Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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dem Anmarsch der Erpedition von Osten nach 
Westen war es nicht möglich, einen Führer durch 
das Batwa-Gebiet zu bekommen, und die Er- 
pedition wurde unter allerlei Ausflüchten im 
großen Bogen herumgeführt, weil die Leute 
fürchteten, auf dem Rückwege der Rache der 
Batwa zum Opfer zu fallen. Ein intelligenter 
Eingeborener aus Nord-Ruanda sagte, als er 
über den Ursprung der Zwerge befragt wurde, 
folgendes: „Einst gab es nur drei Männer in 
Ruanda. Der eine ging in das Pori, um zu 
jagen. Von ihm stammen die Batwa. Der 
andere grub Eisen, machte eine Hacke und be- 
baute das Land. Das war der Vater der Wa- 
hutu. Der dritte nahm zwei Stöcke und hütete 
die Rinder. Von ihm stammen die Watussi." 
Der Expedition gelang es leider nicht, mit 
den Zwergen Fühlung zu nehmen. 
Ostlich vom Batwa-Pori ist das Gebiet in 
der bergigen Grenzzone wieder dicht bevölkert. 
Nicht nur die Täler sind allenthalben bebaut, 
auch auf den Hängen und auf den Rücken sind, 
wo es der Boden gestattet, Felder angelegt, auf 
denen die Kultur der Bohne, der süßen Erbse 
und der Batate und auch in geringem Grade 
die von Getreide (Sorghum) betrieben wird. 
Während die Bohnenfelder gut gereinigt werden, 
wächst die Erbse auf grobgehacktem ungereinigten 
Boden, zwischen kniehohem Gras, dessen sie an- 
geblich als Stütze bedarf und um bei starker 
Sonne nicht zu vertrocknen. Die genannten Feld- 
früchte müssen einen großen Nährwert besitzen, 
denn sie bilden in Form von Brei (ugali) und 
Spinat angeblich die ausschließliche Nahrung der 
Eingeborenen, der Bergwahutu, die groß und 
muskulös gebaut sind. Rinder findet man bei 
ihnen gar nicht und nur einen geringen Bestand 
an Kleinvieh, der zur Beschaffung der Fellkleidung 
und zum Tauschhandel dient. 
Das Bergschaf hat dasselbe glatte Fell, wie 
ihn das Schaf in den heißen Niederungen der 
Kolonie zeigt. Das rauhe Klima, das nachts 
Temperaturen von wenigen Märmegraden, zu- 
weilen Eisbildung mit sich bringt, hat zwar nicht 
wollebildend gewirkt, verspricht aber guten Erfolg 
für Aufkreuzung. Auch Hühner gibt es nur 
wenig; diese werden angeblich nur zum Zwecke 
der Wahrsagerei gehalten, um bei Erkrankung 
der Menschen aus ihren Eingeweiden die Art- 
der Krankheit zu erkennen. Die Wahutu sind 
eifrige Bienenzüchter, besonders in der Nähe der 
Papyrussümpfe. Bei dem geringen Baumbestand 
von Ruanda behelfen sie sich mit künstlichen, aus 
Papyrusstengeln und Mörtel hergestellten Bienen- 
stöcken, die sie in der Nähe der Sümpfe und der 
Dörfer, nahe dem Erdboden, anbringen. 
Vegetabilien, Felle und Bienenwachs sind 
  
also die Artikel, die den Eingeborenen hier zur 
Zahlung der Steuern befähigen werden. 
An den Rändern des Gebirges, etwa von 
dem umfangreichen Bergstock Kawimbiri beginnend, 
macht sich der Einfluß der Watussi geltend. Eine 
größere Watussi-Gruppe unter dem Sultan Kaneia 
bewohnt die Hügel in der Grenzzone der Land- 
schaft Mpororo, die eine mittlere Höhenlage von 
etwa 1300 m hat. 
Riesige, nach Tausenden zählende Rinder- 
herden weiden auf den ausgedehnten, leicht- 
gewellten, mit gutem Gras bestandenen Hoch- 
ebenen. Die Watussi, die angeblich nilotischer 
Abstammung sind, leben von der Milch ihres 
Viehes. Von den Wahutu erhalten sie für Milch 
bzw. Viehnutzung die nötige vegetabilische Nab- 
rung. Sie selbst treiben keinen Ackerbau und 
halten körperliche Arbeit für entwürdigend: Ihre 
Kultur steht daher wohl noch auf demselben 
Standpunkte, auf dem sie sich zur Zeit des allen 
Testaments befand. Es sind hohe, überschlanke 
Erscheinungen. Lediglich ihrem reichen Viehbeis 
verdanken sie es, wenn sie über einen großen 
Teil der Berg-Wahutu eine Art biblisch-patriarcha- 
lischer Herrschaft durch vorgeschickte Vervweter 
(Watuale) ausüben. Kriegerische Eigenschaiten 
besitzen sie gar nicht, und sehr richtig hat der 
Resident von Ruanda sie in dieser Hinsicht mit 
dem Worte „Schafleder" charakterisiert. Bei einem 
Aufstande ist von den Watussi deshalb nichts zu 
befürchten, als ihr Einfluß auf die Wahutu, die 
nur einer Anregung bedürfen, um ihre kriegerischen 
Eigenschaften zu entfalten. Besonders gilt dies 
von den Wahutu, die den nunmehr nördlich der 
Grenze liegenden, Rukigga genannten, gebirgigen 
Teil der Landschaft Mpororo bewohnen. Tas 
Land ist ein Zufluchtsort für die von Süden aus 
dem deutschen, von Norden aus dem englischen 
Gebiet kommenden aufsässigen, der Verwaltung 
entronnenen, aushetzerisch wirkenden Elememee. 
Bei den Wahutu spielt die Blutrache eine groze 
Rolle. Wenn, wie es häufig der Fall ins, 
Schwarze, die in kleinen Trupps die Wahum- 
Gebiete passieren, abgespeert werden, so liegt far 
immer ein Akt der Blutrache vor, die sich ihre 
Opfer sucht, wo und wie sie kann. Hierdurck 
erklärt sich auch wohl die sonderbare Erscheinung, 
daß Täler, die nur durch einen Höhenzug von- 
einander getrennt sind, miteinander in Feindschan 
liegen, so daß der Führer trotz hoher Lohnvet: 
sprechung umkehrt. Auch die englische Grenz- 
expedition hatte darunter zu leiden. Verschiedene 
ihrer Boten und auch ein englischer Az#kan 
wurden in Rukigga getötet. 
Auf deutscher Seite verlief die Expedition im 
allgemeinen völlig friedlich. Die Träger um 
Arbeiter, 150 Mann, und die Askaris des Le-
	        
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