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In Deutschland werden auch heute Dampfanto-
mobile fast gar nicht gebaut; dagegen gibt es in Eng-
land eine größere Zahl von Fabriken, die Dampf-
straßenlokomotiven und Dampflastwagen, vielfach auch
für koloniale Zwecke bauen. Dampfbetrieb setzt auch
das Vorhandensein von gutem zur Kesselspeisung
geeigneten Wasser in ausreichender Menge voraus; der
Betrieb mit Berbrennungsmotor ist in dieser Beziehung
viel anspruchsloser.
Die Verwendung von Fahrzeugen mit Ver-
brennungsmotor ist nur möglich, wenn flüssiger Brennstoff
vorhanden ist, also in der Regel nur da, wo durch
Eisenbahn oder Schiffahrt Benzin oder dergleichen
zugeführt werden kann. Bei Verwendung solcher Fahr-
geuge in tropischen Gegenden ist zwar der Kühlvorrich-
tung besondere Aufmerksamkeit zu schenken; die Er-
fahrung hat aber gezeigt, daß sich eine ausreichende
Kühlung konstruktiv leicht ermöglichen läßt.
Unabhängig von der Betriebsart sind bei der
Konstruktion von Kolonialautomobilen cinige besondere
Gesichtspunkte zu beachten: Es ist großer Bodenabstand
anzustreben, damit da, wo die Näder in tief ein-
efahrener Spur laufen müssen oder wo Steinc umher-
iegen, Beschädigungen irgendwelcher Konstruktionsteile
vermieden werden. Gute Einkapselung aller bewegten
Teile zum Schutze gegen Sand und Staub ist not-
wendig. Bei Festsetzung des Radstandes ist auf die
landesübliche Spur Rücksicht zu nehmen. Rad-
konstruktionen und Radbereifung verdienen besondere
Beachtung. Holzräder müssen sehr gut gearbeitet und
kräftig ansgeführt werden, wenn sie halten sollen.
Stahlgußräder sind zwar gegen Witterungseinfluß un-
empfindlich, aber schwerer und weniger elastisch. Eisen-
reifen haben den Vorteil geringeren Preises und größerer
Auflagefläche, aber den Nachteil, daß das gange Fahr-
zeug schlechter abgefedert wird, so daß man sich mit
kleinerer Geschwindigkeit begnügen muß als bei Ver-
wendung von Gummireifen; letztere haben sich auch
in tropischen Gegenden auf guten Straßen gut bewährt;
voransgesetzt bleibt, daß ein ausreichend großes Gummi-
profil gewählt wird. Die Motorstärke ist bei Kolonial-
fahrzeugen reichlich zu wählen, damit man auch auf
starken Steigungen und auf wegelosen Strecken gut
vorwärts kommt. Bei Lastwagen hat sich der Einbau
von Seilwinden mit Rraftantrieb bewährt. Ganz
allgemein muß für Kolonial= Fahrzeuge sorgfältige
Durchbildung, Einfachheit und zugänglichkeit aller
Teile, erstklassiges Material und beste Werkstattarbeit
verlangt werden. Der Führer muß in den RKolonien
Reparaturen zumeist selbst vornehmen, sein Dienst ist
viel verantwortungsvoller und schwieriger als bei
heimatlichen Fahrzeugen.
Da auf schlechten Straßen nur ein geringes Rei-
bungsgewicht einer eingelnen Achse zulässig ist, hat
man Versuche mit Vierräderamrieb gemacht. Ein
solches von der Daimler Motoren-Gesellschaft, Marien-
felde, gebautes Fahrzeng hat sich in Südwest aber
doch immer noch für die dortigen Verhältnisse als zu
schwer erwiesen. Ein Nachteil des Vierräderantriebes
ist die daraus sich ergebende komplizierte Bauurt.
Uber weitere Versuche mit Automobilen in deutschen
Kolonien mit Verbrennungemotor ist noch folgendes
zu berichten: Beim Bahnbau Morogoro —Tabora
in Ostafrika wurden vier Kraftlastzüge verwendet
zum zweck des Transportes von Lebensmitteln, Bau-
materialien usw. von der jeweiligen Gleisspitze an die
vorn im Bau befindliche Strecke. Da die Gleisspite
ständig sorischritt, konnten die Fahrwege nur immer
ein bis zwei Monate lang benutzt werden; es stellte
sich als unmöglich heraus, die Kosten der erforderlichen
Wegebefesligungen in der kur zen Betriebszeit wieder
herein zubringen; die Versuche mußten deshalb auf-
gegeben werden.
Auf der Strasse Mombo — Wilhelmstal in
Ostafrika ist ein Automobilverkehr mit Fahrzeugen.
deren größter Raddruck 1½ beträgt, eingerichtet worden.
In Südwest hat Oberleutnant Troost einen
Versuch mit einer eigenartigen dreirädrigen Zugmaschine
angestellt; von Erfolgen derselben ist nichts bekannt
geworden. Die Schutztruppe hat in Südwest Ver-
suche mit Lastautomobilen und mit Personenfahrzeugen
unternommen. Erstere können als mißlungen bezeichnet
werden, während lettere verhältnismätßig günstige
Ergebnisse geliesert haben. Die Personenfahrzeuge
haben bis jetzt annähernd je 60000 km geleistet und
sind noch recht brauchbar. Für das Gouvernement
von Südwest ist kürzlich ein 55 PS. Mercedeswagen
geliefert worden.
In Kamerun sollen nach neueren Zeitungsnotizen
in letzter Zeit mehrere erfolgreiche Fahrten mit leichten
kleinen Fahrzeugen vorgenommen werden. Auch nach
dem Kongostaat hat kürzlich eine belgische Fabrik
kleine Benzinlastwagen für 800 kx Nutzlast geliefert.
Mit ähnlichen kleinen Benzinantomobilen sind ferner
besonders in den holländischen Kolonien gute Er-
gebnisse erzielt worden.
lim den Automobilverkehr in den deutschen Kolonien
zu heben, wird es sich empfehlen, alle Erfahrungen
sustematisch zu sammeln und der Automobilindustrie
Angaben über die Beschaffenheit der Wege, die kolonialen
Märkte für Betriebsstosse und Gummi, Vorhandensein
und Beschaffenheit von Wasser, Möglichkeit der Ein-
richtung von Depots und Werkstätten, über die Kosten
des Lastentrausportes mit anderen Mitteln, über Art
und Menge der zu befördernden Güter usw. zur Ver-
fügung zu stellen.
Die größte Förderung wird der Automobilverkehr
in den Kolonien aber zweifellos durch den Ausbau
geeigneter Wege zu Automobilstraßen erfahren.
Wenn die Wege verbessert werden, wird sich der Auto-
mobilverkehr von selbst einstellen, zum Vorteil für die
Kolonien, zum Vorteil für unsere deutsche Antomobil-
industric.
* *#
1*#.
Im Anschluß an das Referat beschloß die Technische
Kommission, die bei den Versuchen zur Einführung des
Automobilverkehrs in fremdländischen und in den
deutschen Kolonien gemachten Erfahrungen fortgesetzt
zu sammeln und der Kolonialverwaltung, den kolonialen
Interessenten und der heimischen Automobilindustrie
zur Verfügung zu stellen und ferner beim Reichs-
Kolonialamt anzuregen, beim Bau von Straßen auch
auf Automobilverkehr Rücksicht zu nehmen.
liber das
Flugwesen in den Kolonien
sprach Major a. D. v. Tschudi, Direktor der Flug-
und Sportplatz Berlin-Johannisthal G. m. b. H.
In Frankreich hat man schon vor einem Jahre
100 000 Fr. für kolonial-flugtechnische Zwecke bewilligt.
In verschiedenen außereuropäischen Ländern sind be-
reits Erfahrungen in bezug auf die Verwendung der
Flugzeuge in den Kolonien gewonnen worden. Die
Sicherheit des Flugzeuges ist im letzten Jahre wesent-
lich gesteigert worden, bedarf aber noch der Vervoll-
kommnung des Motors: denn erst, wenn ein Versagen
des Motors zu den größten Seltenheiten gehört, werden
die (Zefahren, die die Verwendung des Flugzeuges in
schwierigen Gegenden bringt, so gering werden, daß
man sie unbedenklich in Kauf nehmen wird. Der