Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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Aus praktischen Rücksichten wird es sich hierbei 
empfehlen, unsere Diskussion zunächst auf das- 
jenige Gebiet zu begrenzen, in welchem das 
Kreditbedürfnis am meisten, jedenfalls aber am 
lautesten sich geltend gemacht hat: Südwest- 
afrika. 
Nur einige allgemeine Bemerkungen möchte 
ich hier gleich anknüpfen: 
Bei der Frage nach der Kreditorganisation 
muß, wie der Herr Referent schon hervorgehoben 
hat, unterschieden werden zwischen Personalkredit 
und Roalkredit. 
Der Personalkredit dürfte in allen unseren 
Kolonien im wesentlichen eine ausreichende Be- 
friedigung finden durch die in den Kolonien 
seitens der deutschen Großbanken ins Leben ge- 
rufenen Bankinstitute, die Deutsch-Ostafrikanische 
Bauk, die Handelsbank für Ostafrika, die 
Deutsche Afrika-Bank, die Westafrikanische Bank, 
die Deutsch-Asiatische Bank, sowie durch die 
bankgeschäftliche Tätigkeit der großen kolonialen 
Gesellschaften und Handelsfirmen. Klagen nach 
dieser Richtung sind, wie der Herr Referent 
schon hervorgehoben hat, nur von Samoa und 
neuerdings von Ostafrika aus laut geworden. 
Der Herr Referent hat aber auch gleich seinen 
Zweifeln Ausdruck gegeben, ob ein besonderes 
Kreditinstitut in Samoa auf seine Rechnung 
kommen würde, und ich kann diese Zweifel 
meinerseits nur teilen. Im übrigen scheint es 
mir, daß auch in Samoa weniger eine Er- 
weiterung des Personal= als des Realkredits be- 
gehrt wird. Ein staatliches Eingreifen zwecks 
Erleichterung des Personalkredits erscheint mir in 
keiner unserer Kolonien unbedingt notwendig oder 
ratsam zu sein, insbesondere scheint aber auch 
eine Notwendigkeit gesetzlicher Maßnahmen zur 
Sicherung des Erntekredits bisher wohl nicht 
vorzuliegen. Eine ausreichende Sicherheit für 
Viehverpfändungen zu schaffen, scheint mir über- 
aus schwierig. Uber die vom Herrn Referenten 
angezogenen staatlich kontrollierten Viehbücher ist 
mir nichts bekannt geworden — trotz eines vier- 
jährigen Aufenthalts in Südamerika, woraus ich 
schließen möchte, daß sich dieselben auch dort 
prattisch nicht bewährt haben. 
Meines Erachtens sollte man der Fortbildung 
des genossenschaftlichen Kreditwesens möglichste 
Förderung angedeihen lassen, und ich hoffe, daß 
die Preußenkasse auch Mittel und Wege finden 
wird, der Genossenschaftsbank in Windhnk den 
gewünschten langfristigen Kredit von 500 000./%4 
zu gewähren. 
Was unnn die Befriedigung des Realkredits 
anbetrifft, so muß hier wieder zwischen dem 
städtischen und dem ländlichen Bodenkredit unter- 
schieden werden. Die Sorge um den ersteren 
  
ist, wie Sie aus dem Referate ersehen haben, für 
das Schutzgebiet von Kiautschou durch Vermitt- 
lung der Deutsch-Asiatischen Bank bereits gelöst 
und für Südwestafrika soll eine Lösung in ge- 
sonderten Verhandlungen gesucht werden, sie 
kann also hier ausgeschieden werden; ich möchte 
jedoch nicht unerwähnt lassen, daß das Erforder- 
nis eines staatlichen Eingriffs zugunsten des 
städtischen Bodenkredits von sehr maßgebender 
Seite in der Kolonie selbst verneint wird. 
(efr. die Eingabe der Windhuker Handelskammer). 
Für die übrigen Schutzgebiete scheint sich ein 
Bedürfnis nach Ausbildung einer besonderen 
Kreditorganisation für den städtischen Grundbesitz 
nicht geltend gemacht zu haben. 
Dies vorausgeschickt, möchte ich meine weiteren 
Ausführungen auf das Schutzgebiet von Südwest- 
afrika und im speziellen auf die Frage der Aus- 
gestaltung der ländlichen Kreditorganisation da- 
selbst beschränken und es eventueller späterer 
Diskussion vorbehalten, inwieweit die hier ge- 
wonnenen Resultate eine analoge Anwendung 
auf die anderen Schutzgebiete zulassen oder eine 
Modifikation erheischen. Diese Beschränkung ist 
um so notwendiger, als das statistische Material, 
das uns amtlicherseits zur Verfügung gestellt ist, 
sich ausschließlich auf Südwestafrika bezieht. 
Der landwirtschaftliche Kredit scheidet sich be- 
kanntlich nach der Verschiedenheit seines Ver- 
wendungszweckes in 3 Arten: den Grunddkredit, 
den Meliorationskredit und den Betriebskredit. 
Jede Untersuchung über die Organisation des 
landwirtschaftlichen Kredits wird daher damit be- 
ginnen müssen, darüber sich Klarheit zu ver- 
schaffen, für welche Art dieses Kredits ein Be- 
dürfnis sich geltend macht, denn je nach dem 
Verwendungszwecke werden die zu ergreifenden 
Maßregeln verschiedenartig auszugestalten sein. 
Es wird uns also zunächst die Frage zu be- 
schäftigen haben: 
Besteht in Südwestafrika ein Bedürf- 
nis zur Ausgestaltung des Grundkredits 
und wie läßt sich diesem Bedürfnis ab- 
helfen? 
Wenn man sich der zahlreichen Erörterungen 
erinnert, die in Wort und Schrift in den letzten 
Jahren über die Notwendigkeit der weiteren 
Ausgestaltung des Realkredits in Südwestafrika 
stattgefunden haben und eingedenk ist der dies- 
bezüglichen Resolution, die der Deutsche Kolonial- 
kongreß im Jahre 1910 gefaßt hat, so erscheint 
es vielleicht überflüssig, daß ich die Frage nach 
dem Vorliegen eines Bedürfnisses nach der Aus- 
gestaltung des Grundkredits noch erst in die Er- 
örterung ziehe; aber, meine Herren, das Studium 
der uus vom Herrn Referenten unterbreiteten 
statistischen Mitteilungen zwingt einem doch er-
	        
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