Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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In Deutschland werden auch heute Dampfanto- 
mobile fast gar nicht gebaut; dagegen gibt es in Eng- 
land eine größere Zahl von Fabriken, die Dampf- 
straßenlokomotiven und Dampflastwagen, vielfach auch 
für koloniale Zwecke bauen. Dampfbetrieb setzt auch 
das Vorhandensein von gutem zur Kesselspeisung 
geeigneten Wasser in ausreichender Menge voraus; der 
Betrieb mit Berbrennungsmotor ist in dieser Beziehung 
viel anspruchsloser. 
Die Verwendung von Fahrzeugen mit Ver- 
brennungsmotor ist nur möglich, wenn flüssiger Brennstoff 
vorhanden ist, also in der Regel nur da, wo durch 
Eisenbahn oder Schiffahrt Benzin oder dergleichen 
zugeführt werden kann. Bei Verwendung solcher Fahr- 
geuge in tropischen Gegenden ist zwar der Kühlvorrich- 
tung besondere Aufmerksamkeit zu schenken; die Er- 
fahrung hat aber gezeigt, daß sich eine ausreichende 
Kühlung konstruktiv leicht ermöglichen läßt. 
Unabhängig von der Betriebsart sind bei der 
Konstruktion von Kolonialautomobilen cinige besondere 
Gesichtspunkte zu beachten: Es ist großer Bodenabstand 
anzustreben, damit da, wo die Näder in tief ein- 
efahrener Spur laufen müssen oder wo Steinc umher- 
iegen, Beschädigungen irgendwelcher Konstruktionsteile 
vermieden werden. Gute Einkapselung aller bewegten 
Teile zum Schutze gegen Sand und Staub ist not- 
wendig. Bei Festsetzung des Radstandes ist auf die 
landesübliche Spur Rücksicht zu nehmen. Rad- 
konstruktionen und Radbereifung verdienen besondere 
Beachtung. Holzräder müssen sehr gut gearbeitet und 
kräftig ansgeführt werden, wenn sie halten sollen. 
Stahlgußräder sind zwar gegen Witterungseinfluß un- 
empfindlich, aber schwerer und weniger elastisch. Eisen- 
reifen haben den Vorteil geringeren Preises und größerer 
Auflagefläche, aber den Nachteil, daß das gange Fahr- 
zeug schlechter abgefedert wird, so daß man sich mit 
kleinerer Geschwindigkeit begnügen muß als bei Ver- 
wendung von Gummireifen; letztere haben sich auch 
in tropischen Gegenden auf guten Straßen gut bewährt; 
voransgesetzt bleibt, daß ein ausreichend großes Gummi- 
profil gewählt wird. Die Motorstärke ist bei Kolonial- 
fahrzeugen reichlich zu wählen, damit man auch auf 
starken Steigungen und auf wegelosen Strecken gut 
vorwärts kommt. Bei Lastwagen hat sich der Einbau 
von Seilwinden mit Rraftantrieb bewährt. Ganz 
allgemein muß für Kolonial= Fahrzeuge sorgfältige 
Durchbildung, Einfachheit und zugänglichkeit aller 
Teile, erstklassiges Material und beste Werkstattarbeit 
verlangt werden. Der Führer muß in den RKolonien 
Reparaturen zumeist selbst vornehmen, sein Dienst ist 
viel verantwortungsvoller und schwieriger als bei 
heimatlichen Fahrzeugen. 
Da auf schlechten Straßen nur ein geringes Rei- 
bungsgewicht einer eingelnen Achse zulässig ist, hat 
man Versuche mit Vierräderamrieb gemacht. Ein 
solches von der Daimler Motoren-Gesellschaft, Marien- 
felde, gebautes Fahrzeng hat sich in Südwest aber 
doch immer noch für die dortigen Verhältnisse als zu 
schwer erwiesen. Ein Nachteil des Vierräderantriebes 
ist die daraus sich ergebende komplizierte Bauurt. 
Uber weitere Versuche mit Automobilen in deutschen 
Kolonien mit Verbrennungemotor ist noch folgendes 
zu berichten: Beim Bahnbau Morogoro —Tabora 
in Ostafrika wurden vier Kraftlastzüge verwendet 
zum zweck des Transportes von Lebensmitteln, Bau- 
materialien usw. von der jeweiligen Gleisspitze an die 
vorn im Bau befindliche Strecke. Da die Gleisspite 
ständig sorischritt, konnten die Fahrwege nur immer 
ein bis zwei Monate lang benutzt werden; es stellte 
sich als unmöglich heraus, die Kosten der erforderlichen 
Wegebefesligungen in der kur zen Betriebszeit wieder 
  
herein zubringen; die Versuche mußten deshalb auf- 
gegeben werden. 
Auf der Strasse Mombo — Wilhelmstal in 
Ostafrika ist ein Automobilverkehr mit Fahrzeugen. 
deren größter Raddruck 1½ beträgt, eingerichtet worden. 
In Südwest hat Oberleutnant Troost einen 
Versuch mit einer eigenartigen dreirädrigen Zugmaschine 
angestellt; von Erfolgen derselben ist nichts bekannt 
geworden. Die Schutztruppe hat in Südwest Ver- 
suche mit Lastautomobilen und mit Personenfahrzeugen 
unternommen. Erstere können als mißlungen bezeichnet 
werden, während lettere verhältnismätßig günstige 
Ergebnisse geliesert haben. Die Personenfahrzeuge 
haben bis jetzt annähernd je 60000 km geleistet und 
sind noch recht brauchbar. Für das Gouvernement 
von Südwest ist kürzlich ein 55 PS. Mercedeswagen 
geliefert worden. 
In Kamerun sollen nach neueren Zeitungsnotizen 
in letzter Zeit mehrere erfolgreiche Fahrten mit leichten 
kleinen Fahrzeugen vorgenommen werden. Auch nach 
dem Kongostaat hat kürzlich eine belgische Fabrik 
kleine Benzinlastwagen für 800 kx Nutzlast geliefert. 
Mit ähnlichen kleinen Benzinantomobilen sind ferner 
besonders in den holländischen Kolonien gute Er- 
gebnisse erzielt worden. 
lim den Automobilverkehr in den deutschen Kolonien 
zu heben, wird es sich empfehlen, alle Erfahrungen 
sustematisch zu sammeln und der Automobilindustrie 
Angaben über die Beschaffenheit der Wege, die kolonialen 
Märkte für Betriebsstosse und Gummi, Vorhandensein 
und Beschaffenheit von Wasser, Möglichkeit der Ein- 
richtung von Depots und Werkstätten, über die Kosten 
des Lastentrausportes mit anderen Mitteln, über Art 
und Menge der zu befördernden Güter usw. zur Ver- 
fügung zu stellen. 
Die größte Förderung wird der Automobilverkehr 
in den Kolonien aber zweifellos durch den Ausbau 
geeigneter Wege zu Automobilstraßen erfahren. 
Wenn die Wege verbessert werden, wird sich der Auto- 
mobilverkehr von selbst einstellen, zum Vorteil für die 
Kolonien, zum Vorteil für unsere deutsche Antomobil- 
industric. 
* *# 
1*#. 
Im Anschluß an das Referat beschloß die Technische 
Kommission, die bei den Versuchen zur Einführung des 
Automobilverkehrs in fremdländischen und in den 
deutschen Kolonien gemachten Erfahrungen fortgesetzt 
zu sammeln und der Kolonialverwaltung, den kolonialen 
Interessenten und der heimischen Automobilindustrie 
zur Verfügung zu stellen und ferner beim Reichs- 
Kolonialamt anzuregen, beim Bau von Straßen auch 
auf Automobilverkehr Rücksicht zu nehmen. 
liber das 
Flugwesen in den Kolonien 
sprach Major a. D. v. Tschudi, Direktor der Flug- 
und Sportplatz Berlin-Johannisthal G. m. b. H. 
In Frankreich hat man schon vor einem Jahre 
100 000 Fr. für kolonial-flugtechnische Zwecke bewilligt. 
In verschiedenen außereuropäischen Ländern sind be- 
reits Erfahrungen in bezug auf die Verwendung der 
Flugzeuge in den Kolonien gewonnen worden. Die 
Sicherheit des Flugzeuges ist im letzten Jahre wesent- 
lich gesteigert worden, bedarf aber noch der Vervoll- 
kommnung des Motors: denn erst, wenn ein Versagen 
des Motors zu den größten Seltenheiten gehört, werden 
die (Zefahren, die die Verwendung des Flugzeuges in 
schwierigen Gegenden bringt, so gering werden, daß 
man sie unbedenklich in Kauf nehmen wird. Der
	        
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