Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

W 1004 e 
egen Erwachsene vor und verbietet ebenfalls die 
örperliche Züchtigung gegenüber Frauen ganz. Die 
Höchstzahl der Hiebe ist für die Rutenstrafe auf 20, 
lr die Prügelstrafe auf 21 Hiebe festgesetzt. Gegen 
Jugendliche kann das Gericht nach freiem Ermessen in 
jedem Falle auf körperliche Züchtigung ertennen, gegen 
Erwachsene ist sie nur in bestimmten Fällen zulässig, 
nämlich — ich gebe die englischen Tatbestandsbezeich- 
nungen wieder, da eine erakte Übersetzung zum Teil 
kaum möglich ist — bei: 
Damaging work of Art 
Carnal knowledge of girls under ten 
FEscape from prison 
Extortion by threat 
monus crime 
Garotting 
Gross indecency 
Indecent assault 
Endangering train on Railway 
Rape 
Robbery with violencc 
Unnatural offences 
Endangering versel. 
Außerdem ist sie in der Truppe und im Gesängnis- 
betrieb als Disziplinarstrafe zulässig. In der Truppe 
ist ein Unteroffizier vor Vollzug der gegen ihn er- 
kannten Strafe aus dem Truppenverbande auszu- 
stoßen (vgl. § 48 der W'iestafrican Frontier Force 
Ord. Nr. 8/09). Beim Vollzug der Prügelstrafe wird 
der Angeschuldigte mit ausgebreiteten Armen auf ein 
schräges Gestell gebunden. Geschlagen wird von der 
Seite über die Schulterblätter. Doch erkennen die 
Gerichte verhältnismäßig sehr selten auf die Strafe 
des „fiogging“. 
Nach dem Wortlaut des Strafgesetzbuches kann 
die körperliche Züchtigung auch gegenüber Weißen An- 
wendung finden. Die Ausführungsbestimmungen be- 
sagen jedoch, daß der Verurteilte in jedem Falle dem 
Arzt zur Untersuchung vorzuführen ist, ob er nach 
seiner körperlichen Beschaffenheit in der Lage ist, die 
Züchtigung auszuhalten. Ich glaube annehmen zu 
sollen, daß kein englischer Arzt einen Curopäer, an 
dessen Körper das ungewohnte Klima schon sowieso 
die höchsten Anforderungen stellt, als zur Ertragung 
einer derartigen Strafe fähig bezeichnen wird. Damit 
bleibt auch hier trotz der im Gesetz vorgesehenen glei- 
chen Behandlung der Rassen der Unterschied zwischen 
ihnen gewahrt. 
Ganz besonderer Sorgfalt erfreut sich in den eng- 
lischen Kolonien das Gefängniswesen (vgl. The bPri- 
sons Ord. Nr. 9/76). Die Staatsgefängnisse, die ich 
besuchte — in Jamestown (Accra), Warri und Lokoja 
— befanden sich in ganz vorzüglicher Verfassung, so- 
wohl was die Untertunftsverhälinisse, als auch die 
Aus= und Weiterbildung der Gefangenen in Hand- 
werken aller Art anbetrifft. Dabei herrschte in ihnen 
eine ausgezeichnete Disziplin. Unter den zugelassenen 
Diseziplinarstrafen wirkte die Anwendung der unpro- 
dultiven Arbeit etwas veraltet. Es sind noch # shott- 
dril!! — d. h. der Gesangene muß eiserne oder 
steinerne Kugeln eine bestimmte Anzahl von Malen 
bis zur Brusthöhe emporheben und wieder hinlegen 
und „Crank' — eine Winde, deren Achse so fest ge- 
schraubt wird, daß sie sich bei größter Anspannung 
noch gerade drehen läßt, ist bestimmte Male zu 
drehen — zugelassen. Außerdem sind Einzelhaft, 
cventuell verbunden mit in Eisenlegen lleg irons), 
Kostverkürzung und körperliche Züchtigung zulässig. 
Daneben findet das zwar sehr viel Schreibarbeit er- 
fordernde, aber erzieherisch äußerst günstig wirkende 
„Jlarksstem'“ Anwendung. Den Gefangenen, die zu 
länger als zwei Jahren verurteilt sind, wird jeder 
OIl accusation of infa- 
  
Tag mit 6 Punkten berechnet. Hat jemand z. B. 800 
Tage zu sitzen, so hat er 4800 Punkte zu erreichen. Er 
kann nun durch Fleiß und ordentliches Betragen es 
dahin bringen, daß ihn jeder Tag mit 8 Punkten be- 
wertet wird und er also schon im günstigsten Falle 
nach 600 Tagen seine Punktzahl 4800 und damit seine 
Entlassung erhält. Umgekehrt werden ihm von den 
bereits erworbenen Überschußpunkten für schlechte 
Führung usw. wieder einige abgezogen. Die Durch- 
führung dieses Systems erfordert naturgemäß eine 
genaue Überwachung der Gesangenen und eine peinlich 
genaue Buchführung. Nun haben die englischen 
Staatsgefängnisse sämtlich mindestens einen besonde- 
ren Gefängnisaufseher, und die Schreibarbeit wird 
meist von Gesangenen besorgt. 
Eine Ankettung der Gefangenen erfolgt nur nach 
wiederholtem Fluchtversuch. 
Neben diese allgemeinen Gerichte treten nun kraft 
besonderer Verordnungen für die niedere Gerichtsbar- 
keit die eigentlichen Eingeborenen-Gerichte, die „Na- 
tive Trihunals'“’. Nach der Cold Coast Natire 
Jurisdiction Ordinance Nr. 5/83 abgeändert durch 
Nr. 7/10 unterstehen ihrer Gerichtsbarkeit alle Per- 
sonen, die nach Stammesrecht oder auf Grund einer 
Verordnung Mitglied einer Eingeborenen-Gemein= 
schaft sind. Hiernach unterstehen ihnen die Syrer nicht. 
Bei den Mulatten kommt es darauf an, ob der Be- 
treffende noch als zum Landschafts= oder Familien- 
Verbande gehörend anzusehen ist oder nicht. Die 
Eingeborenen-Gerichte werden durch die Oberhäupt- 
linge und Dorfhäuptlinge mit ihren Altesten nach 
Stammesrecht mit örtlicher Zuständigkeit für den je- 
weiligen Landschaftsbezirk gebildet, und zwar nach 
der neuen Verorduung bezeichnenderweise schon in 
jeder Landschaft, während die frühere Verordnung 
noch dem Gouverneur die Bestimmung ihres Anmel- 
dungsbereiches vorbehielt. Sie sind zuständig, sofern 
beide Parteien Eingeborene sind, oder diejenige Par- 
tei, die nicht Eingeborener ist, sich schriftlich der Zu- 
ständigkoit des Gerichtes unterwirft. Dies sollen hin 
und wieder auch Europäer tun, die z. B. in sogenannte 
Weiber-Palaver verwickelt sind und das Bekanntwerden 
der Sache in der Offentlichkeit vermeiden wollen. So- 
bald der Fiskus irgendwie an dem Prozeß beteiligt 
ist, sind die Native Tribunals niemals zuständig. In 
sachlicher Beziehung ist ihre Zuständigkeit gegeben 
1. in Zivilsachen: 
a) für alle Ansprüche mit einem Streitgegenstand 
im Wert bis zu 7 Oz. Gold oder ## 25,—: 
b) für alle Klagen um Eigentum oder Besitz 
von Land: 
c) für alle Erbansprüche mit einem Gegenstand 
im Werte bis zu 14 Oz. Gold oder # 50— 
d) für alle Chescheidungsklagen von Personen, die 
nur nach Stammesrecht geheiratet haben; 
e) für alle Prozesse, die die Vaterschaft über un- 
eheliche Kinder und die Vormundschaft über 
Kinder betreffen. 
2. in Strassachen: ½* 
a) für alle Verstöße gegen die für die Landschaft 
geschaffenen „bye laws“: Z 
b) für die sonstigen geringfügigen Straftaten, die 
nach Gesetz oder Gewohnheitsrecht mit nicht 
mehr als höchstens ##5.— Geldstrafe oder 
3 Wochen Gefängnis zu bestrafen sind; 
Jc)für eine ganze Anzahl weiterer im Anhang 
der Verordnung im einzelnen aufgeführten 
Straftaten, die sich aus dem Leben und Trei- 
ben der Eingeborenen unter sich ergeben. 
Erwähnung verdienen die Androhung von 
Strase für Ungehorsam gegenüber Häuptlings- 
befehlen und der besondere Schutz der Häupl= 
linge gegen Angriffe aller Art.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.