Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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vorhanden wäre, diese dem Landrecht gemäß ihre 
Wirkung auf die Ernte haben. Deshalb muß die 
Bank vor Abschluß eines Darlehensvertrags jedes- 
mal. einen Hypothekenfreischein verlangen.“ 
Herr Senator Strandes, auf die Frage des 
Vorsitzenden, ob es — vorausgesetzt, daß sich die 
rechtlichen Schwierigkeiten überwinden ließen — 
nach seiner Ansicht wünschenswert sei, in Ostafrika 
und den übrigen deutschen tropischen Schutzgebieten 
den Erntekredit einzuführen: 
Wenn auch in den französischen Kolonien die 
Erntedarlehen als sehr gefährdet angesehen würden 
und es ihm sehr fraglich erscheine, ob die Ein- 
führung des Erntekredits in den deutschen Schutz- 
gebieten einen großen Erfolg haben werde, so 
möchte er doch die Einführung befürworten, weil 
die Farmer sie forderten, also durch die Ein- 
führung Zufriedenheit bei ihnen geschaffen werden 
würde, und der Erntekredit jedenfalls keinen 
Schaden bringen könne. 
Herr Präsident Heiligenstadt: Zur Ein- 
führung des Erntekredits in Deutsch-Ostafrika 
würde wohl ein besonderes Reichsgesetz erforderlich 
sein. In den Ländern nichtgermanischen Rechtes 
dagegen könne Erntekredit ohne besondere recht- 
liche Grundlage gewährt werden. 
Geheimrat Zoepfl wies demgegenüber darauf 
hin, daß auch in Frankreich die rechtliche Regelung 
große Schwierigkeiten gemacht habe. 
Herr Präsident Dr. Heiligenstadt: Frank- 
reich und auch Argentinien hätten in ziemlich er- 
heblichem Umfange die deutsche Hypothekengesetz- 
gebung nachgeahmt, woraus die Notwendigkeit 
einer rechtlichen Regelung des Erntekredits sich 
ergeben hätte. In den Ländern dagegen, in 
denen man im Pfandrecht den deutschrechtlichen 
Grundsätzen nicht gefolgt sei, sei auch eine be- 
sondere rechtliche Regelung des Erntekredits nicht 
erforderlich. 
Im Deutschen Reiche habe man bisher davon 
abgesehen, die Gesetzgebung in dieser Frage in 
Bewegung zu setzen, weil man sich sage, daß die 
zu erwartenden Erfolge hierzu in keinem Ver- 
hältnis stehen würden. 
In Frankreich habe man, wie er aus per- 
sönlichen Mitteilungen wisse, den warrant agricole 
weniger wegen eines vorliegenden Bedürfnisses, 
als aus politischen Rücksichten Mitte der neunziger 
Jahre geregelt. 
Auf die Bemerkung des Herrn Geheimrats 
Zoepfl, daß bereits in den fünfziger Jahren eine 
gesetzliche Regelung des warrant agricole erfolgt 
sei: die Grundlage für das jetzt gültige Gesetz sei 
im Jahre 1894 gegeben worden. 
  
Herr Geheimrat Meyer-Gerhard: Wenn 
man eine Verpfändung der stehenden Ernte zu- 
lassen würde, so würde man damit mit wich- 
tigen Prinzipien unseres Rechtssystems brechen. 
Nach den Grundzügen des deutschen bürgerlichen 
Rechts sei die stehende Ernte als ein Teil des 
Grund und Bodens anzusehen und könne des- 
halb nicht Gegenstand eines besonderen Rechts 
sein, vielmehr bezögen sich alle auf den Grund 
und Boden sich beziehenden Rechte auch auf sie. 
In der Zivilprozeßordnung sei allerdings die 
Zwangsvollstreckung in die Früchte auf dem Halme 
für zulässig erklärt, jedoch nicht ganz allgemein, 
vielmehr dürfe sie frühestens einen Monat vor der 
Reife erfolgen. Es handle sich also dort um 
eine mit besonderen einschneidenden Klauseln ver- 
sohene Ausnahmebestimmung. 
Wenn man im französischen Recht erheblich 
weiter gegangen sei und freie Verpfändung eines 
Teils der Ernte bis zu 120 Tagen vor der 
Aberntezeit zugelassen habe, so habe man damit 
doch auch nur einen Kredit von nicht langer 
Dauer geschaffen. 
Jedenfalls sei zur Einführung eines Ernte- 
kredits in Deutsch-Ostafrika ein Reichsgesetz er- 
forderlich. Das Reichs-Justizamt habe sich zwar 
in dem Gutachten, das es auf Ersuchen des 
Reichs-Kolonialamts erstattet habe, nicht von 
vornherein ablehnend verhalten, habe aber durch- 
blicken lassen, daß große Bedenken bestünden. 
Nach allem halte er die Konstruktion eines 
Erntekredits für sehr schwierig und die Erzielung 
wirtschaftlichen Erfolges durch einen solchen für 
sehr fraglich. 
Nunmehr wurde zur Erörterung der Kredit- 
organisation im Schutzgebiet Samoa geschritten. 
Der Vorsitzende bemerkte, daß auch dort 
ein Bedürfnis nach Kredit sich geltend gemacht 
habe, und erteilte Herrn Geheimrat Schnee das 
Wort. 
Herr Geheimrat Schnee: Die Verhältnisse 
Samoas seien in der Kreditfrage denen Deutsch- 
Ostafrikas insofern ähnlich, als auch dort Pflan- 
zungen bestünden, insofern aber von jenen ver- 
schieden, als bisher in erster Linie ein Bedürfnis 
nach kaufmännischem Kredit hervorgetreten sei. 
Auf Samoa gäbe es bis heute keine Bank. 
Früher sei in dem Schutzgebiet von der weißen 
Bevölkerung nur Handel mit den Eingeborenen 
getrieben worden. Der Handel habe hauptsäch- 
lich in der Hand der Firma Godeffroy, später 
„Deutschen Handels= und Plantagengesellschaft 
der Südseeinseln“ in Hamburg gelegen, die auch 
umfangreiche Kokospflanzungen angelegt habe; 
daueben seien auch Einzelhändler (Zuwanderer 
aus Nachbarländern, zurückgebliebene Seeleute
	        
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