Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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crörtert worden. Die indische Regierung ist in jedem 
Jahre mit Versuchen zur Verbesserung der Baumwolle 
beschäftigt, aber bedentende Erfolge sind bisher noch 
nicht erzielt worden. Von wie großer Bedeutung eine 
Verbesserung der Baumwolle unter Umständen sein 
kann, kann man daraus ersehen, daß nach Urteilen von 
Sachverständigen die Baumwollernte Indiens auf dem 
bisher bereits bepflangten Arcal um 20 bis 25 v. H. 
vermehrt werden könnte. Einer Ausdehnung der Baum- 
wollanpflangungen in größerem Umfang sind gewisse 
Grenzen insofern gesetzt, als es nicht wünschenswert 
ist, daß andere für die Ernährung der Bevölkerung 
notwendige landwirtschaftliche Produkte durch Baum- 
wolle verdrängt werden. Man hat aber berechnet, 
daß selbst ohne der Aupflanzung dieser Produkte Ein- 
trag zu tun, der Ertrag der Baumwolle in Indien 
verdoppelt werden könnc. 
Die Mittel, durch die man eine Verbesserung der 
Baumwolle herbeizuführen sucht, sind hauptsächlich die 
Einführung fremder. langstapeliger Baum- 
wolle, die Beschaffung guter reiner Saat und 
die Errichtung von Einkaufsagenturen für die 
besseren Lnalitäten. 
Die Anpflan zung von amerikanischer und 
ügyptischer Baumwolle muß nach den bisher ge- 
machten Erfahrungen auf nur gut bewässerte Distrikte 
beschränkt bleiben. Diese langstapelige Baumwolle ge- 
deiht zwar auch in einigen nicht bewässerten Gegenden, 
aber sie ist hier im allgemeinen nicht lohnend. Der 
Aubau der einheimischen Baumwolle ist hier für 
den Baner vorteilhafter, da diese eine verhältnismäßig 
größere Menge Baumwolle beim Egrenieren ergibt 
und der Ertrag pro Acre größer ist. Zudem erfordert 
diese Baumwolle weniger Mühe und Aufmerksamkeit. 
Die Ausdehnung der fremden langstapeligen Baumwoll- 
sorten ist vor allem eine Frage der Ausdehnung der 
Bewässerungsaulagen. Waos die Lnalität der in Indien 
angeyflan zien amerikanischen Baumwolle anbelangt, so 
ist diese nach Berichten der egierung meist recht gut 
andogefallen. Sic soll im allgemeinen der Sorte - Aill- 
lling American gleichkommen und zuweilen sogar besser 
sein. Aus hiesigen NRaufmannskreisen hört man da- 
gegen, daß diese Baumwolle für den Handel nicht von 
Wert gewesen sei, die Käufer in Europa hätten sie der 
amerikanischen Baumwolle doch nicht gleichwertig er- 
achtet und hätten nicht angemessene Preise dafür be- 
zahlen wollen. 
Eine weitere Verbesserung der Baumwolle sucht 
man durch möglichst billige und ausgedehnte Abgabe 
von Saatgut zu erreichen, das auf besonderen Ver- 
sucho#ftationen gezogen wird. Diese Versuchsstationen 
werden großtenteils von der Regierung geleitet, jedoch 
haben sich in der letzten Zeit verein zelt auch größere 
und intelligente Bauern zur Gründung von kleinen 
Versuchsstationen zusammengetaun, um sich gute Saat 
zu verschaffen. Nach einigen Berichten sollen die 
Bauern für die augverlesenen Saaten auch vielfach schon 
Verständnis haben, was daraus hervorgeht, daß sie 
oft höhere Preise dafür zu zahlen bereit sind. Eine 
große Schwierigkeit liegt darin, die Saaten auch rein 
zu erhalten. Da die Baumwolle überall nur im RKlein- 
betriebe angebaut wird und die vorhandenen von der 
Regierung verteilten Saaten noch nicht sehr bedeutend 
sind, so findet meist eine Mischung mehrerer Sorten 
statt. Diesem Ubelstande kann nur durch eine größere 
Ausdehnung der Saatzüchtereien abgeholfen werden. 
Alle diese Versuche zur Verbesserung der Baum- 
wolle können nur dann Erfolg haben, wenn dem 
indischen Bauern, der an sich schon für Neuerungen 
schwer zu haben ist, ein höherer Preis für das ver- 
besserte Produkt zugesichert wird. zu er- 
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Um dies 
  
reichen, ist die Errichtung von Einkaufsagenturen 
befürwortet worden, die einmal den Bauern eine Prämie 
für sein besseres Produkt gewährleisten und die besseren 
Produkte vor Vermischung mit schlechteren Sorten be- 
wahren sollen. In dieser Beziehung ist im letzten 
Jahre auch ein Versuch gemacht worden, indem mehrere 
Mitglieder der Bombayer Alillowners Associntion- 
ein Syndikat gegründet und sich verpflichtet haben. die 
bessere Baumwolle mit 5 bis 6 v. H. Ausschlag anzu- 
kaufen. Sie haben zu diesem Zwecke eine Agentur in 
der Nähe von Surat zum Ankauf der Baumwolle und 
zur Uberwachung der Gewinnung derselben errichtet. 
Das Resultat war deshalb nicht besonders günstig. 
weil die Ernte in den in Frage kommenden Gebieten 
infolge sehr geringen Regens ziemlich schlecht ausfiel. 
Das Syndikat hat infolgedessen nur Verluste gehabt. 
Die Versuche werden in diesem Jahre fortgesetzt. 
In den Kreisen der Bombayer Baumwollerporteure 
steht man der Verbesserung der indischen Baumwolle 
sehr skeptisch gegenüber. Die Schwierigkeit aller Ver- 
besserung liegt vor allem darin, daß die indische Baum- 
wolle nicht von großen Unternehmern auf großen 
Plautagen, sondern von den indischen Bauern im RKlein- 
betriebe angebaut wird. Zede neue Methode stößt 
dadurch besonders bei der Indolenz des indischen Bauern 
und seiner Abneigung gegen Neuerungen auf groszen 
Widerstand. Die vorgeschlagenen Versuche könnten 
deshalb nur dann Erfolg haben, wenn die Regierung 
mit sehr hohen Geldsummen die Bestrebungen unter- 
stüten würde. Aber es erscheint selbst zweifelhaft, ob 
solche Geldopfer auch wirklich den erhofften Nunen 
bringen würden. Denn wenn auch die Jualität der 
indischen Baumwolle in größerem Umfang verbessert 
würde, so würde sie wahrscheinlich doch immer von 
der amerikanischen abhängig bleiben und nur dann 
gute Preise erzielen, wenn die amerikanische Baum- 
wolle infolge schlechter Ernten knapp und tener wärc. 
(Bericht des Raiserl. Konsulats in Bombay.) 
Der Baumwollmarkt Aoyptens 1911/12.-) 
Die Baumwollernte 1911 hat aquantitativ ein 
viel höheres Resultat ergeben, als vorhergesehen. 
Dies ist in erster Linie dem in den späten Ernte- 
monaten herrschenden sehr warmen Wetter zu 
verdanken, das eine große Anzahl von Kapseln, 
mit denen man nicht mehr gerechnet hatte, zum 
Offnen brachte. Die Qualität dieser spätreifen 
Baumwolle ließ zu wünschen übrig, wie es über- 
haupt als Merkmal der Ernte 1911 gelten kann, 
daß die mittleren und niedrigen Klassen über- 
wogen, während es an guter und namentlich an 
Ertra-Qualität im allgemeinen fehlte. Letzteres 
gilt im besonderen Maße von „Afifi“, dessen 
stetige Degeneration seit einigen Jahren eine be- 
kannte Tatsache ist. Die Spinnerei wendete sich 
deshalb zur Erzeugung der sonst aus Afifi her- 
gestellten Garne immer mehr der „Nubari“= und 
„Sakelaridis“-Baumwolle zu. Sakelaridis wird 
vor allem wegen seines sehr langen, seidigen und 
festen Stapels sehr geschätzt; diese Eigenschaften 
sollten dieser Varietät noch viel mehr Absatzquellen 
als bisher erschließen. 
—.. 
*) Ugl. „D. Kol. Bl.“ 1912, S. 262f.
	        
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