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fehl gehen werde??. Ist man ihrer weniger sicher, so bringt
man die Reziprozität als Bedingung der Rechtswirkung in den
Tatbestand hinein, wie das in den erwähnten $$ 102, 103 des
Strafgesetzbuchs geschehen ist. So wird die Art und Weise, in
welcher man internationalrechtlich Zugeständnisse macht, zum
(sradmesser, wie sicher man auf die Reziprozität bauen zu können
glaubt. Im Ergebnis aber bedeutet es verschiedenes, ob die
Gewährung des Gegenrechts nur eine Erwartung des Gesetzge-
bers war, oder ob sie als Element des aufgestellten Tatbestandes,
als Voraussetzung für die Rechtswirkung erscheint. Nur in
diesem Falle stellt sie einen Rechtsbegriff dar ?°®.
4. Immerhin bieten die bisher namhaft gemachten Fälle nur
sporadische Verwertungen des Gegenseitigkeitsgedankens bei sol-
chen Beziehungen zum Ausland, bei denen das nationale Recht
sein Interesse an unbedingter Verwirklichung seiner selbst ver-
neint?®, Ausgebreiteter gilt er in den Teilen des internationalen
Rechts, die von Haus aus und vereinbartermassen die Verhält-
nisse zu anderen Staaten regeln sollen, d. h. vor allem in Staats-
verträgen. Und unter diesen wiederum in besonderem Masse in
den Auslieferungskonventionen. Sie sind durch-
setzt und durchzogen von der Reziprozität, so dass es im inter-
nationalen Recht kein zweites Gebiet gibt, wo sie in gleicher
Weise entwickelt und ausgebildet wäre. Das Auslieferungsrecht,
die Regelung eines Rechtshilfeverfahrens, das seiner Natur nach
?? Siehe über die heutige Rechtslage in dieser Beziehung VERCAMER
p. 115.
23 Da in den wissenschaftlichen Arbeiten — auch denen des Ausliefe-
rungsrechts — diese verschiedenen Bedeutungen der Reziprozität nicht aus-
einandergehalten werden, so muss bei ihnen der Zusammenhang ergeben,
welche von den beiden gemeint ist. Von der Gegenseitigkeit als dem Zweck
einer eingeräumten Vergünstigung ist z. B. die Rede bei LAMMASOH in der
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Bd. 3 S. 400; SCHÖNFE-
MANN S. 18, 19; BinpinGg, Handbuch S. 592; TravAcLıa S. 444; BEAUCHET
p. 4, 12, 143, 491; DAuLuoz, traite international no. 270 und sonst vielfach.
?* Vgl. die Bemerkungen von TRIEPEL S. 421, 436.