder sein Verhältnis zu einem anderen Staat 
gefährden, ohne sich strafbar zu machen. 
3. Die Eigenart des Staatswesens ist unverträglich mit der Ansammlung größerer Massen 
von Ausländern einer bestimmten Nationalität. Hier kommt es zu Massenausweisungen: im 
Kriege Ausweisung der Untertanen des Gegners. Ferner Ausweisung der nichtpreußischen 
Polen aus Preußen 1886. 
Rechtswidrig ist dagegen die Ab-- bzw. Ausweisung des Fremden zur Verhinderung des 
wirtschaftlichen Wettbewerbs, zum Vorteil der einheimischen Konkurrenz. Auch hier Gleich- 
stellung der Fremden mit den Staatsbürgern in wirtschaftlichen, Ungleichheit in öffentlichen 
Verhälmissen! Die Verhinderung der Chineseneinwanderung in den Vereinigten Staaten 
seit 1894 scheint auch den wirtschaftlichen Wettbewerb einschränken zu sollen. 
Am freiwilligen Verlassen des Staatsgebiets darf der fremde Staatsangehörige nicht 
gehindert werden, es sei denn, daß ein Strafverfahren gegen ihn schwebt, oder daß er noch Ver- 
pflichtungen zu erfüllen hat. Willkürliche Zurückhaltung wäre Verletzung der Person in ihrer 
Freiheit. Der Abziehende darf sein Hab und Gut frei von jeder Nachsteuer mitnehmen. 
III. Der Güter-= und Verkehrsschutz. Mit dem Interesse am Betreten des 
fremden Staatsgebiets geht Hand in Hand das an Ein-, Durch- und Ausfuhr von Waren sowie
	        
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