Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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genommen, daß jede Familie reichlich Palmwein 
trinkt. Die gemachten Beobachtungen bestätigen 
den reichlichen Konsum von Palmwein in der be- 
suchten Gegend. Die Anwendung von anderen 
berauschenden Mitteln, wie z. B. Rinde gewisser 
Bäume, ist unbekannt. Da eine Olpalme ohne 
Schaden an ihrem Zuwachs und ihrer Ertrags- 
fähigkeit nachhaltig Palmwein liefert und 1 bis 
2 Liter Mimbo mit 25 Pf. bezahlt werden, so 
kann besonders bei der verhältniemäßig unschäd- 
lichen Wirkung des reinen Palmweins nicht von 
einer Schädigung der Gesundheit der Eingeborenen 
oder von einer Vernichtung wirtschaftlicher Werte 
die Rede sein. Einen Einfluß auf die Palmöl-= 
und Palmkerugewinnung im ganzen hat die 
Mimbogewinnung in diesem an Olpalmen über- 
reichen Gebiete zweifellos nicht. Das Fällen von 
Olpalmen zum Zwecke der Mimbogewinnung muß 
selbstverständlich verboten bleiben und in den- 
jenigen Bezirken noch verboten werden, in denen 
ein solches Verbot noch nicht besteht. 
Die großen Werte, die in den Reservatwal- 
dungen der Dorsschaften zwischen dem unteren 
Mungo und Wuri aufgespeichert sind, können nur 
bei angestrengter Arbeit der Dorsschaften und 
unter ständiger Anleitung und Kontrolle 
durch Europäer nutzbar gemacht werden. Die 
Gefahr besteht, daß innerhalb der Dorsschaften 
Streitigkeiten ausbrechen werden, sobald der erste 
Eifer verraucht und nach Meinung der Einge- 
borenen eine Gefahr durch Verpachtung nicht 
mehr droht. In diesem Falle, und besonders, 
wenn sich die Kräfte der Eingeborenen zu schwach 
erweisen sollten, halte ich es für ein Recht und 
auch für die Pflicht des Gouvernements, die 
Palmenbestände an europäische Interessenten zu 
verpachten. Die Palmenbestände bilden das 
eigentliche Vermögen der Dorfschaften; deshalb 
muß auch deren Bewirtschaftung unter die Kon- 
trolle des Gouvernements fallen, die der Fiskus 
ja über die Vermögensverwaltung kraft seines 
Oberaufsichtsrechts ausübt. Diese Bewirtschaftung 
der Palmenwaldungen kann bei den bestehenden 
Verhältnissen sachgemäß nur durch spezielle Auf- 
sicht von Forstbeamten durchgeführt werden. Ein 
Nichtausnutzen der Palmenbestände würde einer 
Verschleuderung des Vermögens der Dorsschaften 
gleichkommen, denn enropäische Firmen würden 
aus den jetzt minderwertigen Waldungen hoch- 
wertige ertragreiche Bestände schaffen. Hinsichtlich 
der Verwertung der Walderzeugnisse wird den 
Dorsschaften freie Hand gelassen werden müssen, 
sobald sie ihrer Verpflichtung der Schlag= und 
Bestandspflege nachgekommen sind. Ich wieder- 
hole aber meine Befürchtung, daß bei der Un- 
einigkeit der Dorfleute unter sich, dem Fehlen 
einer ständigen Kontrolle und technischen Betriebs- 
  
aufsicht, der bestehenden Gleichgültigkeit des Negers 
hinsichtlich der Kapitalsanlage und der Bedürfnis- 
befriedigung die in Frage kommenden Waldungen 
niemals den technisch vollkommenen Zustand der 
bereits in Nutzung genommenen Europäerwal- 
dungen und damit deren große Erträge erreichen 
können. Die Praxis muß zeigen, ob der ein- 
geschlagene Weg der richtige ist. Zweifellos wäre 
der Neger bei Aufbietung seiner Kräfte und bei 
gemeinschaftlichem Vorgehen imstande, die ihm zu 
seinem eigenen Vorteil gestellten Aufgaben durch- 
zuführen. Die Bedenken, die von ihm gegen die 
Bewirtschaftung seiner sämtlichen Palmenwal- 
dungen geltend gemacht werden, wie Mangel an 
Arbeitskräften oder Aushagerung des Bodens, 
sind hinfällig. Jede Dorfschaft hat soviel arbeits- 
fähige Arme, daß im Laufe der Jahre die ganzen 
Dorsschaftswaldungen in extensive Pflege genommen 
werden können. Die befürchtete Anushagerung 
des Bodens tritt bei dem dichten Bestandsschlusse 
der Palmen nicht ein; es besteht im übrigen bei 
der überreichen Zumessung von Land an die Ein- 
geborenen niemals die Gefahr, daß sie ihre 
Wechselwirtschaft nicht weiter betreiben können. 
Als ich das Gebiet verließ, waren die Ar- 
beiten der Schlagpflege und der Bestandsreinigung 
im vollen Gange. Etwa 700 bis 800 Mann 
waren damit beschäftigt, das Unterholz aus jenen 
Palmenbeständen herauszuschlagen, die am nächsten 
der Bahn oder an Wegen oder an schiffbaren 
Flüssen liegen. Die stärkeren zwischen= oder 
oberständigen Waldbäume werden durch Ringeln 
oder Rümpfen zum Absterben gebracht. Die Ver- 
dünnung zu dichter Anwüchse erfolgt gleichzeitig 
mit der Reinigung der Bestände, bei welcher im 
allgemeinen die schlechtwüchsigen Eremplare her- 
ausgenommen werden. Bedacht genommen wird 
auf richtigen Pflanzenabstand in der Weise, daß 
7 zu 7 m eine Palme stehen bleibt, sobald der 
Bestand im mittleren Alter steht, während der 
Pflanzenabstand enger gehalten wird, solange 
noch keine Stammbildung erfolgt ist. Die Reini- 
gung der Palmen selbst erfolgt durch Abschlagen 
der dürren Blattstümpfe dicht am Stamm, durch 
Entfernen der dürren und halbdürren Blätter 
und der Lianen, Flechten, Moose und Schma- 
rotzerpflanzen, die sich meist durch Ubertragung 
von Vögeln in der Krone der Palme angesiedelt 
haben. Man kann nach den bisher durchgeführten 
Feststellungen hinsichtlich der aufstehenden Palmen- 
bestände sagen, daß nach erfolgter Schlag= und 
Bestandspflege 40 v. H. der Fläche von voll- 
tragenden Palmen und je 30 v. H. von Mittel- 
hölzern und von Jungwüchsen bestockt sind. Die 
Auslichtung der unterdrückten Exemplare und 
Umlichtung der dominierenden Stämme wird 
zweifellos die Fruchterzeugung wesentlich steigern.
	        
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