Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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heute die Gesamtzahl der Spindeln auf rund 140 
Millionen geschätzt wird, ist die zeitweilig vorherrschende 
Furcht, eine 16 Millionen-Ernute in Amerika könnte den 
Wert von Baumwolle auf ein Nivean hinunterdrücken, 
welches für die Industrie, die sich mit Rohstoff auf 
weit hinaus versorgt hatte, enorme Verluste im Ge- 
solge haben würde, nunmehr vollständig geschwunden. 
Die enorme Nachfrage nach Baumwolle aller Art 
übte naturgemäß auf die Preisentwicklung einen ent- 
scheidenden Einfluß aus. 
Während am 27. Dezember middling in Bremen 
46¾ Pf. notierte — 13// Pf. unter dem Werte vom 
1. November 1911 von 48159 — stieg middling unter 
geringem Angebot des Südens und unter dem Ein- 
flusse einer starken Haussespekulation in Amerika bei 
nur wenigen kurgen Unterbrechungen bezw. gelegent- 
lichen Rückschlägen bis zum 30. März auf 55¾ Pf., 
also um 9 Pf. gleich rund 19¼¾ v. O. Seit dem 
31. März ist der Markt um weitere 4¾ Pf. auf 
60½ Pf. gestiegen. 
Diese steigende LSendenz hat zweifellos die Ent- 
wicklung des Handels sowohl, wie der Industrie auf 
das günstigste beeinflußt, indem sie jenen zu einer 
Tätigkeit und Unternehmungelust anfenerte, die der 
reichen Versorgung in Rohstoff und der lebhaften Nach- 
frage entsprach und hierin alle früheren Ziffern weit 
in den Schatten stellte, und dieser die Möglichkeit gab, 
bei dem neuen niedrigen Wertniveau des Rohstoffes, 
niedrig den Werten der letzten Jahre gegenüber, ihre 
Garne und Gewebe flott abzustoßen zu Preisen, die 
ihr wenigstens einen wenn auch zunächst nur be- 
scheidenen Nutzen ließen. Wenn nicht unvorhergesehene 
wirtschaftliche oder politische Störungen eintreten, ist 
der Tertilindustrie ein lukrativer Betrieb auf lange 
hinaus gesichert, und wenn nicht alle Anzgeichen trügen, 
wird die eingetretene Gesundung auf dem Gebiete der 
Spannung zwischen dem Wert des Rohstoffes und 
demjenigen der Garne weitere Fortschritte machen und 
für die Tertilindustrie nunmehr endlich wieder be- 
friedigende, wenn nicht günstige Verhältnisse eintreten 
lassen. 
Blickt man nun zurück auf die neuen, gang eigen- 
artigen Erfahrungen, die man in diesem Jahre mit 
der amerikanischen Ernte hat machen müssen, auf- 
weisend eine Versorgung, JZiffernmäßig überreich, 
mangelhaft dagegen in ihrer Qnalität, ihrem Spinn- 
werte, so treten auch in diesem Jahre trotz der enormen 
Versorgung wieder die Bedenken an uns heran, die uns 
im Interesse der außeramerikanischen Terlilindustrie 
schon seit Jahren nahe liegen. Es ist die Ungewißheit, 
die Ungleichmäßigkeit der Eruten in Amerika, die uns 
zu schaffen machen, und man muß nach den dies- 
jährigen Erfahrungen die Befürchtung hegen, daß, wie 
wir schon früher erlebten, große Cruten im Süden 
qualitativ Schaden erleiden in einem Umfange, der 
für dic technischen Spinnereibetriebe mancherlei Schwic- 
rigkeiten und auch Verluste im Gefolge hat. Beachtet 
man dann ferner, welch hohen Progentsatz der Spinner- 
bezüge in amerikanischer Baumwolle die europäisch= 
kontinentale Tertilindustrie für sich in Auspruch nimmt, 
und faßt man alsdann die tatsächlich vorhandenen 
Aussichten auf eine befriedigende Eutwicklung der Lage 
unserer Tertilindustrie ins Auge, dann wird man immer 
wieder von neuem darauf hinweisen müssen, wie dringend 
notwendig es ist, auf den eingeschlagenen Wegen zur 
Förderuug der Baumwollkultur in unseren 
Kolonien unverdrossen weiterguschreiten. 
* * 
# 
  
Wirtschaftliches über Togo. 
zur wirtschaftlichen Zukunft unserer Togo-= 
Kolonie im allgemeinen äußert sich einer unserer 
ältesten ostafrikanischen Tropenlandwirte, Herr John 
Booth, der die Kolonie jüngst während einer ganzen 
Kultur= und Ernteperiode bereist hat, etwa wie folgt: 
Auch für Togo empfiehlt sich die Mischung von 
Eingeborenen= und europäischen Pflanzungs- 
betrieben, wie diese für jede tropische Kolonie die 
schnellste und glücklichste Entwicklungsmöglichkeit bietet. 
Der wirtschaftliche Wert der Kolonie liegt in Süd- 
und Mittel-Togo. Hier liegen nach Schätzung des 
Oberförsters Dr. Metzger etwa 3000 dkm = 300000 ha 
Olpalmenland, das bei intensiverer Kultur weit größere 
Erträge in besserer Qualität bringen könnte, als dies 
bisher der Fall ist. Die Palmfruchtbereitungsmaschine 
zeigt dem Europäer den Weg, an einer rationelleren 
Ausbeute durch Errichtung von Palmölwerken und 
zugleich durch Anlage von Olpalm-Plantagen mitzu- 
wirken. Für den Baumwollbau am geceignetsten ist 
Süd-= und Mittel-Togo. Durch die jetzt eingerichteten 
Baumwollstationen der Regierung ist neben einer Ver- 
mehrung der Quantität auch eine Verbesserung der 
Oualität zu erwarten. Einer Entwicklung fähig ist 
auch der Kakaobau, wenn auch in bescheidenerem Um- 
fange als an der Goldküste, wo der Export im vor- 
letzten Jahre schon etwa 17 Millionen Mark betrug. 
Eine Produktion von einigen Millionen Mark kann 
man auch für Togo in Aussicht stellen. 
Im Norden Togos dagegen sind die Tlpalmen= 
gelände sehr beschränkt. Mais wird dort durch das 
anspruchslose, nicht erportfähige Guinea-Korn ersetzt. 
Kakaoland ist nicht vorhanden. Die indischen Baum- 
wollsorten haben versagt, die Erträge der einheimischen 
sind sehr gering. Auszerdem ist im Norden die Schäd- 
lingsfrage sehr bedenklich. Kapok und Kautschuk können 
hier vielleicht eine begrenzte Zukunft haben. In Frage 
kämen als Massenprodukte des Erports möglicherweise 
noch Erdnüsse und Sesam. 
Anderseits hat Nord-Togo große Flächen Gras- 
land, auf denen sich mit der Zeit eine ausgedehnte 
Viehzucht wird einführen lassen, wenn das Land erst 
einmal seuchenfrei gemacht ist. Sodann besitzt es in 
den Bezirken Sokodé und Mangu eine Bevölkerung 
von über ½ Million Menschen. Nord-Togo ist somit 
das gegebene Menschen-Reservoir. um hieraus die 
nötigen Arbeitskräfte für Süd= und Mittel-Togo zu 
schöpsen. Schon heute geht eine große Zahl Menschen 
aus jenen Gegenden arbeitsuchend in das euglische 
Gebiet mangels Arbeitsgelegenheit in der RKolonie 
selbst. Die Anlage von europäischen Plantagen im 
Süden Togos, die Hebung bestimmter Eingeborenen- 
Kulturen sowie die Besiedelung von herrenlosem 
Steppenland, wie dies vom Gouvernement in der 
Siedlungskolonie Chra in vorbildlicher Weise erfolgt 
ist, würden diese Gelegenheiten schaffen und die Pro- 
duktion Süd-Togos ganz erheblich fördern können. 
Mit der Errichtung enropäischer Olpalmenpflan= 
zungen würde die Kultur auch in den Eingeborenen- 
betrieben verbessert werden. Die Entwicklung dieses 
Produktionszweiges durch die Bezirkslandwirte ist zur 
Zeit eine der wichtigsten Fragen der Kolonie. 
Die Erweiterung des europäischen Plantagenbaucs 
würde allerdings eine Revision der Landfrage, nament- 
lich hinsichtlich des Reservierens herrenlosen, bzw. von 
den Eingeborenen nicht gebrauchten Landes bedingen. 
Aus dem Vorstehenden ergibt sich gewissermaßen 
von selbst die Stellung in der Verkehrsfrage. 
Booth begrüßt die Aufschlußbahn des reichen Olpalm- 
landes in Anecho und verspricht sich von einer lokalen
	        
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