Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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gierung nahestehende Agrikulturbank stehen, die 
den Genossenschaften das Geld verschaffe. 
Herr Präsident Dr. Heiligenstadt: Daß 
die Errichtung eines besonderen Kreditinstituts 
erforderlich ist, nehme er auf Grund der Aus- 
führungen des Herrn Woermann an, denn er 
halte es nicht für richtig, daß Händler das vor- 
liegende, legitime Kreditbedürfnis durch ungesunde 
Stundungen der Preise für Warenlieferungen 
befriedigten. Die gleichen Verhältnisse hätten zur 
Bildung der Genossenschaften im Deutschen Reich 
geführt. Herr Woermann habe übrigens auch 
die städtischen Kredite mit in seine Betrachtungen 
hineingezogen, die jetzt wohl nicht zu behandeln 
seien. 
Das zu errichtende Zentralinstitut sei zweck- 
mäßigerweise nicht als Realkreditinstitut auszu- 
gestalten, sondern als ein Institut mit weitem 
Mantel, daß die nötige Bewegungsfreiheit habe 
und mit seinen Geschäften sich den Verhältnissen 
anpassen könne, wie sie sich auch entwickeln mögen. 
Es könne kein Institut sein, das unseren pro- 
vinziellen und kommunalen Genossenschaften gleiche; 
auch ein Staatsinstitut zu errichten empfehle sich 
nicht, weil dabei der Kolonialverwaltung manche 
Schwierigkeiten entstehen würden. Nach seiner 
Auffassung müsse, wenn er sich so ausdrücken 
dürfe, ein öffentlich = rechtliches Institut auf 
kommunalständischer Basis errichtet werden und 
der Reichsfiskus müsse diesem zu den erforder- 
lichen Mitteln verhelfen. Das JIunstitut habe 
Kredit für den Betrieb zu gewähren, worin er 
den Kredit für die kleineren Meliorationen ein- 
schließe. Es könne auch reale Beleihungen in 
gewissem vorsichtigen Maße betreiben; wenn 
sorgfältig dabei verfahren und vor allem die 
Amortisation im Auge behalten würde, so sehe 
er darin keine Gefahr. Es ständen ja auch dem 
Institut alle Realsicherungsmittel zu Gebote. 
Wie solle nun der Unterbau für dieses Institut 
beschaffen sein? Das zweckmäßigste erscheine ihm, 
wie auch den Vorrednern, die Genossenschaft. 
Die Genossenschaft müsse das Geld selbstschuld- 
nerisch von der Zentralstelle erhalten und als 
Selbstgläubigerin an die Kreditbedürftigen weiter- 
geben. Damit übernehme sie das Risiko und sei 
dadurch zur größten Vorsicht gezwungen. Ander- 
seits sei auch die Genossenschaft infolge ihrer Mit- 
gliederzusammensetzung aus Farmern der be- 
treffenden Gegend wie keine andere IJnstitution 
in der Lage, die Verwendung zu kontrollieren. 
Es sei der Einwurf erhoben worden, daß sich 
keine geeigneten Leute zur Leitung fänden. Wenn 
dieser Einwurf auch nicht ohne weiteres von der 
Hand zu weisen sei, so könne man doch darüber 
hinwegkommen, zum Beispiel dadurch, daß ge- 
  
eignete Leute hinausgeschickt würden, daß die 
komplizierteren Geschäfte in der Zentralstelle vor- 
genommen würden usw. Für das einfache 
Kreditgeschäft einschließlich des Kredites für die 
kleineren durch den Farmer selbst auszuführenden 
Meliorationen sei die örtliche, nicht zu große 
Genossenschaft das einzig richtige, und zwar die 
freie, nicht die Zwangsgenossenschaft. Daß durch 
den jederzeit möglichen Austritt von Genossen 
die Sicherheit hingegebener Kredite gefährdet sei, 
könne er nicht zugeben, da durch genügend 
Kontrolle und durch besondere Vereinbarungen, 
welche neben dem Statut sehr wohl getroffen 
werden könnten, diesen an sich möglichen Ge- 
fahren vorgebeugt werden könnte. 
Für Meliorationen, die sich örtlich auf größere 
Gebiete zu erstrecken hätten, käme nur die Ein- 
richtung von Zwangsgenossenschaften in Frage, 
und zwar müsse jedesmal ad hoe eine solche ge- 
bildet werden. Der Zwang sei da nur berechtigt, 
wenn es sich darum handele, Sonderbestrebungen 
eines einzelnen im allgemeinen Interesse aus- 
zuschließen. 
Die Ermäßigung des Zinsfußes sei nicht von 
ausschlaggebender Bedeutung. Wenn nichtlebens- 
fähige Elemente sich nicht halten könnten, so sei 
das nicht zu bedauern. Das private Kapital 
würde sich mit den Kolonien nur beschäftigen, 
wenn entsprechend dem höheren Risiko auch höhere 
Zinsen erzielt würden. Es wäre an sich noch 
nicht unberechtigt, daß man sich eine Annuität 
von 8 % zahlen lasse; soweit es sich um Melio- 
rationen handele, könne man dann einen ent- 
sprechenden Teil dieses Betrages für Amortisation 
verwenden. 
Herr Direktor Dr. Tröltsch: Er stimme mit 
dem Vorredner überein, daß es notwendig sein 
werde, für die Meliorationen Zwangsgenossen- 
schaften usw. zu organisieren. 
Der Meliorationskredit müsse wohl aber immer 
zugleich auch Realkredit sein. Er bitte um Aus- 
kunft, ob sich dabei rechtliche Schwierigkeiten er- 
geben würden, weil doch wohl ein Teil der 
Farmen als Pachtland gegeben sei. 
Der Vorsitzende erwiderte: In Deutsch- 
Südwestafrika sei den Erwerbern von Farmen 
regelmäßig das Eigentum an denselben über- 
tragen worden. Es beständen allerdings gewisse 
Eigentumsbeschränkungen, einmal die, daß das 
Eigentum innerhalb 10 Jahren nicht ohne Ge- 
nehmigung der Regierung weiter übertragen 
werden dürfe. Diese Beschränkung bilde ein 
Korrelativ zu den billigen Preisen der Farmen, 
und bezwecke, Spekulationskäufen vorzubengen. 
Sei Spekulationsabsicht nicht in Frage gekommen, 
so habe die Regierung dem Weiterverkauf keine 
Schwierigkeiten in den Weg gelegt.
	        
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