Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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Fulbeherrschern, denen sie nominell unterstehen, 
ganz unmöglich, weil ihnen die Heiden in dem 
Bergland mit ihren Giftpfeilen überlegen sind. 
Diese Zustände, über die fast wöchentlich bei der 
Residentur Klagen einliefen, waren nicht mehr 
haltbar, wenn anders nicht das Vertrauen der 
ruhigen Bevölkerung zu der Residentur und deren 
Willen, ihr zu helfen, ernstlich erschüttert werden 
sollte. 
An der Expedition nahmen Teil: Hauptmann 
Schwartz als Führer, ferner Leutnant Edler 
v. der Planitz und Sanitätssergeant Bauer sowie 
35 farbige Soldaten einschließlich der Dienstgrade. 
Außerdem wurden wechselnd eingeborene landes- 
kundige Führer in beschränkter Zahl — nie mehr 
als zwanzig — herangezogen, die beim Weg- 
weisen im ungemein unübersichtlichen Gelände, 
beim Aufsuchen der Verstecke, beim Treiben des 
Beuteviehs und beim Beaufsichtigen der Gefangenen 
auf dem Gefechtsfelde Verwendung fanden. Ihre 
Bewaffnung war die lanbesübliche. 
Von einer Verwendung eigentlicher Hilfs- 
krieger wurde grundsätzlich Abstand genommen, 
weil gerade in Adamaua durch diese dem Eu- 
ropäer sich anschließenden beutelustigen Scharen 
eine ganz sinnlose und gar nicht zu verhindernde 
Verwüstung des Landes, ferner Vieh-, Lebens- 
mittel= und vor allem Sklaven-Raub stattfindet, 
so daß eine Menge wirtschaftlicher Werte unnütz 
vernichtet und außerdem das Bestreben der Re- 
sidentur, den Sklavenhandel zu unterdrücken, den 
Gegensatz zwischen Fulbe und Heiden zu mildern 
und dadurch friedlichere Verhältnisse im Bezirk 
herbeizuführen, illusorisch gemacht wird. Der Er- 
peditionsführer hat vielmehr die ihm von den an- 
wohnenden Fulbe und auch von Heiden über- 
reichlich angebotenen „Hilfe“ nicht nur energisch 
abgelehnt, sondern Hunderte von Leuten, die sich 
ihm trotz dieser Ablehnung anzuschließen versuchten, 
durch Soldateneskorten und unter Bestrafung der 
Anführer wieder abgeschoben. Böllig lassen sich 
die Räubereien der Anwohner auf den Spuren 
der Expedition jedoch nicht unterdrücken; es sei 
denn, man führte einen regelrechten Krieg nach 
zwei Fronten, gegen den Feind und gegen den 
gar zu eifrigen „Freund"“. 
Die Absicht des Erxpeditionsführers war die, 
im Expeditionsgebiet möglichst jedes Hauptdorf zu 
besuchen — vor allem natürlich diejenigen Orte, 
welche als Raubnester besonders bezeichnet waren, 
nämlich die Landschaften Sia im Mubi-Gebiet, 
Musulwa im Gela-Gebiet und Ndili im Basseo- 
Gebiet —, ferner die noch ungesühnten Räubereien 
zu untersuchen, die Schuldigen zu bestrafen, durch 
eingehende Belehrung das Vertrauen der Heiden 
zu gewinnen, jedem Widerstande oder feindseligen 
Verhalten aber sofort mit Waffengewalt zu be- 
  
gegnen. Zum Schlusse sollte dann Leutnant 
v. der Planitz noch einige Monate im Gebiet 
bleiben, um die Befriedung durchzuführen. 
Die Expedition brach am 9. Oktober 1911 
von Garua auf. Ein Maschinengewehr wurde, 
da seine Verwendung in dem ungangbaren Ge- 
birgsland und dem dortigen Gegner gegenüber 
keinerlei Vorteile versprach, nicht mitgenommen. 
In Friedensmärschen wurde über Gasiga, 
Demssa, Wafango, Buda-Mango und Koagol Meiha 
erreicht. 
Die nun beginnenden Kriegsmärsche wurden 
so ausgeführt, daß der Expeditionsleiter persönlich 
die Vorhut führte, Leutnant v. der Planitz mit 
dem Haupttrupp und den Trägern folgte und 
Sanitätssergeant Bauer die Nachhut unter sich hatte. 
Es wurden nacheinander berührt die Haupt- 
orte: Dumo, Kodja, Gela, Mubi und Mi- 
djilu. Uberall wurden Versammlungen des 
Volkes und der Häuptlinge abgehalten und Unter- 
suchungen, Gerichtssitzungen und Bestrafungen vor- 
genommen. Zu bewaffnetem Einschreiten war hier- 
bei kein Anlaß gegeben. 
Am 19. Oktober ging der Marsch nach Sja. 
Das große, sehr ausgedehnte Dorf liegt in einem 
flachen Kessel inmitten eines sehr stark zerklüfteten 
Gebirgsstockes; die einzelnen Gehöfte, sämtlich mit 
Steinwällen befestigt und von Stacheleuphorbien- 
hecken umgeben, liegen immer gegen 100 m von- 
einander entfernt. Die Eingeborenen hatten die 
Gehöfte verlassen und saßen auf den das Dorf 
umlagernden Klippen, besonders auf einer nörd- 
lich vorgelagerten schroffen Höhe. Im südlichen 
etwas überhöhenden Teil des Dorfes wurde Lager 
bezogen und der Arnado (Häuptling) herangerufen, 
der auch erschien. Ihm wurde befohlen, Ver- 
pflegung heranzuschaffen und seine Leute zur Be- 
grüßung und Besprechung vor den Residenten zu 
bringen. Er versprach auch alles, hielt jedoch 
nichts, vielmehr wurde einer unserer Führer, der 
mit Leuten der Expedition zum Sammeln von 
Feuerholz die unmittelbarste Nähe des Lagers 
verließ, ohne jeden Grund durch einen Pfeilschuß 
in das linke Auge schwer verwundet; er starb 
später an Blutvergistung. Der Schuß war das 
Signal zu einem allgemeinen Angriff der Heiden 
auf unser Lager von der nördlich vorgelagerten 
höchsten Klippe her. 
Die Heiden näherten sich unter gellendem 
Kriegslärm, gut gedeckt, und schossen Gistpfeile in 
das Lager. Der Erxpeditionsführer eröffnete mit 
den übrigen Truppen ein erfolgreiches Schützen- 
seuer auf die anrückenden Heiden. Bald nachdem 
von diesen eine Anzahl gefallen war, machten die 
übrigen kehrt und verschwanden in den zahl- 
reichen Höhlen und hinter den Felsen der nörd- 
lich vorgelagerten großen Klippe.
	        
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