Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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auch nur mittelbare Einwirkung auf die Gesetzgebung 
nicht gegeben. 
Zwischen den gesetzlichen Bestimmungen der 
„Colony' und des zugehörenden „Protectorate“ setzt 
dann, dank dem Anschlusse des letzteren an die „Co- 
lony’' mit Hilfe der in der Person des Gouverneurs 
gegebenen Personalunion, gleichmäßig fortschreitend 
mit der wirtschaftlichen Entwicklung der verschiedenen 
Gebiete ein langsamer Umwandlungs= und Verschmel- 
zungsprogeß ein, der die wirtschaftlich einheitlichen 
Gebiete auch zu einer rechtlichen Einheitlichkeit zu 
führen bestrebt ist. So werden die für die Gold Coast 
Colony erlassenen Gesetze schrittweise auch auf Ashanti 
und Northern Territoriecs ausgedehnut, so sind die 
Gesetze von „Colony and Protectorate of Lagos“ 
schon nach Möglichkeit mit denen des „Protectorate 
of Southern Nigerin’' verschmolzen worden, so wird 
schließlich die bevorstehende Vereinigung von Süd= und 
Nord-Nigerien auch für diese beiden Gebiete allmählich 
eine größere Cinheitlichkeit bringen. 
Innerhalb des Geltungsbereiches der in den ver- 
schiedenen Gebieten selbst entstandenen gesetzlichen Be- 
stimmungen gilt wieder der Grundsatz, daß sie ohne 
Ansehen der Rasse auf Meiß und Schwarz Anwendung 
finden. Dies hat naturgemäß dagu führen müssen, 
daß eine Reihe von Bestimmungen auf die durch die 
Eingeborenen-Bevölkerung gegebenen besonderen Ver- 
hältnisse haben zugeschnitten werden müssen. Wo aber 
auch dies nicht ausreichte, griss man zum Erlaß von 
für die Eingeborenen allein gültigen Sonderbestim- 
mungen. 
Die Schwierigkeit, die verschiedenen Kulturstusen 
der einzelnen Gebiete zu berücksichtigen, ist m. E. in 
sehr glucklicher Weise durch die bei größeren Verord- 
nungen fast regelmäßig wiederkehrende Regel behoben, 
daß dem Gouverneur die Befugnis eingeräumt wird, 
den örtlichen Geltungsbereich zu bestimmen. Hier- 
durch wird erreicht, daß in der Fassung des Paragra- 
phen das zu erstrebende Ziel bekanut gegeben wird, 
während gleichzeitig die Verschiedenartigkeit der ört- 
lichen Verhältnisse je nach dem vorhandenen Stand 
der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung Be- 
rücksichtigung finden kann. Wesentlich komplizierter 
ist die Durchführung jenes Prinzips auf sachlichem 
Gebiete. Sie ist nur durch Einfügung der verschieden- 
sten Eingelbestimmungen, die theoretisch zwar auch für 
Weiße Geltung haben, in Praxis aber nur für Far- 
bige in Betracht kommen, ermöglicht. Die vom rassen- 
politischen und deutsch-kolonialen Standpunkt aus mir 
am wichtigsien und interessantesten erschienen, mögen 
hier neben den für Eingeborene erlassenen Sonder- 
bestimmungen, dem Eingeborenen-Recht im eigentlichen 
Sinne, wiedergegeben werden. Um für das einzelne 
Gebiet das Bild einheitlich zu gestalten, empfiehlt es 
sich hierbei, die fraglichen Bestimmungen nach Län- 
dern getrennt zusammenzustellen. Hieraus werden sich 
daun die Grundsätze der englischen spezgiellen Eingebo- 
renen-Politik finden lassen. 
III. 
Das Eingeborenenrecht der Goldküste. 
A. Verwaltungsrecht. 
lber die Mitwirkung von Eingeborenen bei der 
allgemeinen Gesetzgebung der „Colon“ im „.Legisla- 
tire Council“" ist oben schon gesprochen worden. Da- 
neben ist ihnen auch in der „Colony“ die gesetzliche 
Regelung einer großen Anzahl der inneren Angelegen- 
heiten ihres Dorfes oder ihrer Landschaft überlassen. 
Die Häuptlinge werden in erheblichem Umfange in 
der Verwaltung verwendet. Sie sind für die Erhal- 
  
tung des Friedens und der Ordnung innerhalb ihres 
Landschafts= oder Ortschaftsbezirks verantwortlich, 
haben für die Ausführung der Gesetze und Anordnun- 
gen der Gerichte zu sorgen und sind gehalten, alle 
Verbrecher zu ergreifen und sie dem .District Com- 
missioner“ vorzuführen. Die Oberhäuptlinge der 
Landschaften haben die Befugnis, unter Zuziehung 
ihrer Unterhäupllinge und Altesten, wie das das 
Stammesrecht jeweils vorschreibt, bye laws“, d. h. 
Landschaftsgesetze zu erlassen. Als Gegenstände, mit 
welchen diese sich befassen dürfen, werden in dem An- 
hang zur „Native Jurisdiction Ordinance“ (Nr. 5/37 
und 7/10) folgende beispielsweise aufgeführt: 
1. Bau, Unterhaltung und Pflege der Weege, 
Quellen, Wasserläufe und Badeplätze. 
2. Aufsicht über das nicht in Besitz genommene 
Land und Schutz des MWaldes. 
3. Schutz und Erhaltung der Grenzzeichen und 
Zäune. 
4. Regelung der öffentlichen Fischerei. 
5. Verhütung der Jagdunfälle. 
6. Verhinderung groben Unfugs (nuisance). 
7. Beseitigung des Busches im Umkreise der Ort- 
schaften. 
8. Regelung des Begräbniswesens. 
9. Regelung des Bergbaubetriebes. 
10. Unterdrückung des Kults der Fetische, die 
Ubeltäter schützen oder Leuten, die Angaben über Ver- 
brechen machen, Schaden zusügen können. 
11. Unterdrückung obszöner Gesänge, Redensarten 
und Tänze und Überwachung und Unterdrückung von 
Gesellschaften, deren Zusammenkünfte oder Tätigleit 
unheilvoll oder demoralisierend wirken. 
12. Schutz vor Zwang auf die Erziehung und Aus- 
bildung der Kinder. 
13. Anbau, Pflege und Ernte von landwirtschaft- 
lichen und wirtschastlichen Produkten und Bekämpfung 
von Schädlingen. 
14. Verbot von Glücksspielen. 
Für die Verstöße gegen diese „bye laws“’ koönnen 
Vermögensstrafen bis zu k 5,— und zwei Schafen und 
für jeden Wiederholungsfall, aber nicht öfter wie ein- 
mal die Woche, eine Geldstrase bis zu L 1,— und im 
Unvermögensfall Oaft bis zu 1 Monat verhängt wer- 
den. Damit ist die unmittelbare Regelung der Mehr- 
zahl der gewöhnlichen internen Bedürfnisse eines Ein- 
geborenen-Verbandes — es sehlen wohl nur noch das 
Abort-und das Marktwesen — in die Hünde der Stammes- 
autorität gelegt, und in einer großen Anzahl von 
Landschaften sind hiernach „bye laws“ geschaffen 
worden, die einzelne oder mehrere jener oben ange- 
führten Gegenstände betreffen. Das Gouvernement 
sichert sich seine Autorität dadurch, daß zunächst einmal 
die Wahl und die Einsetzung eines Oberhäuptlings oder 
Häuptlings der Bestätigung durch den Gouverneur be- 
darf (vgl. The Chiefs Ordinance Nr. 4/04), und daß 
scrner für die zu erlassenden „bye laws' die Zustim- 
mung des Gouverneurs notwendig ist. Des weiteren 
ist der Gouverneur befugt, die Häuptlinge wegen Miß- 
brauchs der Amtsgewalk oder Unsähigkeit ihrer Amter 
zu entsetzen. Anderseits wird ihre Stellung dadurch ge- 
schützt, daß Klagen gegen die Häuptlinge aus deren 
Handlungen, die sice in gutem Glauben auf ihre ver- 
meintliche Zuständigkeit und Berechtigung getan haben, 
nicht zugelassen sind (vgl. § 22 und 19 der Ocdd. 
Nr. 7/10), und daß die Erhaltung des besonderen 
Häuptlingsvermögens ausdrücklich gesetzlich geschützt ist 
(vgl. The Stool Property Detention Ordinance 
Nr. 11/01). Die Aufgabe der Häuptlinge, die Wege 
instand zuhalten, hat noch durch die Roads Ordi- 
nance Nr. 13/94 ihre allgemeine gesetzliche Regelung 
gesunden. Die betreffenden Wege werden durch den
	        
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